Der THW Kiel ist seit dieser Woche wieder Tabellenführer der Handball-Bundesliga. Bei Bert Hartfiel, Oberliga-Spieler des MTV Vorsfelde, löst die Meldung sicherlich noch immer ein Schmunzeln aus. Denn ein Sieg gegen die Kieler, seit den Neunzigern das Maß aller Dinge im deutschen Handball, war vor acht Jahren sein Karriere-Highlight.
2014 kam Hartfiel aus Magdeburg zum MTV. "Vorsfelde landet Transfer-Coup", titelte die AZ/WAZ. Mit dem Linkshänder kam aber nicht nur ein starker Rückraum-Spieler zum damaligen Drittliga-Absteiger, sondern auch ein Akteur, der mit dem SCM schon reichlich Luft in der ersten Bundesliga geschnuppert hat - und den großen THW besiegen konnte. "Das war meine persönliche Mondlandung", erinnert sich Hartfiel.
In der Nähe von Zwickau geboren, zog es den heutigen Vorsfelder schon mit 15 nach Eisenach ins Sport-Internat, über Schwerin landete er dann in Magdeburg, wo er hauptsächlich in der zweiten Mannschaft (3. Liga) zum Einsatz kam. Wichtig dabei: immer die Symbiose aus Sport und Studium finden. "Als ich 2012 nach Magdeburg gekommen bin, war es schon mein Ziel, mein Maschinenbau-Master-Studium parallel fertig zu machen." Denn auf ein zweites Standbein neben der Handball-Karriere hat Hartfiel stets größten Wert gelegt - auch wenn das nicht immer leicht war. "Man hat eben null Freizeit. Erst Training, dann Vorlesung, danach wieder Training und abends bist du tot ins Bett gefallen", erinnert sich der Vorsfelder mit einem Schmunzeln. "Das muss man schon mögen."
Häufig bei der ersten Mannschaft im Training
Hartfiels Trainingsbelastung war Bundesliga-reif. "Ich war hauptsächlich für die Zweite vorgesehen, hatte aber Glück im Unglück. Die etatmäßigen Spieler auf meiner Position waren relativ häufig verletzt", erzählt Hartfiel. Schlecht für Andreas Rojewski und Co. - gut für ihn. "In meinen zwei Jahren beim SC war ich nahezu ununterbrochen beim Training der Ersten dabei - und eben auch bei den Spielen." Als dritter Halbrechter ist Hartfiel häufiger nachgerückt, stand im Kader, auch mal ohne Einsatz. Aber einige Male durfte er auch ran.
So wie an diesem denkwürdigen 9. Oktober 2013. Es war eine dieser Geschichten, die nur der Sport schreibt.
"Kiel gewann 2012 die Champions League, hat praktisch in jedem Jahr die Meisterschaft geholt. Das war eine der besten Mannschaften der Welt", erzählt Hartfiel stolz vom größten Moment seiner Handball-Karriere. "Und bei uns waren sechs Spieler verletzt. Alle haben gedacht, wir kriegen eine Reise mit zehn Toren. Und dann haben wir zu Hause mit 34:31 gewonnen." Der heutige MTVer durfte in der Partie rund 40 Minuten ran, traf selbst zweimal gegen den haushohen Favoriten um Welt-Star Filip Jicha.
In der Disco erkannt worden
"Magdeburg ist sowieso eine Handball-verrückte Stadt. Die 7000 Leute in der ausverkauften Halle sind danach komplett ausgetickt." Auch wenn es für den Rückraumspieler nicht das erste Bundesliga-Spiel war, "war das total unwirklich. Von der ganzen Situation her war das ein totaler Overload. Die Leute drehen komplett durch, schon wenn man einläuft und alle deinen Namen schreien, obwohl sie dich gar nicht kennen." Und so ging's in den Tagen danach weiter: "Ich war mit einem Uni-Kumpel zwei-, dreimal in der Disco und da wurde man sofort erkannt. Einige haben gefragt, ob wir mal ein Foto machen können, das kannte ich vorher gar nicht", sagt der damals 24-Jährige mit einem Grinsen.
Doch 2014 war seine Zeit in Magdeburg vorbei. "Ich habe den großen Durchbruch, dass ich in Magdeburg erster Mann sein kann und das große Geld verdiene, bei mir nicht gesehen", erzählt Hartfiel ehrlich. Zwar gab's Angebote aus der 2. Liga, doch das Verhältnis aus Bezahlung und Trainingsaufwand ist ein komplett anderes. "Im Fußball hätte sich die Frage nicht gestellt, aber im Handball geht's nach der 1. Liga rapide abwärts. Ich wollte den Berufseinstieg nicht verpassen und habe die Prio dann auf den Job gelegt." Und da ist er durch sein Master-Studium bestens aufgestellt.
Beim MTV und in Wolfsburg heimisch
Über einen ehemaligen Teamkollegen kam der Kontakt zu Vorsfeldes damaligen Trainer Mike Knobbe zustande. In Wolfsburg sorgt VW für den Maschinenbauer für eine gute berufliche Perspektive, privat ist er mit Ehefrau Romy heimisch geworden. "In Wolfsburg ist mein Lebensmittelpunkt", betont Hartfiel. Ambitionen, in die 3. Liga aufzusteigen, bestehen - wenn überhaupt - nur noch mit Vorsfelde, auch in den kommenden Jahren will der Rückraumspieler ein Teil des Teams sein. Egal in welcher Spielklasse. "Ich werde in diesem Jahr 32, will beim MTV noch ein paar schöne Jahre haben." Und irgendwann in Vorsfelde seine Karriere beenden.
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