"Warum spielt ihr immer so spät?" Diese Frage müsse Bundestrainer Hansi Flick den Mitschülerinnen und Mitschülern seiner Enkel häufiger beantworten, sagte er jüngst. Die ehrliche Antwort: Es ist kompliziert. Die Nationalmannschaft trägt ihre Begegnungen meist zur besten Sendezeit aus, so wie die Testspiele zum Jahresauftakt gegen Peru und Belgien. Als übliche Anstoßzeit gilt 20.45 Uhr. Die Führung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) um den neuen Sportdirektor Rudi Völler arbeitet derzeit daran, kinderfreundlichere Zeiten zu ermöglichen.
Auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf habe sich das Thema inzwischen "in sein Pflichtenheft" geschrieben. Einfach sei das aber keinesfalls, weil "viele Player involviert" sind, betonte er. Und: weil es um Einnahmen in Millionenhöhe geht.
Die Medienverträge für die Länderspiele der deutschen Mannschaft verkauft CAA Eleven, die Vermarktungsagentur des europäischen Fußballverbands UEFA. Der aktuelle Kontrakt läuft seit vergangenem Jahr bis 2028 und beinhaltet insgesamt 60 Partien des DFB-Teams abseits der Welt- und Europameisterschaften: Testspiele, Nations League sowie Qualifikationsturniere für WM und EM.
RTL hat Rechte-Vereinbarung bereits bestätigt
Der Privatsender RTL hat seine Vereinbarung über die Hälfte der Spiele schon offiziell bestätigt, zeigt am Dienstag den Test gegen Belgien. Die für ARD und ZDF zuständige Agentur Sport A hingegen hält sich mit einer Bekanntgabe über die Rechte für die weiteren 30 Spiele zurück.
Das ZDF übertrug am Samstag das Duell mit Peru und in jüngster Vergangenheit weitere Partien. Im Ersten liefen zuletzt – abseits der WM – länger keine Länderspiele mehr. Das habe Berichten zufolge damit zu tun, dass es unter den Chefs der Länderrundfunkanstalten wie WDR, NDR und Co. große Vorbehalte gegenüber der sportlichen Werthaltigkeit und dem Interesse an der durchaus umstrittenen Nations League gebe. Der SPORTBUZZER, das Sportportal des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), weiß: Die Verträge zwischen CAA Eleven und den öffentlich-rechtlichen Sendern sind noch nicht unterschrieben, momentan gibt es Einzelvereinbarungen mit dem ZDF.
Um zu verstehen, wieso frühere Anstoßzeiten ein Problem darstellen würden, braucht es einen Blick in vertragliche Details: Grundsätzlich ist geregelt, dass alle Spiele in der Prime Time laufen müssen, konkret zwischen 20 und 21.30 Uhr. Sollte dies nicht der Fall sein, haben die Sender Minderungsansprüche. Die Rechte wären schlicht weniger wert, der UEFA-Vermarkter bekäme eine geringere Rechtesumme – folglich fließen weniger Einnahmen weiter zum DFB, pro Partie könnte sich die Summe nach SPORTBUZZER-Informationen um ein bis zwei Millionen Euro verringern.
Jüngeres Publikum oder stabile Einschaltquoten?
Eine frühere Anstoßzeit ist attraktiv für jüngere Stadionbesucherinnen und -besucher, geht aber auch mit geringeren Einschaltquoten einher. Während ARD und ZDF vor 20 Uhr zumindest noch einige Werbeplätze vermarkten dürften, was den Öffentlich-Rechtlichen danach nicht mehr gestattet ist, wäre es für RTL fatal, weil die Marktpreise für frühere Sendungen naturgemäß deutlich geringer sind.
Bis zur Heim-EM 2024, für die Deutschland als Gastgeber automatisch qualifiziert ist, gibt es nur noch Freundschaftsspiele von Flicks Elf. Eines davon steht für eine frühere Anstoßzeit hoch im Kurs: Im Juni soll die Ukraine der Gegner sein, die Erlöse würden an die Opfer des russischen Angriffskriegs gespendet. Bei diesem Benefizspiel wäre der Anpfiff um 18 Uhr ein starkes Zeichen nach außen. Überlegungen dazu gibt es schon, konkret ist indes noch nichts. Weniger TV-Einnahmen hätten in diesem konkreten Fall auch zur Folge, dass weniger Geld beim DFB und seinen Stiftungen ankommt, um es an die Ukraine zu spenden.
Der DFB hält sich auf SPORTBUZZER-Anfrage bedeckt und verweist auf die komplexen Gespräche mit der UEFA und den Sendern. RTL möchte sich zur Thematik nicht äußern. Vom ZDF heißt es: "Sollte es dazu Überlegungen und Vorschläge des DFB geben, setzen wir uns damit konstruktiv auseinander."
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