Leipzig. Das Regionalliga-Lokalderby zwischen den Leipziger Rivalen Lok und Chemie wirft seine Schatten voraus – am Sonntag (14.05 Uhr, Bruno-Plache-Stadion, live im MDR-Fernsehen) ist es wieder soweit. Ein kontroverses Thema im Vorfeld war nicht zum ersten Mal bei diesen Aufeinandertreffen die Kartenverteilung.
„Dafür haben wir gekämpft!“
Chemie hätte gern die üblichen zehn Prozent Gästetickets an den Mann oder die Frau gebracht. Aus Sicht der Leutzscher wollte der 1. FC Lok zunächst gar keine Karten für die Grün-Weißen rausgeben, dann 300. Herausgekommen ist letztlich ein Kompromiss von 450 Gästekarten. Die Wogen schlugen und schlagen dennoch hoch. Der Vorstandsvorsitzende der Leutzscher ist ein Chemie-Anhänger alter Prägung. Frank Kühne erlebte in über 50 Jahren Fan-Dasein etliche Derbys.
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Jetzt führt und lenkt er den Verein und kämpft für die Belange der grün-weißen Fan-Szene. Mit der Regelung, dass Chemie 450 Karten bekommt, ist er nicht hundertprozentig zufrieden. Der 61-Jährige respektiert aber den Kompromiss zwischen beiden Seiten und Sichtweisen: „Erst hatte Lok ja durchaus diskutiert, dass sie gar niemanden von uns hineinlassen. Dann hieß es, wir bekommen 300. Natürlich haben wir interveniert, denn wir wollten gern wenigstens 600.“
Ein Derby lebe eben auch von der Fankultur, im Rahmen des Erlaubten natürlich. Frank Kühne: „Dafür haben wir gekämpft!“ Nach langen Sitzungen mit den Lok-Verantwortlichen kam der Kompromiss zustande, mit dem jetzt beide Seiten leben. Dabei gab es innerhalb der Chemie-Fanszene durchaus auch Diskussionen, ob man dem Auswärtsspiel beiwohnen sollte. Die Sichtweise, die eigene Mannschaft niemals allein zu lassen, setzte sich ganz klar durch. Die Diablos, die starke Ultra-Gruppe von Chemie, ließ in einem Statement verlauten, dass nun eben die 450 Anwesenden doppelt so viel an Sangeskraft und Einsatz geben müssten. Die Karten wurden innerhalb der Fanclubs verteilt, was natürlich auch nicht jedem schmeckte. Aber eine Lösung, die alle zufriedenstellen würde, kann es bei einer solchen Konstellation sicher nicht geben.
Stückzahl sei Entgegenkommen der Probstheiader
Einen Lichtblick für die Lok-Fans und ein Signal der Entspannung sendete Chemie-Chef Kühne im Vorgriff auf das Rückspiel. „Wir stellen Lok natürlich zehn Prozent der verfügbaren Tickets zur Verfügung, das haben wir bereits fest zugesagt. Damit haben wir überhaupt kein Problem.“ Beim letzten Derby vor dem Lockdown durfte der 1. FC Lok im Oktober 2019 nur 250 Fans und damit lediglich fünf Prozent der Gesamtkapazität mit nach Leutzsch nehmen. Diese Entscheidung trafen der zuständige Verband NOFV und die Polizei aufgrund heftiger Ausschreitungen 2017. Aufgrund ihrer Enttäuschung über diese Sicherheitsmaßnahme entschieden die Probstheidaer vor zwei Jahren, ganz ohne blau-gelbe Beschallung im Alfred-Kunze-Sportpark auszukommen und stattdessen im Bruno-Plache-Stadion ein Public Viewing zu veranstalten.
Zwei Jahre später werden also erneut nicht die üblichen zehn Prozent der Gesamtkapazität an das Auswärtsteam gehen. 680 Tickets hätte Chemie bei der möglichen Auslastung von 6800 Plätzen bekommen können – 450 Stück sind es nun geworden. Mit dem Spiel von 2019 und der 0:2-Niederlage der Blau-Gelben habe diese Maßnahme nichts zu tun, betont Lok-Geschäftsführer Martin Mieth. Die Stückzahl sei sogar ein Entgegenkommen der Probstheidaer. Mieths Kollege Alexander Voigt erklärt zudem, Lok sei mit dem Kompromiss von einem Präsidiumsbeschluss aus dem Jahr 2017 abgerückt.
„Was außerhalb los sein wird, kann ich nur bedingt einschätzen“
„Nach dem letzten Derby im Plache-Stadion haben wir wegen der unschönen Szenen entschieden, im Sinne der Sicherheit auf Gästefans zu verzichten. Es sind seitdem nun fast vier Jahre vergangen, wir haben uns mehrere Male mit dem Fanprojekt Leipzig und mit Chemie zusammengesetzt. Wir haben uns aufeinander zu bewegt und sind im gemeinsamen Dialog von der Null-Karten-Politik abgewichen“, berichtet Voigt von den Verhandlungen zwischen beiden Clubs.

1200 Karten seien bei besagtem letzten Aufeinandertreffen beider Teams in Probstheida im November 2017 (0:0) der BSG bereitgestellt worden – Unmut über die nun deutlich geringere Zahl habe Alexander Voigt bei den Chemie-Verantwortlichen nicht bemerkt. „Wir haben unsere Hintergründe erklärt – und die haben sie verstanden“, berichtet er. Für ihn steht fest: „Ein Derby in Leipzig verdient Zuschauer. Im Sinne des Sports wollen wir ein faires Duell – auch von den Fans.“
Dass diese auch schon mal außerhalb der Stadien erste Duelle bestreiten, ist mittlerweile bekannt. Zuständig sei Loks Geschäftsführung jedoch nicht. „Was außerhalb los sein wird, kann ich nur bedingt einschätzen“, meint Voigt. „Uns geht es darum, ein Derby zu organisieren, das emotional und spannend ist und dass wir bestenfalls nach 90 Minuten gewinnen. Was draußen passiert, ist nicht unsere Aufgabe.“ Ob das Spiel überhaupt ausverkauft sein wird? Bis Dienstag waren noch 2800 Tickets zu haben. Der Vorverkauf im Lok-Fanshop sowie online endet am Samstag. Jens Fuge und Anton Kämpf