Heute bricht die deutsche Nationalmannschaft ihre Zelte ab, reist Richtung Gelsenkirchen, wo am Montag, 20.45 Uhr, auf Schalke die Nations-League-Partie gegen Holland steigt. Die immer jünger werdenden Fußballer von Joachim Löw haben in den sechs Tagen Leipzig viele Menschen glücklich gemacht. Die Schüler der 94. Grundschule, die kleinen Kicker von Lipsia und Olympia, die Autogramm- und Selfie-Jäger am Westin-Hotel. Auch die Fans in der mit über 35 000 Zuschauern vorzeigbar gefüllten Red-Bull-Arena. Das 3:0 gegen die Russen nach Toren von Leroy Sane (8.), Niklas Süle (26.) und Serge Gnabry (40.) soll stilbildend für die neue Ausrichtung sein: Jung, dynamisch, schnell, offensiv. Beim heutigen Umzug im Schlepptau des DFB-Trosses: Presse, Funk, Fernsehen.
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Einige der Berichterstatter kamen nicht umhin, sich in Leipzig zu verlieben. Die Restaurants, der Hauptbahnhof, das Barfußgässchen, die LVZ, der im Aufbau befindliche Weihnachtsbaum, die Currywurst im heimeligen Presseraum des Stadion – und da wäre noch Ralf Rangnick. Der 60-jährige RB-Coach/Sportdirektor bat wenige Stunden vorm Länderspiel an den Cottaweg, öffnete die Tür zum Zentrum der Macht, ins 24/7-köchelnde Fußball-Labor. Eine Führung für Journalisten. Mit Rangnick als Conferencier. Intime Einblicke in Herrschaftswissen.
Training am Soccerbot 360
Überschrift des Ganzen: Wie tickt RB, was macht dieser Club anders als andere, worin besteht der Unterschied zwischen Laufhaus und Laufschlauch, was tun bei einem flotten Otto?
Erste Station: Sporthalle. Dort steht der „Soccerbot 360“, digitale Weiterentwicklung des analogen „Footbonauten“, Revolution in Sachen kognitives (Kopf-)Training für Fußballer. Kostet um die 300 000 Euro, ist made in Leipzig (Umbrella Software GmbH, Trufanowstraße). Das kreisförmige Hightech-Trainingsgerät (80 Quadratmeter, 10 Meter Durchmesser, Kunstrasen) weist den Fußballern mit 3-D-Botschaften, was, wann, mit welchem Fuß und welcher Intensität mit dem Ball zu tun ist. Im Idealfall kann der Fußballer irgendwann besser mit den heutigen Mangelerscheinungen Zeit und Raum umgehen.
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Laufschlauch: Hier testen die Athletik-Trainer der Roten Bullen die Sprintfähigkeit der Fußballer. Rangnick erzählt, dass Lukas Klostermann und Timo Werner auf 30 Meter höllisch schnell sind. So um die 3,7 Sekunden. Rangnicks Hoffenheimer Ex-Schützling Chinedu Obasi hält den Rekord – 3,68. In Leipzig gibt es auch Laufhäuser. Dort geht es ebenfalls um Schnelligkeit.
Danach: Kraftraum. Wie aus dem Ei gepellt, alles in Ordnung. Wer eine Hantelscheibe liegen lässt, muss am Strafenrad drehen. Das steht in der Kabine. Es duftet hier ganz wunderbar. Früher rochen Fußballer wie Moschus-Bullen.
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Von der Kabine geht es in den Wellness-Bereich. Sauna, Schwimmbecken, Whirlpool, Kältekammer, flauschige Handtücher – alles da.
Nächster Halt: Labor. Hier werden die Profis allmorgendlich zur Ader gelassen, müssen Auskunft geben, wie sie geruht haben und gelaunt sind. Die CK-Blutwerte (Creatin-Kinase) fließen unmittelbar in die Trainingssteuerung. Über allem schwebt das Thema: Verletzungsvorbeugung. Rangnick ist zufrieden mit dieser Abteilung: „Wir hatten bisher sehr wenige Muskelverletzungen.“ Einzelzimmer, Kantine, Billard: Jeder RB-Kicker hat ein eigenes Zimmer. Dort – und nur dort – darf man am Handy spielen. Der Billardtisch ist stark frequentiert, z. B. von Yussuf Poulsen. Die Kantine ist nah an Sterne-Niveau, bietet jeden Tag fünf verschiedene Mahlzeiten. Die Essenspläne sind auf die Bedürfnisse jedes Spielers abgestimmt. Stichwort Kevin Kampl. Bei KK wurde eine Lactose-Unverträglichkeit festgestellt und entsprechend reagiert. Nach Darmsanierung ist KKs Durchfall-Quote auf null gefallen, der Mann ein wahrer Athlet.
Ende der Führung. Kaffee und Kuchen. Auf nach Gelsenkirchen. Mit Sonne und Leipzig im Herzen.