Wenn sich Uli Hoeneß öffentlich zu Wort meldet, ist Nachrichtenpotenzial garantiert. Nicht umsonst trägt der Ehrenpräsident des FC Bayern München den Spitznamen "Abteilung Attacke". In dieser Woche hat der 71-Jährige gleich mehrmals aufhorchen lassen – in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung und beim Talkformat "Anstoß" der Neuen Presse in Hannover, die beide wie der SPORTBUZZER zum RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) gehören. Hoeneß setzte die aktuellen Oberen der Bayern in der Causa Manuel Neuer unter Druck, schoss gegen Investorenklubs und stichelte gegen Borussia Dortmund und den DFB. Doch was steckt hinter den drei meistdiskutierten Aussagen des streitbaren langjährigen Bayern-Bosses?
Zitat I – "Die Verantwortlichen des FC Bayern werden sich in Kürze zu der Angelegenheit (Neuer) öffentlich äußern, rund ums Paris-Rückspiel könnte dafür der richtige Zeitpunkt sein."
Der aktuell nach einem Ski-Unfall verletzte Bayern-Torwart und -Kapitän Manuel Neuer hatte mit seinen kontroversen Interviews, in denen er unter anderem mit emotionalen Worten ("Herz rausgerissen") die Entlassung seines Torwarttrainers und Vertrauten Toni Tapalovic angeprangert hatte, für jede Menge Wirbel gesorgt. Für Hoeneß war der öffentliche Umgang der neuen Bayern-Bosse mit dem Thema offenbar nicht ausreichend, obwohl diese – Vorstandschef Oliver Kahn, Sportvorstand Hasan Salihamidzic, Präsident Herbert Hainer – das Vorgehen des Torhüters kritisiert hatten. Über mögliche Konsequenzen für Neuer, der sich mittlerweile laut Hoeneß mit Trainer Julian Nagelsmann "ausgetauscht" hat, ist beispielsweise bisher nichts bekannt.
Gibt es eine Strafe für Neuer? Bleibt er Kapitän? Bisher alles Spekulation. "Die Medien haben in den ersten Tagen den Taktstock und die Deutungshoheit übernommen, das darf und wird so nicht bleiben", polterte Hoeneß gegenüber der LVZ in typischer Hoeneß-Manier. Seine Nachfolger haben nun den Druck, rund um das Rückspiel gegen Paris Saint-Germain (Hinspiel 1:0 für die Bayern) in der Allianz-Arena am 8. März irgendetwas Konkretes zur Causa Neuer liefern zu müssen. Hoeneß hat schon mal den Boden zur Versöhnung geebnet, sieht trotz der Probleme "keine unüberwindbaren Differenzen" und geht zudem davon aus, dass Neuer nach seiner Verletzung "die Handschuhe wieder anziehen" wird. Ob das in Diensten des FC Bayern passiert, ließ Hoeneß bezeichnenderweise offen.
Zitat II – "Man spricht davon, dass Katar Manchester United kaufen und Saudi-Arabien den FC Liverpool kaufen will, dann wird es lustig für uns."
Ihn persönlich reize es zwar, gegen sogenannte Scheich-Klubs wie PSG zu gewinnen, so Hoeneß beim Talk in Hannover. "Es wird nur schwierig, international die Balance zu halten." Denn klar sei: Je mehr Geld von externen Geldgebern in die Klubs gepumpt werde, bei denen das möglich sei – siehe PSG, Manchester City und demnächst nach dem ersten offiziellen Kauf-Angebot auch Manchester United – desto weiter gehe die Leistungsschere auseinander. Es werde deswegen "die Aufgabe der nächsten Jahre sein, Mittel und Wege zu finden, um die immer größer werdende Geldflut aus dem Nahen Osten einigermaßen im Griff zu behalten". Schon jetzt habe der europäische Verband Uefa Probleme, die Einhaltung der Regeln des sogenannten Financial Fair Play, das offiziell das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben eines Klubs regelt, zu überprüfen. Es drohe ein Spiel ohne Grenzen. Hoeneß, dessen Bayern sich mithilfe einer nicht unbeträchtlichen Summe aus Katar sponsern lassen, plädiert auch deswegen für den Fall der 50+1-Regel in Deutschland, die bisher verhindert, dass Investoren vollständig die Macht in einem Klub übernehmen. "Das hat nichts mit Bayern München zu tun. Es geht darum, den anderen Vereinen die Möglichkeit zu geben, wettbewerbsfähig zum FC Bayern zu sein", sagte Hoeneß.
