31. Dezember 2022 / 11:19 Uhr

Auf der Sympathiewelle: Wie die DFB-Frauen 2023 ihre Beliebtheit weiter steigern wollen

Auf der Sympathiewelle: Wie die DFB-Frauen 2023 ihre Beliebtheit weiter steigern wollen

Frank Hellmann
RedaktionsNetzwerk Deutschland
Die deutsche Nationalmannschaft der Frauen hat bei der EM komplett überzeugt – und viele neue Fans gewonnen.
Die deutsche Nationalmannschaft der Frauen hat bei der EM komplett überzeugt – und viele neue Fans gewonnen. © IMAGO/Eibner
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Das Frauen-Nationalteam ist zum besten Botschafter des deutschen Fußballs geworden und hat im nächsten Jahr gleich eine weitere Chance, die Beliebtheit noch zu steigern – schließlich steht die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland an.

Von Besinnlichkeit in der Vorweihnachtszeit konnte bei Martina Voss-Tecklenburg keine Rede sein. Die Termine mit Interviews, Ehrungen und Verpflichtungen ballten sich am Jahresende derart, dass die Bundestrainerin ihren Teneriffa-Urlaub mit Ehemann Hermann Tecklenburg herbeisehnte: Irgendwann muss auch eine Powerfrau mal den Akku aufladen. Hinter der deutschen Frauen-Nationalmannschaft liegt ein besonders kraftvolles Jahr, die EM in England findet in fast allen Jahresrückblicken eine positive Erwähnung. Während die Männer die WM in Katar auf allen Ebenen in den Sand setzten und bei den Zustimmungswerten einen Tiefpunkt erreichten, muss der kriselnde Deutsche Fußball-Bund (DFB) für diese Sympathieträgerinnen dankbar sein, die ein Höchstmaß an Zuneigung erreicht hat.

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"Wir bekommen immer noch viele Reaktionen, obwohl wir nicht Europameisterinnen geworden sind", erzählt Voss-Tecklenburg, die zwei Tage vor Heiligabend ihren 55. Geburtstag feierte. "Und das Schönste ist, zu sehen, dass es nachhaltig ist, dass in den Stadien, bei den Vereinen, aber auch in den Köpfen der Menschen etwas passiert ist." Damit gerechnet hatte die Überzeugungstäterin nicht wirklich. "Wir haben uns auch an uns selbst begeistert." Ein Turnier mit einem verlorenen Finale in Wembley bewirkte mehr als acht EM- und zwei WM-Titel zuvor.

Endlich wurde im deutschen Frauenfußball jener nachhaltige Impuls angestoßen, der eigentlich vom Heim-Event vor elf Jahre hätte entstehen soll. "Die Frauen-WM 2011 wurde künstlich aufgeblasen", sagt die ARD-Expertin und Weltmeisterin Nia Künzer, "und danach ist wieder die ganze Luft aus dem Ballon gewichen." Jetzt scheint das Interesse nachhaltiger verankert, wobei das von Verband, Vereinen und Medien gemeinsam geschnürte Paket an Highlight-Spielen half: Zum Eröffnungsspiel bei Eintracht Frankfurt fiel mit 23.200 Fans der Zuschauerrekord in der Frauen-Bundesliga. Danach brachen der VfL Wolfsburg oder Werder Bremen die 20.000er-Schallmauer, aber auch der Alltag erfuhr deutlich mehr Zuspruch. Bereits nach sieben Spieltagen waren mehr Besucher gekommen als in der Vorsaison (108.483). Aktuell beläuft sich der Zuschauerschnitt auf 3058 - mehr als dreimal so viel wie vorher.

Alexandra Popp als erste Frau "Kicker-Persönlichkeit des Jahres"

Anfang Oktober lief das Freundschaftsspiel gegen Frankreich zur Primetime in der ARD. Die Stimmung im fast ausverkauften Rudolf-Harbig-Stadion in Dresden war prächtig. Weil der bodenständige Frauenfußball wie ein Kontrastprogramm zum abgehobenen System im Männerfußball wirkt, wo Gehälter und Ablösesummen verstören und Gehabe und Getue teilweise nerven. Protagonisten wie Alexandra Popp (2023 vom Magazin Kicker zur ersten weiblichen "Persönlichkeit des Jahres" ernannt), Lina Magull oder Laura Freigang sind in ein Vakuum an Glaubwürdigkeit gestoßen und erfüllen die Sehnsucht nach Vorbildern, weil sie mit ihrem authentischen Auftreten punkten und auf übertriebenen Feminismus verzichten. Vereint durch die ungebrochene Liebe und unverkrampfte Leidenschaft für den Fußball. Ihre Natürlichkeit, Ehrlichkeit und Offenheit ist so erfrischend, dass längst nicht mehr alle Interviewwünsche erfüllt werden können.

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Trainerin und Spielerinnen bringen Themen wie Diversität und Gleichberechtigung in die Köpfe der Menschen. Respekt, Toleranz oder Zusammenhalt werden von ihnen gelebt. Voss-Tecklenburg weiß, dass jeder Konflikt, jede Kontroverse im nicht reibungslosen Vorlauf zur EM bei diesem Entwicklungsprozess half. Und sie sagt immer wieder: "Wir müssen dranbleiben." Günstige Fügung, dass mit der WM 2023 in Australien und Neuseeland bereits das nächste Großereignis ansteht. Die Gruppengegner Marokko (24. Juli), Kolumbien (30. Juli) und Südkorea (3. August) sind für den zweimaligen Weltmeister Deutschland allemal machbar, der sein Basecamp 100 Kilometer nördlich von Sydney im australischen Küstenstädtchen Wyong aufschlagen wird.

Alle deutschen Auftritte finden in "Down Under" statt, doch laufen die Spiele wegen der Zeitverschiebung hierzulande wohl meist in den frühen Morgenstunden. Mit Rekordquoten könnte es schwierig werden. Gleichwohl: Die knapp 18 Millionen TV-Zuschauer, die am 31. Juli 2022 das EM-Finale gegen England (1:2 nach Verlängerung) sahen, sind von keinem einzigen Spiel bei der Männer-WM in Katar erreicht worden. "Es wird an uns liegen, über gute Leistungen wieder eine Welle der Begeisterung loszutreten", sagt Voss-Tecklenburg. In ihrer Heimatstadt Duisburg, "in der ich meine Wurzeln als Trainerin habe", bestreitet ihr Nationalteam gegen Schweden (21. Februar) den ersten Härtest für eine WM-Mission, die dann ruhig mit dem dritten Stern nach 2003 und 2007 enden darf.

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