Leipzig. Die Gedanken um seine Zukunft kamen Ralf Rangnick während seines Weihnachtsurlaubs unter der Dusche. Wie geht’s mit mir weiter? Was will ich künftig tun? Schon im Januar suchte er im Gespräch mit Oliver Mintzlaff, dem Vorstandsvorsitzenden von RB Leipzig, nach Antworten auf diese Fragen. Beide Seiten waren sich schnell einig: Das ist kein guter Zeitpunkt für Verhandlungen. Meisterschaft und Champions League stehen gerade an erster Stelle.
Jetzt sind die Weichen für Rangnicks Zukunft gestellt. „Wir haben uns am Montag nach dem Pokalfinale zusammengesetzt“, berichtet Mintzlaff. Nach vier Stunden war klar: Der 60-Jährige soll als „Head of Sport und Development Soccer“ in einer übergreifenden Rolle im Fußball-Netzwerk von Red Bull die Standorte in Leipzig, Bragantino (Brasilien) und New York betreuen. Neuer Arbeitgeber wird der Getränkekonzern aus Fuschl am See. Der Vertrag läuft zunächst bis 2021.
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Rangnick sah kein Entwicklungspotential mehr
Rangnick sucht noch einmal die große Herausforderung. „Wenn ich Sportdirektor geblieben wäre, wären für mich nur noch Entwicklungsschritte im einstelligen Prozentbereich möglich gewesen“, sagt der bisherige Macher bei RB Leipzig. Ein anderer Job als Coach, vielleicht in England, hat ihn nicht interessiert. „Um erfolgreich zu sein, muss ich mehr als der Trainer einer Mannschaft sein“, so Rangnick. Er will unabhängig von Entscheidern über ihm sein. Kaderplanung, Mitarbeiter, Scouting – das möchte Rangnick gern selbst in der Hand behalten und nicht von einem Verein vorgesetzt bekommen.
Die Marschrichtung in seinem neuen Job ist klar definiert. Rangnick soll die Vereine in New York und in Bragantino sportlich voran bringen und am Ende neue Spieler für die RB-Vereine in Leipzig und Salzburg, aber auch den gesamten europäischen Markt hervorbringen. „Bisher haben wir in sieben Jahren mit Tyler Adams für Leipzig und Bernardo sowie Ramalho für Salzburg nur drei Spieler entwickelt. Das ist nicht gerade üppig“, findet Rangnick.



„Bragantino war ein Glücksfall“
Vor allem in Brasilien erhofft sich Red Bull großes Potential. Der Kauf des Zweitligisten CA Bragantino sei ein Glücksfall gewesen, so Rangnick. Am Zuckerhut tummeln sich viele Traditionsvereine, die für Investoren aus Europa die Tür fest geschlossen halten. Rangnick kann sich sofort in die Arbeit stürzen, die Meisterschaft in der zweiten brasilianischen Liga läuft bereits und sein neuer Club belegt Rang zwei. Ein Aufstieg schon in dieser Spielzeit ist nicht ausgeschlossen.
Rangnick wäre nicht Rangnick, wenn er mit dem Sprung in Liga eins schon zufrieden wäre. „Wir wollen die beste Ausbildungsmannschaft in Brasilien werden“, formuliert er. Wie demnächst in New York wird auch in Bragantino eine Nachwuchsakademie gebaut. „Wir wollen so viele Topspieler wie möglich entwickeln und ihnen eine Brücke nach Europa aufzeigen“, kündigt Rangnick an.
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Der 60-Jährige baut gerade sein neues Team auf und er wird wohl einige bekannte Gesichter von RB Leipzig mitnehmen. Lars Konetka gehört bereits dazu, der bisher in Rangnicks Trainerteam arbeitete. Der bestens vernetzte Paul Mitchell, Chefscout in Leipzig, könnte folgen. Mit ihm soll am Dienstagnachmittag gesprochen werden.
Rangnick wohnt weiter in Leipzig
Seinen Lebensmittelpunkt wird Rangnick in Leipzig behalten. „Dafür fühle ich mich viel zu wohl in der Stadt“, nennt er einen Grund, nicht umzuziehen. Sein Büro am Cottaweg mit Blick auf die Trainingsplätze muss er aber räumen und sucht gerade nach einem neuen Arbeitsort in Leipzig.
An Rangnicks Schreibtisch wird künftig Markus Krösche sitzen. Der Wechsel des 38-Jährigen vom SC Paderborn ist perfekt. Er bekommt einen Vertrag bis zum 30. Juni 2022 und reist mit vielen Vorschusslorbeeren an. „Markus Krösche ist ein absoluter Wunschkandidat von Ralf Rangnick“, so Mintzlaff. Der scheidende Sportdirektor war maßgeblich an der Suche seines Nachfolgers beteiligt. Nach 20 Minuten Gespräch sei ihm schon klar gewesen, dass Krösche der richtige Mann sei, so Rangnick.
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Kooperation mit SC Paderborn
Zunächst war der ehemalige Profi von Werder Bremen und Paderborn als Ersatz für Jochen Schneider als sportlicher Leiter eingeplant. Nach Rangnicks Neuorientierung rückt Krösche nun direkt auf. Zum Ablösepaket gehört eine künftige enge sportliche Zusammenarbeit mit dem SC Paderborn. Das geht mit dem Austausch von Know How los und könnte schließlich in der Leihe von Spielern münden. Einen Schneider-Nachfolger will RB in den kommenden Wochen präsentieren.
Perfekt ist auch die Verpflichtung von Moritz Volz als Co-Trainer des künftigen Coaches Julian Nagelsmann. Der einstige England-Profi erhält einen Dreijahresvertrag.



Rangnick bietet seinen Nachfolgern Rat und Tat an
Wieviel Rangnick bleibt künftig noch bei RB Leipzig? Angestellter des Vereins ist er mit der Unterschrift unter seinem neuen Vertrag nicht mehr. „Es liegt an Julian und Markus, ob sie auf meinen Rat und meine Tat künftig zurückgreifen wollen“, sagt Rangnick. Einen Machtverlust in seinem Leben befürchtet er nicht. „Ich bin kein Freund von Organigrammen, wir haben in Leipzig immer Teamentscheidungen getroffen“, so der 60-Jährige.
Mintzlaff will auf Rangnicks Erfahrung bauen
Schnittmengen mit seinem alten Verein werden für Rangnick weiter bestehen. Allein durch seine beratende Funktion wird der Kontakt eng bleiben. Oliver Mintzlaff jedenfalls will auf den Rat seines bisherigen leitenden Angestellten nicht verzichten. „Wir haben mit Markus Krösche und Julian Nagelsmann zwei Hochtalentierte, ihnen fehlt aber noch die Erfahrung.“
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