Christof Babatz, die Vorzeichen zum Spiel 96 gegen den HSV sind eindeutig, zumindest beim Blick auf die Tabelle?
Ja, absolut eindeutig – nicht nur beim Blick auf die Tabelle. Es geht auch um die Ruhe im Verein. Der HSV hat den Umbruch geschafft, weil er nicht gespart hat. Geld schießt zwar nicht immer Tore, aber wenn du ein bisschen investierst, ist die Chance sehr, sehr hoch, dass du da oben mitspielst.
Beim Sportdirektor hat 96 auch gespart – Jan Schlaudraff ist inzwischen aber entlassen worden. Trainer Mirko Slomka musste noch früher gehen ...
Ich fand die Konstellation Schlaudraff/Slomka gut. Ich glaube nach wie vor, dass Mirko ein Toptrainer ist. Das hat er schon unzählige Male bewiesen. Ich find’s schade, dass das nicht geklappt hat. Hannover 96 ist ein guter Klub in einer Super-Stadt mit einem Super-Stadion – alles drum herum passt eigentlich. Aber zurzeit ist man wieder in den negativen Schlagzeilen.
Das sind die restlichen Spiele von Hannover 96 in der Saison 2019/20 in der 2. Bundesliga nach der Corona-Zwangspause:
Beim HSV hat Trainer Dieter Hecking dagegen alles im Griff.
Absolut, hundertprozentig. Auch wenn da ein bisschen Gegenwind kam, weil die Rückrundenvorbereitung vielleicht nicht so gut war und das Testspiel beim VfB Lübeck verloren wurde. Trotzdem sagt er: „Bleibt ruhig, vertraut mir, ich habe da so ein bisschen Erfahrung, wie das geht.“ Und ich glaube, das ist ganz gut so. Zumal im Hintergrund Sportvorstand Jonas Boldt die nötige Ruhe ausstrahlt.
Der HSV ist also ein sicherer Aufstiegskandidat. Kann Hannover am Samstag trotzdem gewinnen?
Ich glaube nicht. Ich glaube, dass der HSV als Team so gewachsen ist, dass das eine eindeutige Sache wird. Der HSV darf sich keine Ausrutscher leisten und wird mit der nötigen Konzentration und dem nötigen Elan darangehen, um zu punkten.
Für welchen HSV schlägt Ihr Herz?
Mir liegen beide am Herzen. Aber Hannover ist meine Heimat, wo ich aus der Jugend kam. Da schaue ich des Öfteren vorbei und dann auch genauer hin.
Ist 96 ein Abstiegskandidat?
Das hoffe ich nicht. Trotz des Sieges in Fürth ist ja noch Tuchfühlung nach unten vorhanden.



Sie sind bei Mainz 05 Leiter der Fußballschule und neuerdings auch Co-Trainer der U19-Mannschaft. Das ist Ihr Metier – Sie sind damals ja selbst über den TSV Schulenburg und Germania Grasdorf als 16-Jähriger zu 96 gekommen.
Der damalige 96-B-Jugendtrainer Eddy Bandura hat mich aus Grasdorf geholt. Am Ende der B-Jugend habe ich dann schon meinen ersten Profivertrag in Hannover unterschrieben. Krass.
Sie haben Ihre Grundausbildung hauptsächlich in Grasdorf absolviert, heute werden die Spieler ja schon viel früher aus ihren Heimatvereinen weggeholt. Was halten Sie von dieser Entwicklung?
Wenn man 12, 13 oder 14 Jahre alt und 300 Kilometer von zu Hause weg ist, ist das schon heftig. Aber heute ist es ja so, dass ein Profiverein gar nicht die Lizenz bekommt, wenn er kein Nachwuchsleistungszentrum hat. Es wird den Kindern viel abverlangt.
Diese Spieler spielten für Hannover 96 und den Hamburger SV
Sind die Eltern eher die Karriereplaner?
Es gibt schon viele Eltern, die ihr Kind als kommenden Bundesligaspieler oder Nationalspieler sehen – und die ihr Kind gern pushen möchten. Was ein Stück weit auch okay ist. Aber ich glaube, dreimal Training in der Woche ist für einen Zwölfjährigen ausreichend. Das Wichtigste ist, dass die Kinder Spaß haben.
Der Leiter der DFB-Akademie, Tobias Haupt, hat im Nachwuchsbereich eine gewisse Reizüberflutung ausgemacht. Zitat: „Es fällt auf, dass vielen Jungs der ursprüngliche Spaß am Spiel fehlt, sie zeigen im Training und im Spiel kaum noch Emotionen.“ Sind Sie da bei ihm?
Das ist im Bereich des Möglichen. Es wird den Heranwachsenden ja auch alles abgenommen, die Wäsche wird gewaschen, die Schuhe werden hingestellt. Wenn sie mehr Eigenverantwortung übernehmen müssten, wäre das besser für die individuelle Entwicklung der Spieler.
Rausch, Maina und Co.: Das sind die jüngsten Bundesliga-Debütanten von Hannover 96:
Was raten Sie den großen Talenten, wenn sie noch klein sind – möglichst schnell von Germania Grasdorf zu 96 wechseln?
Ich rate jedem, so lange, wie es geht, im Heimatverein zu spielen. Weil dir ja deine Kindheit genommen wird, wenn du so früh wechselst: Du hast keine Zeit mehr für Dinge außerhalb des Fußballs, keine Zeit mehr, dich mit deinen Freunden zu verabreden.
Dafür hätte das zwölfjährige Talent bei 96 möglicherweise eine viel bessere Ausbildung und damit bessere Chancen, Profi zu werden – richtig?
Klar, die Ausbildung ist natürlich super in den Nachwuchsleistungszentren. Aber du musst damit rechnen, dass diese Jungs vielleicht mit 16 Jahren keine Lust mehr auf Fußball haben, weil sie permanent unter Strom stehen, permanent Fußball, Fußball, Fußball. Gerade in so jungen Jahren ist es wichtig, auch mal andere Dinge zu machen. Mit seinen Kumpeln Fahrrad zu fahren oder im Sommer ins Freibad zu gehen.
Das konnten Sie ja damals machen, weil Sie erst mit 16 zu 96 gegangen sind.
Genau, ich bin froh, wie es gelaufen ist.
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