Es war 19.32 Uhr Ortszeit in London, als reihenweise die Spielerinnen in den grünen Trikots auf den heiligen Rasen sanken. Letztlich blieb ein großer Kampf der deutschen Fußballerinnen in der Kultstätte Wembley unbelohnt. Im EM-Finale gegen England zogen die DFB-Frauen letztlich unglücklich mit 1:2 (1:1, 0:0) nach Verlängerung den Kürzeren. Im neunten Endspiel war es vor der Rekordkulisse von 87.192 Zuschauern die erste Niederlage für den Rekordeuropameister.
Das deutsche Ensemble kam in einem spannenden Showdown nach dem Rückstand von Ella Toone (62.) noch durch Lina Magull (79.) zurück, um die Verlängerung zu erzwingen. Dort allerdings sorgte die eingewechselte Chloe Kelly nach einer Ecke und Konfusion im deutschen Torraum im Nachschuss für die Entscheidung (111.).
Martina Voss-Tecklenburg wird sich damit trösten müssen, dass ihr bis dahin ungeschlagenes Ensemble bei diesem Turnier viel mehr erreicht hatte, als alle erwartet hatten. Dass es jetzt vor der gewaltigen Kulisse auf so unglückliche Art und Weise nicht mehr reichte, muss keinen groß grämen. Die Herzen von Millionen neuer Fans in der Heimat hat diese Gemeinschaft gewonnen. Die Bundestrainerin wird nicht müde zu betonen, dass für die Zukunft viel Qualität in dieser zusammengewachsenen Gemeinschaft steckt. Bereits im nächsten Sommer steigt die WM in Australien und Neuseeland. "Man wird im Leben Spiele verlieren. Wir sind die ersten, die dann fair gratulieren", hatte die 54-Jährige zuvor gesagt.
So wie das Vorprogramm mit der englischen Popsänger Betty Hill mit reichlich Knalleffekten begann, war das Auswärmen mit einem Schockmoment zu Ende gegangen: Ausgerechnet Kapitänin Alexandra Popp musste mit muskulären Problemen ganz kurzfristig passen, dafür rückte die am selben Tag zur "Fußballerin des Jahres" gekürte Lea Schüller erstmals nach ihrer überstandenen Covid-Infektion in die Startelf. Ohne die sechsmalige EM-Torschützin Popp fand das deutsche Team zunächst schwer in ein umkämpftes Finale.
Die Engländerinnen stellten das druckvollere Team, aber abgesehen von einem knapp über die Latte gesetzten Direktschuss seiner Rekordtorjägerin Ellen White (38.) hatte der Gastgeber kaum eine klare Chance. Die beiden besten Möglichkeiten resultierten auf der Gegenseite aus einem abgeblockten Schuss der präsenten Sara Däbritz (10.) und einem Durcheinander, an dem Abwehrchefin Marina Hegering beteiligt war (25.). Ansonsten fehlte es beiden Finalisten zunächst an offensiven Lösungen. Dass die unsichere Schiedsrichterin Kateryna Monzul aus der Ukraine wiederholt bei der Zweikampfbewertung falsch lag, trug auch nicht gerade zum Spielfluss bei. Bitter aus deutscher Sicht: Die Unparteiische und der VAR verweigerten der DFB-Elf nach einem Handspiel von Leah Williamson einen Elfmeter (27.).
Zur Hälfte ersetzte Tabea Waßmuth die kaum in Erscheinung getretene Jule Brand – und hatte auch gleich eine erste Chance aus spitzem Winkel, wobei die englische Torhüterin Mary Earps sicher hielt (48.). Dann spitzelte Magull den Ball mit der Fußspitze knapp am Tor vorbei (50.). Keine Frage, die DFB-Elf war nun viel besser drin in diesem Showdown vor der elektrisierenden Kulisse. Englands Trainerin Sarina Wiegman reagierte mit der Hereinnahme von Alessia Russo und Toone, die prompt sechs Minuten später nach einem Traumpass von Keira Walsh erst Kathrin Hendrich enteilte und dann unhaltbar den Ball über Torhüterin Merle Frohms zum 1:0 in die Maschen hob.
Doch die Gäste waren noch nicht geschlagen: Hatte Magull erst noch das Lattenkreuz getroffen (66.), machte es die technisch starke Mittelfeldspielerin nach einem tollen Spielzug über die eingewechselten Sydney Lohmann und Waßmuth viel besser und traf mit links zum 1:1. Ein Ausgleich, den das deutsche Ensemble ausgiebig an der Eckfahne vor dem Block mit den vielen schwarz-rot-goldenen Fähnchen feierten.
In der Verlängerung passierte nicht viel – abgesehen von einer sehr unkonventionellen Fußabwehr von Frohms (107.). Die deutschen Abwehrreihen hatten sich bereits weiter ausgedünnt – für die angeschlagene Verteidigerin Hegering musste auch Sara Doorsoun noch ran. Vielleicht ein Faktor, dass nach einer Ecke die Orientierung verloren ging – und Siegtorschützin Kelly sich das Stück Stoff vom Leib riss wie einst Simone Laudehr beim deutschen WM-Triumph 2007 in China.
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