Als der Ball im Netz lag, verwandelte sich Xherdan Shaqiri in Cristiano Ronaldo. Er lief in Richtung Seitenlinie, sprang in die Luft, machte eine halbe Drehung um die eigene Achse und holte mit den Armen aus. Genau so macht es traditionell auch Ronaldo nach einem Torerfolg. Anstatt aber bei der Landung die Arme durchzustrecken und einen "Siuuuuu!"-Schrei auszustoßen, zeigte der Offensivspieler der Schweiz auf seinen Trikot-Rücken. Dorthin, wo sein Name stand: Shaqiri.
Mit seinem Treffer beim 3:2-Sieg im politisch aufgeladenen Gruppenfinale gegen Serbien zog der einstige Profi des FC Bayern in einer speziellen Statistik mit Ronaldo gleich. Der Schweizer und der Portugiese, die an diesem Dienstag mit ihren Ländern im WM-Achtelfinale aufeinandertreffen, sind die einzigen Profis, die seit 2014 bei allen WM- und EM-Endrunden getroffen haben. Das soll nicht heißen, dass Shaqiri die gleiche Lebensleistung vollbracht hat wie der fünfmalige Weltfußballer Ronaldo. Die besondere Serie zeigt aber seine Bedeutung und seine Langlebigkeit in der Auswahl der Schweiz.
Turnierspieler Xherdan Shaqiri
Der nicht einmal 1,70 Meter große Offensivspieler, der wegen seines kompakten Körperbaus als "Kraftwürfel" bekannt wurde, ist mit 31 Jahren immer noch der Profi für besondere Momente. Bei großen Turnieren bringt er verlässlich seine Leistungen. Bei der WM 2014 zum Beispiel schoss er beim 3:0 im finalen Gruppenspiel gegen Honduras alle Tore und brachte die Schweiz damit ins Achtelfinale. Bei der EM 2016 gelang ihm der wohl schönste Treffer des Turniers per Seitfallzieher im Achtelfinale gegen Polen. Sein Tor zuletzt gegen Serbien war eine beherzte Direktabnahme von der halbrechten Seite. Shaqiri kann es gefühlvoll, raffiniert und mit Gewalt. "Ich bin stolz, dass ich mich in großen Turnieren immer zeigen und der Mannschaft mit Toren und Assists helfen kann", sagt er.
Dass sein Erfolg mit der Nationalmannschaft überschaubar ist, liegt daran, dass die Schweiz international höchstens zur B-Prominenz zählt. Bei den Weltmeisterschaften 2014 und 2018 war im Achtelfinale Schluss, ebenso bei der EM 2016. Beim Europaturnier im vergangenen Jahr eliminierte die Mannschaft im Achtelfinale sensationell Weltmeister Frankreich nach Elfmeterschießen. Das Aus kam im Viertelfinale gegen Spanien, trotz eines Shaqiri-Treffers. In Katar strebt die Schweiz die erste Teilnahme an einem WM-Viertelfinale seit dem Heimturnier 1954 an. Die Hoffnungen darauf ruhen auch auf Shaqiri.
Trophäenliste von Shaqiri ist lang
In seiner Klubkarriere konnte er mehr Trophäen sammeln als mit der Nationalmannschaft. Er gewann nationale Meisterschaften und Pokale mit dem FC Basel, dem FC Bayern und dem FC Liverpool, außerdem je zweimal die Champions League und die Klub-WM (2013 mit Bayern, 2019 mit Liverpool). Die Schlüsselrolle, die er in der Auswahl seines Landes hat, konnte er bei diesen Top-Adressen des internationalen Fußballs aber nie einnehmen. Er war oft verletzt und kam an der hochwertigen Konkurrenz nicht vorbei. Beim FC Bayern hatte er Arjen Robben und Franck Ribéry vor sich, in Liverpool Mohamed Salah und Sadio Mané.
Seit Februar dieses Jahres steht Shaqiri bei Chicago Fire unter Vertag, in der nur mäßigen Major League Soccer. In 29 Einsätzen kam er auf sieben Tore und sechs Vorlagen. Er hat seine besten Zeiten im Verein hinter sich. In der Nationalmannschaft dagegen ist er immer noch ein "Unterschiedsspieler" – so formuliert es sein Kollege Breel Embolo. In dieser Funktion ist Shaqiri auch im WM-Achtelfinale gegen Portugal gefordert.
Anzeige: Erlebe die gesamte Bundesliga mit WOW und DAZN zum Vorteilspreis