Leipzig. Er hat ungezählte prominente RB-Weichteile massiert, gezerrte Fasern der Stars entzerrt, lose Enden - auch entzweite journalistische Achillessehnen (!) - zueinander geführt. Er war bei Hunderten Spielen der Roten Bullen mittendrin statt nur dabei, hat drei Aufstiege und die Champions League erlebt. Er war mit Herzblut bei der Sache, flog beim 0:2 gegen Lyon Rot-dekoriert vom Platz und wurde für ein Spiel gesperrt. Das hat vor ihm noch kein Physiotherapeut geschafft.
Kummerkasten, Trostspender, Ratgeber
Wenn man den mit RB weit gereisten und gekommenen Wurzener Alexander Sekora, 48, fragt, was sein emotionales Highlight war, muss er nicht lange überlegen. Nein, weder der Bundesliga-Aufstieg 2016 noch das erste Champions-League-Spiel, sondern: der KRIMI unterm Lotter Autobahnkreuz! Die Sportfreunde Lotte zwangen RB am 2. Juni 2013 im Relegations-Rückspiel um den Aufstieg in die Verlängerung, dort machten die Roten Bullen aber alles klar, spielten 2:2, waren Drittligist. Sekora: „Der Spielverlauf, die Dramatik, die Hitze und dann das Eigentor von Tobias Willers. Das war der wichtigste und schwerste Aufstieg.“ RB litt mit den tapferen Lotteranern, kaufte den Sportfreunden die alten Alu-Tore ab. Die stehen aktuell in der RB-Asservatenkammer, sollen Bestandteil eines RB-Museums werden. Als Tore zur großen weiten Fußball-Welt.

Alexander Sekora ist nach acht ereignisreichen und überaus erfolgreichen Jahren vor wenigen Wochen bei RB ausgestiegen, der eigenen Praxis und der Familie wegen. „Ich habe viel erlebt, viele Freunde gewonnen, das bleibt für immer.“ Dazu muss man wissen, dass der Kontakt zwischen dem Physiotherapeuten und den Fußball-Stars ein ausgesprochen enger ist. Sekora war der Mann mit den heilenden Händen, Kummerkasten, Trostspender, Ratgeber und auch Freund der Spieler. Was zwischen Star und Therapeut gesprochen wird, bleibt auch dort. In Sekoras Behandlungsraum in der Käthe-Kollwitz-Straße hängen unterschriebene Trikots von Joshua Kimmich, Diego Demme, Dominik Kaiser und Fabio Coltorti. „Alles Supertypen. Und alle waren superwichtig für die Entwicklung des Vereins. Ich könnte noch viele andre Jungs nennen. Wir haben uns nie aus den Augen verloren, telefonieren oder schreiben uns.“
Extra-Behandlung im Trainingslager
Sekora ist Sohn der Lok-Legende Gunter Sekora (feiert am 3. Oktober seinen 70. Geburtstag), steht beim legendären 1987er Lok-Triumph gegen Bordeaux hinter dem Tor, in das René Müller seinen Vollspann-Elfmeter drischt. „Ich war 15 und Balljunge, den Abend werde ich nie vergessen.“ Die eigene Karriere endet in der Bezirksliga, weil der talentierte Schlaks gerne um die Häuser zieht und der Karriere nicht alles unterordnen will.


Dass der Physiotherapeut Sekora eine besondere Gabe hat, stellt der Autor am eigenen Leib fest. Zum RB-Trainingslager am österreichischen Walchsee schlägt Schäfers Guido im Sommer 2013 mit einem frischen Achillessehnen-Riss auf und fragt bei Cheftrainer Alexander Zorniger nach, ob Alexander Sekora spätabends nach getaner Arbeit Hand an den Maladen legen könne. Zorniger sagt ja und so begibt es sich, dass Sekora allabendlich ab 23 Uhr seine stählernen Finger im Wortsinn in die Wunde legt. Sechs brutal schmerzhafte Dates später, ist - unglaublich und via MRT-Aufnahme dokumentiert - zusammengewachsen, was zusammen gehört. Operation gespart, vielen Dank auch!
Und wer gewinnt eigentlich am Sonntag die Champions League, Herr Sekora? „Die Bayern. Und das sage ich nicht, weil ich Bayern-Fan bin.“ Na dann.
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