16. Januar 2023 / 21:15 Uhr

Bilanz vor Bundesliga-Neustart: Die Sorgenkinder und Form-Gewinner der Winterpause

Bilanz vor Bundesliga-Neustart: Die Sorgenkinder und Form-Gewinner der Winterpause

Fynn Engelbrecht-Greve und René Wenzel
RedaktionsNetzwerk Deutschland
Bayer Leverkusen (l.), der BVB (M.) sowie Bayern und Schalke schauen mit unterschiedlichen Gemütslagen auf den Neustart der Bundesliga. 
Bayer Leverkusen (l.), der BVB (M.) sowie Bayern und Schalke schauen mit unterschiedlichen Gemütslagen auf den Neustart der Bundesliga.  © IMAGO/Chai v.d. Laage/Kirchner-Media/Sven Simon (Montage)
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Die Bundesliga erwacht aus ihrem zweimonatigen Winterschlaf. Wenn am Wochenende die Saison mit dem 16. Spieltag fortgesetzt wird, sind die Vorzeichen im Vergleich zum November völlig verändert. Klubs, die vor der WM noch Sorgenkinder waren, versprühen Optimismus – und andersrum. 

Über zwei Monate ruhte in der Bundesliga der Ball. Die Winter-WM hat alles durcheinandergewirbelt und selten war der Wiederbeginn der Liga nach der Winterpause so spannend und unvorhersehbar wie in diesem Jahr. Formkurven aus dem November zählen beim Neustart am Wochenende nicht mehr. Verletzungen, Rückkehrer, Transfers und Testspiele sorgen für völlig neue Vorzeichen. Für manche Klubs kam die lange Unterbrechung wie gerufen, andere hätten gern drauf verzichtet. Der SPORTBUZZER, das Sportportal des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), sagt, mit welchen Vereinen nach der Pause zu rechnen ist und bei wem mit Blick auf den 16. Spieltag und den Rest der Saison noch Sorgenfalten die Stirn zieren.

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Die Form-Gewinner

Bayer Leverkusen: Die Werkself ist ein heißer Kandidat auf den Titel "Team der Rückrunde". Schon vor der WM-Pause war mit drei Siegen in Folge ein leichter Aufwärtstrend zu erkennen. Nun hatte Neu-Trainer Xabi Alonso, der mitten in der Saison ohne Vorbereitung übernommen hatte, rund zwei Monate Zeit, dem Team seine Philosophie und Vorstellungen in aller Ruhe zu vermitteln. Klub-Boss Fernando Carro gab im Kölner Stadt-Anzeiger die klare Marschroute vor: "Wir wollen weiterhin zu den Top Vier der Bundesliga gehören. Das ist unser Anspruch. Und der hat sich nicht geändert."

Dass die Leverkusener mit ihrem Champions-League-Kader nicht in den Abstiegskampf der Bundesliga gehören und weit unter ihren Möglichkeiten gespielt haben, ist kein Geheimnis. Das Steigerungs-Potenzial ist riesig und die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Tabelle rasch nach oben geht, ebenfalls. Dazu kommt, dass Alonsos Kader durch einen hochkarätigen "Neuzugang" verstärkt wird: Florian Wirtz hat seinen Kreuzbandriss auskuriert und die lange Pause genutzt, um sich die nötige Fitness und Form zu holen. "Mit Flo sind wir eine bessere Mannschaft - und ich bin mit ihm auch ein besserer Trainer. Er wird für uns ein großartiger Winterzugang sein", schwärmte Alonso voller Vorfreude.

Das Wirtz bereit ist, zeigten die beiden Tests im neuen Jahr: Beim letzten Spiel am Sonntag legte Wirtz den 1:0-Siegtreffer von Amine Adli gegen den dänischen Erstligisten FC Kopenhagen. Eine Woche zuvor erzielte er die 1:0-Führung beim 2:1-Erfolg über den FC Venedig. Klare Tendenz: Mit Leverkusen und Wirtz ist zu rechnen.

