19. Juli 2021 / 08:00 Uhr

Christian Prokop über sein Aus als Handball-Bundestrainer, seine Auszeit und seinen Wechsel nach Hannover

Christian Prokop über sein Aus als Handball-Bundestrainer, seine Auszeit und seinen Wechsel nach Hannover

Matthias Roth
Leipziger Volkszeitung
Christian Prokop organisiert gerade seinen Umzug von Leipzig nach Hannover.
Christian Prokop organisiert gerade seinen Umzug von Leipzig nach Hannover. © André Kempner
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Das erste Interview mit Handball-Trainer Christian Prokop nach seiner Freistellung als Nationaltrainer: Knapp anderthalb Jahre hielt sich der 42-Jährige aus der Öffentlichkeit fern. Zur kommenden Saison wird er Coach beim Bundesligisten Hannover-Burgdorf. Prokop erklärt die Gründe für sein Handeln.

Leipzig. Christian Prokop ist zurück auf der deutschen Handballbühne. Der 42-Jährige übernimmt in der neuen Saison den Bundesligisten Hannover-Burgdorf. In seinem ersten Interview nach der Freistellung als Bundestrainer im Februar 2020 spricht er mit dem SPORTBUZZER, dem Sportportal des RedaktionsNetzwerks Deutschland, über seine neue Aufgabe, die acht Jahre in Leipzig und die deutsche Nationalmannschaft.

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SPORTBUZZER: Sie bereiten nach acht Jahren in Leipzig gerade Ihren Umzug nach Hannover vor. Wie schwer ist der Abschied?

Christian Prokop (42): Wir haben hier eine ganz tolle Zeit verbracht. Unser Sohn wurde hier geboren, mein Frau und ich haben in Leipzig geheiratet und hatten hier eine sehr schöne sportliche und private Zeit. Das macht den Abschied sicherlich trauriger.

Sie waren fast anderthalb Jahre nicht mehr in der Öffentlichkeit zu erleben. Was haben Sie gemacht?

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Ich brauchte die Zeit für mich, nach dieser schwierigen und sehr überraschenden Entscheidung, nicht mehr Bundestrainer zu sein. Das musste ich erst einmal verarbeiten. Ich habe die Zeit im engsten Familien- und Freundeskreis genutzt.

Hannovers Nationalspieler Fabian Böhm freut sich ganz besonders auf die Zusammenarbeit mit Ihnen und empfindet viele Dinge aus ihrer Bundestrainerzeit als falsch dargestellt.

Wie bereits erwähnt, habe ich das vergangene Jahr für mich genutzt und analysiert. Das war wichtig. Jetzt ist da ein dicker Haken dran. Es ist normal in Trainerkarrieren, dass es auch ernüchternde Phasen gibt. Nun ist es wichtig, den Blick nach vorn zu richten. Ich bin voller Energie und freue mich auf die Recken.

Sie hatten noch ein Jahr Vertrag beim DHB. Lief die Trennung jetzt problemlos?

Ja, die Vertragsauflösung erfolgte im beiderseitigen Interesse.

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Nächste Woche beginnen die Olympischen Spiele in Tokio. Seit Jahren wird die Goldmedaille für die deutschen Handballer als Ziel ausgegeben. Ist das realistisch?


Ich sehe die deutsche Mannschaft auf einem guten Weg. Viele Spieler sind in sehr guter Form, die Motivation kann höher nicht sein. Unter Druck müssen die Jungs Nervenstärke zeigen. Ich wünsche ihnen das notwendige Glück, damit sie sich ihren Traum von einer Medaille erfüllen können.

Alle Spiele werden in Tokio vor leeren Rängen ausgetragen. Wie sehr wird das die Teams beeinflussen?

Das ist schon ein großer Verlust, für alle Sportarten von der Stimmung und Atmosphäre her. Ich denke aber, dass die Spieler aufgrund der Bundesliga-Erfahrung sehr professionell damit umgehen und ihr Ziel im Kopf verfolgen werden. Das ist bei diesem Turnier das Wichtigste.

Welchen Anteil hat Alfred Gislason am Auftreten der Nationalmannschaft?

Alfred Gislason ist ein sehr erfahrener Trainer, der sich bei seinem ersten Turnier, der Weltmeisterschaft, aber auch erst reinfuchsen musste. Er wird die richtigen Hebel in Bewegung setzen, um erfolgreich mit der deutschen Mannschaft zu sein.

