Dieser Artikel ist Teil der Amateurfußball-Initiative #GABFAF. Mehr Infos dazu auf gabfaf.de.
Zusammenhalt. Solidarität. Gemeinschaftlichkeit. In Zeiten der Corona-Krise entdeckt der Fußball Vokabeln für sich, die man sonst nicht zwangsläufig mit ihm assoziieren würde. Das ist löblich. Doch es darf nicht vergessen werden, dass diese Worte nicht für alle Menschen gelten. Für Homosexuelle ist der Deutschen liebste Nebensache oftmals noch immer keine Heimat – weder im Profifußball noch bei den Amateuren.
Benjamin Näßler hat sich zum Ziel gesetzt, das zu ändern. "Im Sport gibt es noch das klassische Rollenbild: Die Männer sind die Stärkeren, dürfen sich keine Schwächen leisten. Der Schwule wird oft als schwächer, nicht so leistungsfähig und feminin angesehen", sagt der 31-Jährige, der 2019 zu Mister Gay Germany gewählt wurde – und mit seiner dabei gegründeten Kampagne "Doppelpass" endlich mit diesem Klischee aufräumen will.



Drei Ziele hat der Krankenversicherungsspezialist: Es soll für Homophobie eine Sichtbarkeit innerhalb der Branche entstehen. Erste Erfolge bahnen sich an: neun der 21 Landesverbände wollen Beauftragte für den Kampf gegen Homophobie einrichten. Zweitens sollen Trainer und Verantwortliche sensibilisiert werden. Näßler will Workshops anbieten, Aufklärungsarbeit leisten – gerade, was die Sprache angeht. Drittens soll das Thema in die Fanszenen der Profiklubs getragen werden, auch mithilfe von Aktionsspieltagen. Zweitligist Darmstadt 98 hat Bereitschaft signalisiert, auch wenn die Kooperation mit dem Profiklub wegen der Corona-Krise vorerst auf Eis liegt.
Näßler: "Corona verhagelt uns den Zeitplan"
Auch beim DFB konnte Näßler seine Ideen bereits hinterlegen. Ob und wann es zu einer Zusammenarbeit kommt, ist wegen der Krise offen. "Es steckt noch in den Kinderschuhen. Das Coronavirus verhagelt uns den Zeitplan," so Näßler.
Fußball ist aus Sicht vieler Betroffener auch 2020 ein schwulenfeindlicher Sport. Nicht, weil er von homophoben Menschen durchzogen ist. Sondern, weil mit jahrzehntelang praktizierten diskriminierenden Verhaltens- und Sprachmustern eine gesellschaftliche Domäne geschaffen wurde, die Schwulen und Transsexuellen ein Mitwirken ohne Angst vor Ausgrenzung praktisch unmöglich macht. Diskriminierung durch Alltagssprache – für Näßler ist der Kampf dagegen "das Wichtigste in der Kampagne. Wichtig ist, dass jeder bei sich selbst anfängt und sich hinterfragt, ob er die richtige Sprache benutzt."
Das Amateurfußball-Bündnis #GABFAF wurde am 15. März 2019 ins Leben gerufen. Hier zehn besondere Momente aus dem ersten Jahr:
Näßler spielte fast zehn Jahre im Amateurfußball – dass er schwul ist, verriet er nie, obwohl Familie und Freunde längst eingeweiht waren; aus Furcht davor, nicht mehr akzeptiert zu werden. "Ich habe damals versucht, nicht aufzufallen, um keine Fragen beantworten zu müssen", sagt er. Wenn sich nach dem Spiel zugeprostet wurde, fielen Sprüche wie "Absetzen, sonst gibt es schwule Kinder!" – kein Einzelfall.
Näßler spielt für den FVV Frankfurt
Doppelpass soll nun dafür sorgen, dass es so etwas nicht mehr gibt. "Wenn man es schafft, auch nur einen Spieler beim Fußball zu halten, der sonst Angst hat vor Diskriminierungen und sich im zweiten Schritt sogar ein Coming-out zutraut, dann wäre viel gewonnen", sagt er, der seit einiger Zeit im schwul-lesbischen Klub FVV Frankfurt kickt.
Homosexualität im Fußball war und ist ein Randthema. Das Coming-out von Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger, inzwischen DFB-Beauftragter für Vielfalt, vor rund sieben Jahren, blieb weitgehend folgenlos. Näßler hat das nicht überrascht. "Es ändert nicht, dass es keine Ansprechpartner gibt." Dass Hitzlsperger sich erst nach seiner Karriere outete, zeige einen Teil des Problems. Näßler: "Er hat sinngemäß gesagt, dass man an seinem Beispiel sehen könne, dass auch Schwule stark und erfolgreich sein können; da habe ich mich gefragt: Warum hast du dich erst nach der Karriere geoutet?"