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Borussia Dortmund: Egal, wer in den vergangen Tagen vom BVB auf den Wiederbeginn der Bundesliga blickte, es war zu spüren, dass das ganze Team auf Wiedergutmachung und Verbesserung brennt. Zu groß war der Ärger über den Absturz auf Rang sechs durch zwei Niederlagen in Folge vor der WM-Pause. "Wir wollen unbedingt besser auftreten, konstant besseren Fußball spielen, konstant bessere Ergebnisse erzielen. Und da bin ich zuversichtlich, wenn ich sehe, wie die Mannschaft im Trainingslager gearbeitet hat", sagte zum Beispiel Emre Can im Kicker.

Was den Mittelfeldspieler ebenso wie Trainer Edin Terzic und wohl jedem Dortmunder Fan optimistisch stimmt, sind die zahlreichen Rückkehrer: Marco Reus, Mahmoud Dahoud und allen voran Sébastien Haller, der im Sommer als Königstransfer Erling Haaland vergessen machen sollte. Der Stürmer hat den Schicksalsschlag Hodentumor nach zwei Operationen überwunden und sich im Trainingslager in Marbella eindrucksvoll zurückgemeldet. In Testspiel gegen den FC Basel erzielte er binnen sieben Minuten einen Hattrick. Sein Comeback scheint die ganze Mannschaft zu beflügeln. Die Januar-Tests endeten jeweils torreich: 5:1 gegen Fortuna Düsseldorf und 6:0 gegen Basel.

Auch Niklas Süle will mit der Borussia trotz des Neun-Punkte-Rückstandes auf den FC Bayern München noch einmal angreifen: "Falls wir die zwei noch ausstehenden Hinrundenspiele gewinnen sollten, wären wir wieder vorn mit dabei." Zur Motivation erinnerte der Verteidiger an die Vergangenheit: "Ich kann mich noch gut erinnern, dass der BVB einmal neun Punkte vor den Bayern stand und am Ende doch die Bayern Meister geworden sind", sagte Süle, der damals zum Team des deutschen Rekordmeisters gezählt hatte.

Union Berlin: Die Köpenicker waren während der WM-Unterbrechung umtriebig. Sechs Testspiele besttritt Union in den vergangenen fünf Wochen. Die blitzsaubere Bilanz des Hauptstadt-Klubs: sechs Siege - einige davon durchaus mit gewisser Aussagekraft. Mit dem FC Augsburg wurde ein Konkurrent aus der Liga zweimal bezwungen (1:0 und 4:1). Zum Abschluss gab es ein 3:1 (2:1) gegen den slowakischen Erstligisten MSK Zilina. In Euphorie verfiel aufgrund der Ergebnisse niemand an der Alten Försterei: "Resultate in der Vorbereitung können auch täuschen. Es ist natürlich gut, wenn man gewinnt. Dann nimmt man auch eine gewisse Zuversicht mit", mahnte Trainer Urs Fischer.

Es ist genau diese demütige und bodenständige Einstellung, die schon dazu geführt hatte, dass die Eisernen in der Tabelle nach 15 Spieltagen als Fünfter ebenso viele Zähler auf dem Konto haben, wie Eintracht Frankfurt auf dem ersten Champions-League-Rang. Von der Königsklasse spricht dennoch niemand – jedenfalls nicht öffentlich: "Wo wir stehen, werden wir nach dem Spiel gegen Hoffenheim (Samstag, 15.30 Uhr) wissen. Ich habe das Gefühl, dass noch einiges fehlt", so Manager Oliver Ruhnert. Ein Einbruch der Unioner ist allerdings kaum vorstellbar – weil der Kader der Hinrunde bestehen blieb und mit dem Linksverteidiger Jerome Roussillon aus Wolfsburg punktuell noch verstärkt wurde.

Die Sorgenkinder

FC Bayern: Die Lage in München wird aktuell besonders von drei offenen Fragen begleitet. Nummer eins: Wer soll Manuel Neuer bis zum Saisonende vertreten? Nummer zwei: Wie stabil ist die Defensive nach dem monatelangen Ausfall von Chef-Organisator Lucas Hernández? Nummer drei: Wann kehrt Star-Neuzugang Sadio Mané in den Kader zurück? Die Bayern stehen nach einer guten Vorbereitung in Katar und einem mäßigen Testspiel gegen RB Salzburg (4:4) vor einer etwas undurchsichtigen Situation so kurz vor dem Bundesliga-Star gegen Leipzig am Freitag (20.30 Uhr).