Sie wurden vor einiger Zeit mit den Rhein-Neckar-Löwen in Verbindung gebracht, danach war wieder lange Ruhe. Kam das Angebot aus Hannover überraschend?

Die Rhein-Neckar-Löwen und ich hatten keinen Kontakt. Es gab die eine oder andere Anfrage aus dem Ausland. Das hat aber nicht gepasst. Ich habe mich über wertschätzende Anfragen aus der Bundesliga gefreut und natürlich über das Angebot aus Hannover.

Was haben Sie mit den Recken vor?

Die TSV Hannover-Burgdorf ist ein etablierter Verein mit einem modernen Image. Mir imponiert seit Jahren die Entwicklung und Integration eigener Nachwuchsspieler in das Bundesligateam. Zudem freue ich mich auf eine hungrige Mannschaft, die eine gute Rolle in der Liga spielen möchte.

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Bastian Roscheck vom SC DHfK Leipzig geht mit nach Hannover. Warum haben Sie sich für ihn entschieden?

Bastian ist ein ehrgeiziger Handballer, der enorme Fähigkeiten und eine große Flexibilität im Deckungsbereich mitbringt. Ich kenne ihn aus der Zeit in Leipzig sehr gut und bin davon überzeugt, dass er mit seinem Können und Erfahrungsschatz gut in die Recken-Mannschaft passt. Er ist ein aufgeschlossener und kommunikativer Mensch, auf den ich mich, wie auf das gesamte Team, freue.

Sie haben nach Ihrem Ende als DHfK-Coach weiter in Leipzig gewohnt, unterhalten freundschaftliche Kontakte zum Verein und haben die Bundesligamannschaft mit ihrem Kollegen André Haber weiter intensiv verfolgt. Wie hat sich das Team in dieser Saison entwickelt?

Es war über weite Strecken eine gute Saison. Im letzten Drittel haben sie noch einmal richtig aufgesattelt. Durch den Endspurt hat sich die Mannschaft den sechsten Platz total verdient. Trotz Pandemie und langer Saison hat der SC DHfK immer wieder seine kämpferischen Aspekte abgerufen. Das verdient großen Respekt.

Philipp Weber wechselt nach Magdeburg. Ist diese Lücke in Leipzig zu schließen?

Philipp war lange Zeit in Leipzig und hatte erheblichen Anteil an der Entwicklung des SC DHfK. Er hat sich zu einer Persönlichkeit entwickelt. Philipp kommt aus Magdeburg und im Inneren war es sicher immer sein Ziel, irgendwann eine bedeutende Rolle beim SCM einzunehmen. Diese Chance hat er jetzt erhalten. Der Wechsel ist daher nachvollziehbar, gleichzeitig ist es jedoch für Leipzig ein Verlust, den sie mannschaftlich versuchen werden, aufzufangen. Die DHfK-Verantwortlichen denken zukunftsorientiert und werden es schaffen, wieder eine starke Mannschaft zu formen. Gerade mit Luca Witzke und Simon Ernst verfügen sie über die notwendige Qualität auf der Position.

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Droht die Bundesliga im Kampf um die Meisterschaft langweilig zu werden? Kiel und Flensburg liefern sich dort einen Zweikampf.

Langeweile garantiert nicht, wir hatten am letzten Spieltag die Entscheidung um die deutsche Meisterschaft. Das ist eigentlich unglaublich. Der SC Magdeburg musste mit einer dünnen Spielerdecke in mehreren Wettbewerben antreten und hat das phänomenal gelöst. Mit ihnen ist zu rechnen. Daneben sehe ich auch die Füchse Berlin und die Rhein-Neckar-Löwen in Lauerstellung. Ich denke, dass es in der kommenden Saison ein breiteres Verfolgerfeld der Spitze geben wird.

Ein Stück Christian Prokop wird mit dem Platz in der Hall of Fame des SC DHfK in der Arena Leipzig bleiben. Wie emotional erwarten Sie Ihre Rückkehr, wenn Hannover kommende Saison in Leipzig spielt?

Das ist noch ganz weit weg. Es war eine phantastische Zeit in Leipzig. Hier habe ich von Anfang an einen Verein mit sehr vielen Emotionen und Empathie vorgefunden. Das gibt es sicherlich nicht so häufig. Jetzt freue ich mich aber auf meine neue Herausforderung.

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