Leipzig. Das große Wechselspiel hat in Leutzsch schon vor einiger Zeit begonnen, der Kader wird teil-erneuert. Acht Spieler gehen, acht sollen insgesamt kommen. „Wir werden in der kommenden Saison eine Mannschaft haben, die mindestens genau so viel Qualität haben wird wie zuletzt“, kündigt der sportliche Leiter der BSG Chemie Leipzig, Andy Müller-Papra, an. Dabei ist Geld knapp, in Leutzsch spielen reine Amateure, pandemiebedingt wurde es noch enger mit der Kohle. Wie macht Chemie das? Welches Geheimnis verbirgt sich hinter den teilweise hochkarätigen Neuzugängen?
Der Reiz der BSG
„Da gibt es kein Geheimnis“, lacht Müller-Papra, der seinem Verein aber eine „gewisse Strahlkraft“ attestiert. „Wir sind durch die solide Arbeit der letzten Jahre und den 3. Platz in der letzten Rumpfsaison sicher nicht unattraktiver geworden“, hinzu kämen die sich rasant verbessernden Trainingsbedingungen sowie natürlich „das geile Stadion und die geilen Fans“: „Da zieht es den Einen oder Anderen eben vielleicht doch eher zu uns als zu anderen Regionalligisten“, ist sich der einstige „Fußballgott“ sicher. Neuzugang Paul Horschig aus Auerbach sekundiert ihm tatkräftig: „Das erste, woran ich denke, wenn ich ‚Chemie‘ höre? Ein absoluter Traditionsverein mit geilen Fans“, sagt der neue Abwehrspieler. Auch Routinier Florian Brügmann, der bisher spektakulärste Neue im Chemie-Trikot, lässt keinen Zweifel daran, was ihn bei Chemie reizt: „Definitiv Fußballromantik. Es ist ein fußballverrückter Verein voller Leidenschaft mit einer ebenso leidenschaftlichen, aktiven Fanszene. Das sind für mich die Hauptmerkmale, was ich mit dem Verein verbinde.“
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Es sind drei Kategorien an Gründen, die Spieler reizen, zur BSG Chemie zu wechseln. Da sind die jungen, talentierten Kicker, die die Chance zur Weiterentwicklung sehen, und in Leipzig lernen oder studieren. Die Brüder Ben und Max Keßler sind da beste Beispiele. Beide kickten im Nachwuchs von Erzgebirge Aue, stammen aber aus Grimma und sehen in Leutzsch beste Möglichkeiten, den nächsten Schritt zu schaffen. Max ist bereits seit vier Jahren bei der BSG und hat sich gut entwickelt. Seinem Bruder Ben traut die sportliche Leitung das gleiche zu.
Dann gibt es Spieler, die jung sind und sich im Profifußball etablieren wollen. Anton Kanther ist so einer. Der beim 1. FC Union ausgebildete Mittelfeld-Wirbelwind setzt auf die Karte Fußball und will seinen Weg in den bezahlten Fußball gehen. Damit haben zuletzt Burim Halili (wechselte nach anderthalb Jahren nach Jena) und Morgan Fassbender (Abgang steht höchstwahrscheinlich unmittelbar bevor) beste Erfahrungen gemacht. „Damit werden wir leben müssen, weil wir noch nicht so weit sind, diese Talente zu halten“, ist sich Andy Müller-Papra bewusst. Dennoch mache das die Mannschaft nicht schlechter, im Gegenteil gewinne man so echte Qualität hinzu.
Die „Besser-Macher“ der BSG
Und dann gibt es die dritte Gruppe an Spielern, die einfach durch gewisse Lebensumstände nach Leipzig und Leutzsch kommen. Brügmann lebt seit fünf Jahren in Leipzig, auch, als er in Halle, Duisburg und Cottbus spielte, und meldete sich sogar von sich aus bei Chemie. Ungewöhnlich fand der 30-Jährige den Wechsel keineswegs: „Warum soll das überraschend sein? Ich wechsle vom Tabellen-Neunten zum Tabellen-Dritten der Regionalliga Nordost. Klar haben ebenso private Gründe eine Rolle gespielt. Auch die Corona-Krise hat mich zum Umdenken gebracht. Das hat auch Prioritäten bei mir verändert.“
Ein weiteres Pfund sind die Trainer. Miro Jagatic und Christian Sobottka gelten als „Besser-Macher“, bei denen junge Spieler gezielt gefördert werden. Das hat sich herumgesprochen und zieht. Zudem hilft der Verein bei der Suche nach Ausbildungs- und Arbeitsplatz. „Wir versuchen, den Spielern durch unser großes Netzwerk berufliche Perspektiven zu bieten, da wird alles aktiviert, was der Verein hergibt“, erläutert Müller-Papra. So wird derzeit ein 30-Stunden-Job im kaufmännischen Bereich gesucht. Andere suchen 450-Euro-Jobs und konzentrieren sich auf den Fußball, um den Durchbruch zu schaffen.



Not hat der Verein nicht, gute und talentierte Spieler zu finden: „In jeder Wechselperiode werden uns an die 100 Spieler angeboten, und wir selbst haben natürlich Wunschkandidaten im Blick, die wir teilweise seit Jahren kennen wie eben zuletzt Horschig oder Kanther“, sagt der sportliche Leiter. Und manchmal, da klappt es eben nicht. Wie zuletzt, als ein aussortierter Spieler eines Zweitligaaufsteigers angeboten wurde, der „brennend interessiert“ war, nach Leutzsch zu wechseln. Als dessen Berater von Andy Müller-Papra aufgeklärt wurde, dass in Leutzsch Amateurbedingungen herrschen und das Angebot vernahm, was ihm unterbreitet werden konnte, versprach er, sich zurückzumelden. Die Nummer des Beraters tauchte nie wieder im Display Müller-Papras auf.
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