Wie sehr haben die mächtigen Macher des Fußballs die letzten Tage und Wochen dazu genutzt, um Lobbyarbeit für ihre Branche zu betreiben und den ramponierten Ruf wieder ein wenig aufzupolieren. Solidarität. Demut. Menschlichkeit. Drei Begriffe, die dabei häufig in den Mund genommen wurden. Flankiert von einer gewissen Empörung darüber, dass die breite Öffentlichkeit den Fußball offenbar deutlich kritischer sieht als er sich selbst. "Die Coronakrise als Chance", so lautete das Motto der unzähligen Protagonisten, die von Talkshow zu Talkshow, von Interview zu Interview tingelten, um zu versichern, dass man in Zukunft wieder bodenständiger, transparenter und glaubwürdiger auftreten wolle.



Doch wie weit weg das Profigeschäft auch nur von einem Ansatz an Glaubwürdigkeit ist, zeigte die Posse um die positiven Coronatests beim 1. FC Köln. Nachdem sich mit Birger Verstraete endlich mal ein Kicker getraut hatte, seine Sorgen und Befürchtungen rund um das Vorgehen der Vereine zu äußern, wurde er prompt vom Klub zurückgepfiffen, musste wie ein kleiner Schuljunge zurückrudern und Sätze richtigstellen, die wohl das ehrlichste waren, was ein Spieler in jüngster Vergangenheit zum Thema beigetragen hatte. Übrigens: Verstraetes Freundin ist Herzpatientin.
Verstraete sicher nicht der einzige Profi, der Bedenken hat
Der Belgier dürfte sicher nicht der einzige Profi sein, der jemanden aus der Risikogruppe in seinem privaten Umfeld hat und einem möglichen Neustart skeptisch gegenüber steht. Doch was passiert, wenn man diese Bedenken öffentlich äußert, wurde den mündigen Stars wieder mal knallhart vor Augen geführt. Rechtlich haben Profis ohnehin keine Grundlage, nicht aufzulaufen, sollte der Ball demnächst wieder rollen. Sie würden schlicht und einfach vertragsbrüchig.
Fortsetzung oder Abbruch: So ist der Stand in den internationalen Topligen
Hinter vorgehaltener Hand hört man, dass innerhalb der Mannschaften und Kabinen durchaus intensiv und kontrovers darüber diskutiert wird, was aktuell richtig oder falsch ist. Aber auch, wie groß der ausgeübte Druck ist: Vom Verein, von der Liga, von Beratern und Sponsoren. Wer behauptet, die Spieler würden oder dürften irgendetwas selbst entscheiden, erzählt Unfug.
Der Fußball hat die Glaubwürdigkeit bereits verspielt
Zum Thema Transparenz sei festgestellt, dass derzeit alle Klubs hinter verschlossenen Türen trainieren und somit verhindern, dass eine mögliche Missachtung der Verhaltensregeln aufgedeckt werden könnte. Bei den herbeigesehnten Geisterspielen sind Kameras und Fotografen übrigens nicht nur erlaubt, sondern dann wieder ausdrücklich erwünscht. Am Montag sickerte zudem durch, dass die DFL die Kommunikation der Corona-Testergebnisse möglichst zentralisieren und die Steuerung der Informationen in der eigenen Hand behalten will.
Die viel zitierte Glaubwürdigkeit – sofern es sie jemals gab – hat der Fußball jedenfalls schon verspielt, bevor es überhaupt wieder losgeht.