Auch im internationalen Vergleich könnte ein Ende von 50+1 die Bundesliga wettbewerbsfähiger machen, glauben diejenigen, die sich für das Ende der Regel aussprechen. Insgesamt präsentiert sich die Bundesliga in der Fünfjahreswertung der Uefa recht stabil, steht aktuell auf Rang drei (79,731 Punkte), hat vor dieser Saison Italien überholt. Spitzenreiter ist England (103,284), wo laut Hoeneß "jeder Erst- oder Zweitliga-Verein mit einem großen Unternehmen, einem Land, einem Oligarchen oder was auch immer verbunden" sei, weswegen "die international auch so weit vor uns sind", vor Spanien (82,284). Das Bundeskartellamt hat die 50+1-Regel vor knapp zwei Jahren grundsätzlich "aufgrund der damit verfolgten sportpolitischen Ziele" als unbedenklich eingestuft. Es bemängelt allerdings die Ausnahmen, die bei Klubs wie dem VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen und der TSG Hoffenheim angewendet werden. Zuletzt soll die DFL gemeinsam mit diesen drei Werksklubs Vorschläge zur Lösung des Konflikts beim Kartellamt vorgelegt haben. "Ich wäre mal ganz zuversichtlich, dass es gelingen kann, im ersten Quartal mit dem Kartellamt eine Lösung zu finden. Wir sind da wirklich in weit fortgeschrittenen Gesprächen", sagte DFL-Interimsgeschäftsführer Oliver Leki.
Zitat III – "Wie immer im Leben ist Dortmund anschließend wieder Zweiter."
Hoeneß meint mit dieser Spitze in Richtung des BVB einerseits das Sportliche. Denn immerhin dominiert der FC Bayern die Bundesliga seit mehr als einem Jahrzehnt. Gleichzeitig kündigt er damit für die Zukunft einen größeren Einfluss des FC Bayern in den übergreifenden Gremien des Fußballs an. Ex-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge war in dieser Hinsicht sehr engagiert, stand beispielsweise der europäischen Klubvereinigung ECA jahrelang vor, war Vorstandsmitglied der DFL. Nun hat beim FC Bayern das Führungspersonal – von Hoeneß und Rummenigge zu Kahn, Salihamidzic und Hainer – gewechselt. "Und deswegen hat Watzke (Borussia Dortmunds Geschäftsführer und DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim; d. Red.) jetzt einen kleinen Vorsprung", wie Hoeneß zugibt.
Für den Herzensbayern ist das kein Zustand, er sagt klipp und klar: "Der Einfluss des FC Bayern auf den deutschen Fußball im Bereich DFL und DFB ist mir zu wenig. Es kann nicht sein, dass der wichtigste deutsche Verein da so wenig vertreten ist. Das hat nicht nur etwas mit Watzke selbst zu tun. Sondern das hat auch damit zu tun, dass unsere Leute ein bisschen zu zurückhaltend sind." Und damit haben Kahn, Salihamidzic und Hainer die nächste kaum verhohlene Hoeneß-Forderung auf dem Tisch: Sie sollen nämlich genau diese Zurückhaltung aufgeben. Der frühere Patron selbst schließt ein Amt als DFB-Präsident übrigens aus – und verbindet auch diese Ansage mit einer Spitze: "Sie müssen wissen, der DFB ist ein Amateurverband – und mein ganzes Leben war ich nie Amateur."
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