Deutschland macht sich locker. Am Mittwochmittag sickerte die Nachricht durch. Es gibt einen Beschluss, von den Chefs der Staatskanzleien. Demnach dürfen wieder bis 10 000 Sportfans in die Fußball-Stadien, bis zu 30 Prozent der Kapazität in die Hallen. Der Beschluss sei bindend für alle Bundesländer, hieß es. Aber ab wann? Niedersachsen bleibt hart: Weiterhin dürfen nur 500 Menschen zu 96, Havelse oder den Handball-Recken.
„Wir haben noch einmal sehr sorgfältig pro und contra von Lockerungen abgewogen“, erklärte Ministerpräsident Stephan Weil. Die hohen Infektionszahlen gäben Lockerungen nicht her. Fast alle anderen Länder lockern, Niedersachsen bleibt stur. In Niedersachsen soll es bis zum 16. Februar bei höchstens 500 erlaubten Zuschauenden bleiben. Ein Land ohne Fans. Die Klubs sind enttäuscht, auch 96-Trainer Christoph Dabrowski.



Er hatte berechtigte Hoffnungen, dass seine Mannschaft am 13. Februar vor 10 000 Begeisterten gegen Darmstadt auftrumpfen könnte. In anderen Bundesländern wäre dies so – aber nicht in Hannover. Dadurch verliert 96 rund 200 000 Euro netto pro Heimspiel. Die Tickets machen 20 Prozent der Einnahmen aus – die fallen bis auf Weiteres weg. In Hannover. Für München, Hamburg, Kiel, Köln oder Heidenheim gelten andere Regeln.
Dabrowski hatte Mittags vom Beschluss der möglichen Lockerung gehört und sich „sofort gefreut“. Er berichtete von seinem Besuch bei einem „Drittligaspiel, besucht von 7500 Fans, 150 Kilometer entfernt von Hannover. Bei uns dürfen nur 500 rein. Das ist enttäuschend und ernüchternd.“ Er hoffe dennoch, dass „an einer einheitlichen Klarheit im Hintergrund gearbeitet wird“.
96-Boss Kind fehlt das Verständnis
Arbeiten müssen vor allem die Klubs. 96-Rivale St. Pauli prüft für sein Heimspiel am Samstag gegen Paderborn, ob statt 1000 nun 5000 Fans ins Millerntor dürfen. Holstein Kiel (gegen Düsseldorf) kann den Beschluss bis Sonntag nicht umsetzen, weil er in Schleswig-Holstein erst am 9. Februar in Kraft tritt. In Münster entscheidet das Oberverwaltungsgericht noch am Donnerstag, wie und ob in NRW mehr Fans kommen dürfen. Dortmund, Köln und Bielefeld hatten das juristische Verfahren eingeleitet.
96-Boss Martin Kind plant nichts dergleichen. „Verstehen kann ich das alles längst nicht mehr. 15 000 Zuschauer in Magdeburg, bei uns fast keine, das ist doch unlogisch“, findet Kind. „Die Leute verlieren den Glauben an die Regeln, wenn sie so uneinheitlich sind.“ Der 96-Chef hofft auf eine erneute schnelle Prüfung. „Das wäre in unserem Sinne“, sagt er.



Drittliga-Schlusslicht TSV Havelse hätte für das Heimspiel am Samstag gegen Meppen vermutlich mindestens dreimal so viele Fans in die HDI-Arena locken können als erlaubt. „Schade“, sagt Sprecher Fabian Ullrich und fügt verärgert hinzu: „Dafür fehlt mir einfach jedes Verständnis. Corona hört nicht an der Landesgrenze auf.“ Im Falle von Lockerungen wären wohl auch Meppener nach Hannover gekommen. So bleibt es beim Verzicht von Gästefans, auf den sich beide Klubs im Vorfeld geeinigt hatten.
Auch Eike Korsen, Geschäftsführer der Recken der TSV Hannover-Burgdorf, war mittags positiv gestimmt mit Blick auf eine Zuschauerkapazität von etwa 2500 bis 3000 in der ZAG-Arena für kommenden Donnerstag gegen Hamburg. Schon diesen Beschluss interpretierte er aber nicht als „Öffnung“ oder „Lockerung“, sondern als „Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit“. Bis kurz vor Weihnachten waren bis zu 2500 Fans erlaubt.
Ministerpräsident Weil begründet vorsichtigen Kurs
Als die Anti-Haltung Niedersachsens am späten Nachmittag durchsickerte, fehlten Korsen fast die Worte. „Für Verständnis muss man verstehen. Die Argumente sind aber nicht nachvollziehbar. Außerdem wurde uns kommuniziert, dass der Beschluss der Länder bindend ist.“ Es sei „doch keine andere Pandemie in den anderen Bundesländern, sondern überall die gleiche“. Viel schlimmer als den wirtschaftlichen Ticket-Schaden sieht Korsen die zu befürchtende „Lähmung“, die bei allen Beteiligten, Organisationen und Fans, ausgelöst werde.
Ministerpräsident Weil warnt derweil davor, etwa die Fußballspiele nur als „minimalen Ausschnitt“ zu betrachten. Es komme schon bei der Nutzung des ÖPNV zu zusätzlichen Kontakten. „Auch in Niedersachsen haben wir ein großes Interesse an Lockerungen, wir wollen aber keine Rolle rückwärts machen“, begründete der Landeschef den vorsichtigen Kurs.
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