Die Lage beim Verein Hannover 96 spitzt sich zu. Offene Handwerkerrechnungen für das Vereinssportzentrum an der Stammestraße und weitere Fälligkeiten summieren sich auf einen mittleren sechsstelligen Betrag. Geld, das 96 e.V. aktuell nicht zur Verfügung hat. Findet Präsident Sebastian Kramer keine kurzfristige Lösung, droht dem größten Verein Niedersachsens die Zahlungsunfähigkeit. Und die Zeit drängt.
Rettungspaket: Kind und Co. wollen helfen
Kramer will zu einzelnen Punkten offiziell keine Stellung beziehen. Derzeit laufen Gespräche mit der Fußballprofiabteilung, die vom Breitensportverein abgespalten ist. Es geht um Millionenhilfen für den Breitensport auf der einen und das alleinige Sagen im Profigeschäft auf der anderen Seite. Und tatsächlich zeichnet sich eine baldige Einigung ab.
Die Investorengruppe um Ex-Präsident Martin Kind wirkt bereit, mit einem Millionenpaket die Finanzierung für den Breitensportverein für die nächsten Jahre sicherzustellen. Mehr noch. Martin Kind könnte – so ist zu hören – unter gewissen Bedingungen seinen fortwährenden Kampf um die 50+1-Ausnahmeregelung aufgeben und bei der Deutschen Fußball Liga nicht für den Fall der strittigen Investorenklausel stimmen. Ein Sinneswandel auf den ersten Blick.
Investoren-Idee wirft seine Schatten voraus
Allerdings: Kind wird das ohne Gegenleistung sicher nicht unterschreiben. Fakt ist: Die Geldgeber wollen über das Profigeschäft bestimmen und den Breitensportverein, der den Geschäftsführer der Profis ernennen kann, außen vor lassen. Knackpunkt: Diese enge Verbindung zwischen Verein und Profis gilt als Bedingungen für die Bundesliga-Lizenz. Wie soll also eine solche Hannover-Lösung möglich sein, ohne dass die DFL einen Umgehungstatbestand vermuten wird?
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Wird Kramer zum Insolvenz-Präsident?
Und auch Sebastian Kramer muss sich fragen: Wird er als Präsident, der vor allem von Kind-Gegnern gewählt wurde, derjenige sein, der 96 in die Insolvenz führt? Oder wird Sebastian Kramer der Präsident sein, der zwar vordergründig die emotional wichtige 50+1-Klausel erhält, dem Verein am Ende aber weniger Macht im Profibereich verschaffen wird? Eine Zwickmühle.
Lange Zeit zum Überlegen hat er nicht mehr. Der renommierte Rechtsanwalt Professor Rainer Cherkeh klärt auf: „Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat nach dem Gesetz die Auflösung des Vereins zur Folge.“ Durch dieses Verfahren ginge das Verwertungs- und Verfügungsrecht auf den Insolvenzverwalter über.
„Dieser würde sich dann auch mit der Frage der Verwaltung und Verwertung der Gesellschaftsanteile des Vereins an der Komplementärgesellschaft Hannover 96 Management GmbH zu befassen haben.“ (Anm. der Red.: Die Management GmbH, die zu 100 Prozent dem e. V. gehört, bestimmt den Geschäftsführer der Profis.)


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Die Frage nach korrekter Ausführung
Auch werde geprüft, ob der Vorstand das Recht und die Pflicht zur eigenverantwortlichen Führung der Vereinsgeschäfte übernommen habe. Im Klartext: Hat der Vorstand seine Aufgaben vollumfänglich erfüllt? Die aktuelle Führung, die seit vier Monaten im Amt ist, haftet ebenso.
Ungeachtet der finanziellen Folgen hätte eine Insolvenz einen enormen Imageschaden zur Folge, verbunden mit einem Aderlass an Spitzensportlern und Übungsleitern.
Breitensportzentrum könnte zum Verhängnis werden
Hauptgrund für die Schieflage ist das Anfang des Jahres eröffnete Breitensportzentrum. Die Baukosten betragen 11 Millionen Euro, eine Million mehr als geplant. Im Umkehrschluss kamen deutlich weniger Neumitglieder. 1200 Sportler sollten es durchschnittlich werden. Stand 1. Juni: 380. Dem neuen Vorstand ist es bisher nicht gelungen, nennenswert Mitglieder zu gewinnen. Im Gegenteil. Kramer und Ralf Nestler waren als Aufsichtsräte über die Entwicklungen informiert, schon vor Baubeginn warnte die Interessensgemeinschaft Pro Verein, der beide angehören, vor einer Millionengefahr.
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