19. Dezember 2022 / 18:34 Uhr

Aufbauarbeit statt Rückenwind: Wieso der FC Bayern einer der größten WM-Verlierer ist

Aufbauarbeit statt Rückenwind: Wieso der FC Bayern einer der größten WM-Verlierer ist

Redaktion Sportbuzzer
RedaktionsNetzwerk Deutschland
Bayern-Trainer Julian Nagelsmann (l.) muss beim Großteil seiner Spieler versuchen, die WM aus den Köpfe zu bekommen. 
Bayern-Trainer Julian Nagelsmann (l.) muss beim Großteil seiner Spieler versuchen, die WM aus den Köpfe zu bekommen.  © IMAGO/Eibner/Sven Simon/Uwe Kraft (Montage)
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Für den FC Bayern hätte die WM kaum schlimmer laufen können. Statt euphorischer Weltmeister kehren verletzte und niedergeschlagene Spieler nach München zurück. Trainer Julian Nagelsmann ist in der Winterpause nun vor allem auch als Psychologe gefragt. 

17 Spieler des FC Bayern standen vor Turnierstart in den Kaderlisten der WM-Teilnehmer für Katar - mit Rückenwind kehrt keiner von ihnen nach München zurück. Den letzten Nackenschlag gab es für die französische Delegation des Rekordmeisters, die am Sonntag im Finale dramatisch gegen den neuen Weltmeister Argentinien unterlag. "Nach einem verlorenen Endspiel geht es darum, wieder aufzustehen und weiterzumachen. Alle Spieler können insgesamt sehr stolz auf ihre Leistungen sein", versuchte sich Vorstandschef Oliver Kahn an mentaler Aufbauarbeit.

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Aufstehen und weitermachen - der an die Franzosen gerichtete Appell des Klub-Bosses kann auch für nahezu alle weiteren Münchner WM-Spieler gelten. Deutschland hatte sich mit dem Aus nach der Gruppenphase blamiert. Der Senegalese Sadio Mané hatte die WM in letzter Sekunde sogar gänzlich verpasst. Und das WM-Märchen des Marokkaners Noussair Mazraoui endete mit zwei Pleiten und viel Frust. Bayern-Trainer Julian Nagelsmann wird nach der Winterpause auch als Psychologe gefragt sein.

Los ging das Turnier aus Münchener Sicht gleich mit einer Hiobsbotschaft. Nach wenigen Minuten im ersten WM-Spiel Frankreichs riss sich Lucas Hernández das Kreuzband. Comeback in dieser Saison mehr als unwahrscheinlich. Sein möglicher Ersatz in der Bayern-Innenverteidigung, Benjamin Pavard, fiel bei Frankreich-Trainer Didier Deschamps in Ungnade, verlor seinen Stammplatz und kam im Turnierverlauf nicht mehr zum Zug. Zudem kokettiert der Rechtsverteidiger wider Willen mit einem Wechsel im Sommer - Frust-Faktor: riesig! Dayot Upamecano und Kingsley Coman durften im verlorenen WM-Finale immerhin ran, Letzterer hatte jedoch mit seinem verschossenen Elfmeter nicht unerheblichen Anteil an der Endspiel-Niederlage. Ein Gefühl, das der 26-Jährige auch erst einmal verarbeiten muss. Die rassistischen Beleidigungen im Internet wegen seines Fehlschusses helfen da wenig.

"Mir tut es für unsere französischen Spieler leid", sagte Münchens Sportvorstand Hasan Salihamidzic nach dem Finale. "Sie haben sehr starke Leistungen gezeigt." Klub-Präsident Herbert Hainer versuchte es mit Motivationsansagen: "Wir freuen uns auf die Rückkehr unserer Vizeweltmeister, sie haben ein starkes Turnier gespielt – und 2023 heißt es dann wieder mit neuem Elan 'Allez les Rouges!'" Ein Einstellung, die die betroffenen Spieler sicher frühestens mit ein paar Tagen Abstand teilen werden.

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DFB-Block des FC Bayern: vom Segen zum Fluch?

Ein paar Tage Abstand zur WM haben die deutschen Nationalspieler des FC Bayern bereits. Was jedoch nicht heißt, dass das Turnier schon gänzlich aus den Köpfen ist. Dafür dürfte der Stachel nach dem erneuten Vorrunden-Aus zu tief sitzen. Mit sieben Spielern stellten die Münchener den größten Block im DFB-Kader und zudem das Gerüst der Stammelf - und sind so auch die Gesichter des deutsche Misserfolgs. Joshua Kimmich sprach die damit einhergehende mentale Gefahr offen an, als er die Angst äußerte, "in ein Loch zu fallen".

Zu allem Überfluss brach sich Manuel Neuer im durch das WM-Aus unverhofft früh begonnenen Winterurlaub das Bein und fällt für den Rest der Saison aus. Die öffentlich ausgetragene Diskussion um eine mögliche vorzeitige Rückkehr von Alexander Nübel bringt eine ungewollte Unruhe in den Klub, bei dem vor der WM-Pause endlich wieder alles in ruhigem Fahrwasser schien.

Insgesamt zwölf Spieler bei zwei Titel-Kandidaten vor einer WM zu stellen ist so lange eine tolle Statistik, bis der Misserfolgsfall eintritt. Nun könnte es bedeuten, dass 70 Prozent der WM-Fahrer demotiviert in den Klub-Alltag zurückkehren. Und viel größer ist der WM-Schub bei den übrigen 30 Prozent auch nicht. Mané reiste verletzt gar nicht erst mit dem Senegal-Tross nach Katar und muss versuchen, rechtzeitig fit zu werden. Eric Maxim Choupo-Moting flog mit Kamerun nach der Vorrunde raus, traf immerhin einmal und feierte einen unbedeutenden Abschieds-Sieg gegen Brasilien. Noussair Mazraoui sorgte mit Marokko mit Platz vier zwar für die größte Überraschung des Turniers. Doch der Außenverteidiger plagte sich während der WM immer mal wieder mit Verletzungen rum und kehrt ebenfalls angeschlagen nach Deutschland zurück.

Im Januar geht es schon zurück nach Katar

Immerhin körperlich fit dürfte Matthijs de Ligt sein. Der Verteidiger spielte nämlich bei Bondscoach Louis van Gaal keine Rolle und schaute sich bis auf das erste Spiel die Auftritte der Niederlande von der Bank an. Einzig Josip Stanisic verabschiedete sich mit einem Lächeln aus Katar, als er die Medaille für den dritten Platz übergestreift bekam. Das sportlich nicht mehr ganz relevante Spiel gegen Marokko war allerdings auch sein einziger WM-Einsatz für Kroatien.

Es wird also die Hauptaufgabe von Trainer Nagelsmann in der Wintervorbereitung werden, Katar aus den Köpfen der Spieler zu bekommen und den Fokus wieder auf die anstehenden Aufgaben in der Bundesliga und der Champions League zu richten, bevor im Februar im Achtelfinale der Königsklasse PSG mit dem neuen Weltmeister Lionel Messi wartet. Es hat fast etwas Ironisches, dass es für das Trainingslager im Januar zurück nach Katar geht.

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