Einen zumindest bis zum Saisonende zur Verfügung stehenden Ersatz von Neuer gibt es aktuell sicher nur mit Sven Ulreich. Eine zweite Option soll es laut Bayern-Trainer Julian Nagelsmann noch sicher geben. Die als Wunschlösung ausgemachte Option mit Yann Sommer scheint nicht aufzugehen – zumindest aktuell nicht. Doch Nagelsmann betonte zuletzt: "Jeder sieht doch die Torwart-Situation. Wir müssen sowieso einen Torwart holen, das steht außer Frage."

Im personellen Bereich muss Bayern auch eine Antwort auf den am Knie verletzten Hernández finden. Aktuell ist mit dem Duo Dayot Upamecano und Matthijs de Ligt zu rechnen. Doch wie stabil ist die FCB-Abwehr ohne ihren Chef im Zentrum und Kapitän im Tor? Zudem ist unklar, wann Sturm-Hoffnungsträger Mané wieder mit einsteigt – die Tendenz geht aktuell in Richtung Mitte/Ende Februar. "Er ist eh schon einen Tick schneller, als wir es erwartet haben", machte Nagelsmann den Fans zumindest etwas Hoffnung in einer Zeit vieler Unklarheiten an der Säbener Straße.

FC Schalke 04: Die Winterpause fühlte sich in Gelsenkirchen eher wie ein echter Stimmungskiller statt erhoffter Euphoriewelle an. Sechs Testspiele, kein Sieg, dazu die schwere Knieverletzung bei Sebastian Polter. Hinzukommt das fehlende Geld in der Vereinskasse, um die Mannschaft im Abstiesgskampf besser aufzustellen. Mit Jere Uronen von Stade Brest und Niklas Tauer von Mainz 05 lieh man zwei Spieler aus, Soichiro Kozuki beförderte Trainer Thomas Reis aus der Reserve.

Zum Restart in der Bundesliga geht es am Samstag (15.30 Uhr) zu Eintracht Frankfurt. "Wir werden eine Mannschaft auf den Platz schicken, die alles dafür tun wird, dass wir in Frankfurt punkten", ist Reis trotz aller Widrigkeiten selbstbewusst: "Ich bin überzeugt davon, dass wir hier eine Festung haben werden, wenn die Jungs Gas geben." Eine Festung ist das eine, was S04 aber viel mehr braucht: einen treffsicheren Angriff.

Borussia Mönchengladbach: Die Vorfreude auf die restliche Spielzeit wurde von einigen Themen gedämpft. Und vieles blickt auf die Arbeit von Sportdirektor Roland Virkus. Neben dem Vertrag von Bayern-Wunschsspieler Yann Sommer laufen auch die Kontrakte von Marcus Thuram und Rami Bensebaini aus. Es drohen ablösefreie Abgänge, Gladbach hat - Stand jetzt - nur noch in diesem Januar die Möglichkeit, Ablösesummen für die drei Leistungsträger zu erwirtschaften. Sportlich würde es das Team aber erheblich schwächen. Dem Vernehmen nach gibt es zahlreiche Interessenten für Thuram und Co.

Neben vielen Transfer-Störgeräuschen verlief die Vorbereitung auch aus sportlicher Sicht nicht immer optimal. Trainer Daniel Farke lobte seine Jungs zwar viel, musste zum Ende hin aber nochmal einen etwas kritischeren Ton anschlagen. „Aus schlechteren Tagen kann man oft mehr mitnehmen und lernen als aus den Top-Tagen“, zog der Chef-Coach auch etwas positives aus der 0:1-Niederlage im Härtetest gegen Zweitligist FC St. Pauli. Die nächsten Wochen bis zum Ende des Winter-Transferfensters am 31. Juli bleiben spannend – und für einige auch nervig.

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