Sie waren in der legendären Nacht von Rio nicht diejenigen, die die Party ins Rollen brachten. 2014 gab es noch andere, die im Mittelpunkt standen – auf dem Platz und daneben. Natürlich war Manuel Neuer schon vor fünf Jahren einer der Garanten auf dem Weg zum WM-Titel. Und auch Toni Kroos spielte in Brasilien ein überragendes Turnier. Doch nach dem Gewinn des vierten Sterns wurde über Goldjunge Mario Götze gesprochen. Über Krieger Bastian Schweinsteiger, Kapitän Philipp Lahm. Sogar über den tragischen Finalhelden Christoph Kramer. Dass Matthias Ginter überhaupt im Kader stand, daran erinnern sich nur die Wenigsten. „Matze wird immer irgendwie unterschätzt“, sagt auch Bundestrainer Joachim Löw. „Aber ich weiß schon lange, was ich an ihm habe.“



Ginter ist neben Kroos und Neuer einer der drei letzten Weltmeister, die im aktuellen DFB-Kader übrig geblieben sind. Und er hat wie die anderen beiden nun eine ganz, ganz wichtige Rolle im Team. Während das bei Kapitän Neuer und Real Madrids Weltstar Kroos wenig überrascht, ist Gladbachs Ginter fast wie die Jungfrau zum Kinde in die Position des deutschen Abwehrchefs gerutscht. Im Frühjahr „trennte“ sich Löw von den gesetzten Innenverteidigern Mats Hummels und Jérôme Boateng, kürzlich riss sich der erste Nachrücker, Bayerns Niklas Süle, das Kreuzband. Antonio Rüdiger fehlt seit Monaten ebenfalls verletzungsbedingt. Er soll beim FC Chelsea aber immerhin am Mittwoch wieder voll ins Mannschaftstraining einsteigen.
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Bundestrainer Löw lobt "unglaubliche Ruhe und Souveränität" von Ginter
Ginter nahm seine Chance auf die neue Rolle gern an – und nutzte sie. Ausgerechnet bei seinem Heimspiel in Gladbach erzielte er am vergangenen Samstag im 29. Länderspiel seinen ersten Treffer. An den anderen drei Treffern war er beim 4:0 gegen Weißrussland beteiligt. „Das war natürlich etwas Besonderes“, sagte er danach gewohnt zurückhaltend. „Aber auch davor war es, glaube ich, nicht so schlecht.“ Alleine seine Visitenkarte ist jedenfalls eindrücklich: U21-Europameister, Weltmeister, Confed-Cup-Sieger, DFB-Pokalsieger – und das mit gerade mal 25 Jahren. Aktuell steht er mit Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga auf Platz eins.
Löw sagt über Ginter: „Er hat sich defensiv verbessert, eine unglaubliche Ruhe und Souveränität, kaum Leistungsschwankungen – das ist für einen Trainer immer gut.“ Auch an diesem Dienstag im abschließenden Spiel in der EM-Quali gegen Nordirland (20.45 Uhr, RTL) dürfte der Bundestrainer auf seinen Abwehrboss setzen, genau wie auf Kroos. Neuer bekommt dagegen eine Pause.
Weltmeister Kroos: "Vielleicht sind wir dieses Mal besser, als wir gemacht werden"
Mit Blick auf die EM soll das Trio dann die Achse bilden, mit der das DFB-Team wieder um den Titel mitspielen will. „Andere Nationen wie England, Frankreich, Spanien oder Italien hatten schon einen Umbruch und sind inzwischen seit drei, vier Jahren eingespielt – wie Holland auch. Deshalb sehe ich uns nicht als Favoriten“, sagt Löw. „Aber unsere junge Mannschaft ist extrem ehrgeizig und willig, hat viel Potenzial und Qualität. Natürlich werden wir alles versuchen.“
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Neuer hat seinen Platz gegen den großen Herausforderer Marc-André ter Stegen in diesem Jahr erfolgreich verteidigt und wird die DFB-Elf als Kapitän zur EM führen. Ihm fehlt – wie auch Kroos und Ginter – der EM-Titel in seiner bemerkenswerten Sammlung. Für Löw sind die beiden seine verlängerten Arme auf dem Platz. Von Kroos schwärmt er: „Toni ist immer anspielbar und hat eine tolle Orientierungsfähigkeit. Er ist ein Vorbild für die jungen Spieler. Auch, wie er neben dem Platz arbeitet, vor und nach dem Training. Da können sich die Jungs einiges abschauen.“ Und Kroos selbst glaubt mit Blick auf die EM: „Vor der WM 2018 waren wir schlechter, als wir gemacht wurden. Vielleicht sind wir dieses Mal besser, als wir gemacht werden.“