Am Freitagabend war es so weit. Da setzte die Lufthansa-Sondermaschine LH 343 mit den Nationalspielern am Frankfurter Flughafen auf – einige gingen zuvor bereits bei einem Zwischenstopp in München von Bord. Für sie geht es nach dem Vorrunden-Aus bei der WM in den unerwartet frühen Urlaub. Die Stimmung an Bord dürfte überschaubar gewesen sein, das ließ sich anhand der Aussagen ablesen, die nach dem nutzlosen 4:2 gegen Costa Rica gefallen waren. Der vermeintliche Anführer Joshua Kimmich hatte feuchte Augen, als er vom "schwierigsten Tag meiner Karriere" sprach und betonte: "Ich habe Angst davor, in ein Loch zu fallen." Antonio Rüdiger, Abwehrboss von Real Madrid, gab zu: "Diese Gier, das Dreckige hat uns gefehlt. Talent und Qualität sind schön und gut, aber es gehört mehr dazu. Wir haben defensiv versagt und stehen wieder komplett bei Null."
Tatsächlich liegt der Verband nach dem dritten verpatzten Turnier in Serie (Vorrunden-Aus bei der WM 2018, Achtelfinal-Aus bei der EM 2021) erneut in Trümmern. Eigentlich wollte man in Katar "zurück in die Weltspitze", "mindestens unter die letzten Vier", nicht nur sportliche Wiedergutmachung betreiben, sondern den Zuschauern in Deutschland Lust auf die Heim-EM machen, die im Juni 2024 startet – das Gegenteil passierte.
Bierhoff nahm Neuendorf bei PK-Verzicht nicht mit ins Boot
Der Deutsche Fehler-Bund gab ein trauriges Bild ab, auf allen Ebenen. Wie vor der Endrunde in Russland ließen die Verantwortlichen unnötige Debatten wie die um die "One Love"-Binde zu. "Das hätten wir ohne Zweifel besser machen können", gestand DFB-Direktor Oliver Bierhoff ein, der um seinen Job bangen muss. Auch weil er Präsident Bernd Neuendorf nach Informationen des SPORTBUZZER, dem Sportportal des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), nicht mit ins Boot genommen hatte, als entschieden wurde, dass der DFB – entgegen der Bestimmungen – keinen Spieler zur zweiten Spieltags-Pressekonferenz schickte. Die Anreise aus dem ebenfalls umstrittenen Quartier Zulal Resort im Norden des Landes sei zu weit gewesen. Dafür gab es von der FIFA eine Strafe über 10.000 Franken und eine beleidigte internationale Presse, die von Respektlosigkeit schrieb.
Zur letzten PK wurde Lukas Klostermann entsandt, der zugab, vom Gegner Costa Rica nur Torhüter Keylor Navas zu kennen. Auch Rüdigers Arroganzanfall beim 1:2 gegen Japan, als er seinen Gegenspieler lächerlich machte, passte ins Bild. Diese Kleinigkeiten summierten sich, die Außendarstellung war verheerend.
Klopp soll DFB geben haben, ihn bei einer Trainer-Vakanz zu informieren
Gepaart mit dem sportlichen Versagen, das Bundestrainer Hansi Flick durch fragwürdige Entscheidungen mit zu verantworten hat, ergibt sich nun eine Situation, in der alles hinterfragt werden muss – Rücktritte schlossen Flick und Bierhoff zunächst aus. Beide müssen Neuendorf und seinem Stellvertreter Hans-Joachim Watzke in der nächsten Woche bei einer Krisensitzung eine Aufarbeitung präsentieren. "Meine Erwartung an die sportliche Leitung ist, dass sie zu diesem Treffen eine erste Analyse vornimmt, eine sportliche Analyse dieses Turniers. Dass sie aber auch Perspektiven entwickelt für die Zeit nach dem Turnier mit dem Blick auf die EM im eigenen Land", stellte der Präsident klar. Erst nach dem internen Prozess will er "ein Ergebnis" verkünden.
Der DFB-Boss und Watzke werden sich bis dahin Meinungen einholen. Von Spielern, von Mitarbeitern, sicher auch von Ehrenspielführer Philipp Lahm, Turnierdirektor der EM 2024. Und sie werden sich umschauen, ob es Alternativen zu Bierhoff und Flick gibt. Mit Thomas Tuchel ist ein Toptrainer auf dem Markt, der sich jedoch bei Borussia Dortmund mit Watzke überworfen hatte. Nach SPORTBUZZER-Infos soll zudem Jürgen Klopp beim DFB hinterlegt haben, dass man ihn informiert, sollte sich vor der Heim-EM ein Türchen auftun. Dieser Moment könnte gekommen sein. Klopp-Berater Marc Kosicke ließ bei Sky jedoch erst einmal verlauten, Klopp gedenke seinen bis 2026 laufenden Vertrag beim FC Liverpool zu erfüllen.
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