Ottmar Griffel würde Abdelhamid Sabiri gern zum überraschenden Einzug ins WM-Viertelfinale mit Marokko gratulieren, doch das ist schwierig, er erreicht ihn nicht. "Wahrscheinlich ist die Handynummer nicht mehr aktuell", sagt Griffel im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), dem auch der SPORTBUZZER angehört. Ein Wunder wäre das nicht. Sabiri ist ziemlich herumgekommen, seitdem er in der Saison 2015/2016 mit den Sportfreunden Siegen unter Trainer Griffel den Aufstieg von der Oberliga in die Regionalliga geschafft hatte. Er war beim 1. FC Nürnberg angestellt, bei Huddersfield Town in der Premier League, beim SC Paderborn in der Bundesliga und bei Ascoli Calcio. Seit Anfang des Jahres spielt Sabiri bei Sampdoria Genua in der Serie A.
Die Karriere des 26 Jahre alten Offensivvielseiters, der an diesem Samstag (16 Uhr, ZDF und Magenta TV) mit Marokko gegen Portugal um den Einzug ins WM-Halbfinale spielt, verlief recht kurvenreich. Bei jedem seiner Vereine wurden ihm herausragende Fähigkeiten bescheinigt, dauerhaft durchsetzen konnte er sich aber nirgends. Das lag auch an seinem Betragen neben dem Platz. In Nürnberg soll er seinen Weggang nach Huddersfield per Streik erzwungen haben, nach seinem Aufenthalt in Paderborn sagte der damalige Trainer Steffen Baumgart: "Im Nachhinein war es ein Fehler, dass wir ihn geholt haben." Ottmar Griffel, Sabiris erster Coach im Herrenfußball, hat ihn anders erlebt: "Wir hatten einen vernünftigen und respektvollen Umgang miteinander. Bei uns konnte er sich entwickeln und auch Fehler machen. Das hat er dankbar und mit Demut angenommen."
Ex-Trainer Griffel: Sabiri "immer für Überraschungsmomente gut"
Sabiri wurde in Marokko geboren und kam im Alter von drei Jahren nach Deutschland. Er wuchs in einem schwierigen Viertel in Frankfurt/Main auf. Über Stationen in der Jugend von TuS Koblenz und Darmstadt 98 landete er als 18-Jähriger bei den Sportfreunden Siegen, einem ehemaligen Zweitligisten, der zu jener Zeit einen "finanziellen Engpass" zu beklagen hatte – so formuliert es Ottmar Griffel: "Wir haben jüngeren Spielern eine Möglichkeit geboten, die hoch motiviert waren und sich entwickeln wollten." Einer dieser Spieler war Sabiri. Er war Siegens bester Torschütze in der Saison 2015/2016, steuerte 17 Treffer in 30 Spielen zum Regionalligaaufstieg bei und verdiente sich den Wechsel zum damaligen Zweitligisten Nürnberg. "Er hatte die perfekte Technik, Spielverständnis, Durchsetzungsvermögen, er war immer für Überraschungsmomente gut", sagt Griffel.
Einen dieser Überraschungsmomente zeigte Sabiri auch bei der WM. Im Vorrundenspiel gegen Belgien leitete er den 2:0-Erfolg mit einem Freistoß aus spitzem Winkel ein, mit dem er den belgischen Weltklassetorwart Thibaut Courtois überrumpelte. Der Treffer wurde Kapitän Romain Saïss gutgeschrieben, der den Ball hauchdünn abgefälscht hatte, doch er war das Werk von Sabiris Cleverness. Im Achtelfinale gegen Spanien im Elfmeterschießen verwandelte Sabiri den ersten Versuch für Marokko.
Dabei wäre Sabiri auch für Deutschland spielberechtigt gewesen. Er besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft und lief fünfmal für die deutsche U21 auf. Erst im September dieses Jahres debütierte er für Marokko. Vor dem WM-Viertelfinale gegen Portugal sagt er: "Wir sind nicht hier, um nur ein paar schöne Spiele zu machen. Wir wollen das Maximum erreichen." Vielleicht hat sein Ex-Trainer Ottmar Griffel noch weitere Gelegenheiten, Sabiri zu gratulieren.
Anzeige: Erlebe die gesamte Bundesliga mit WOW und DAZN zum Vorteilspreis