31. Januar 2023 / 11:25 Uhr

Die Macht der Daten: So scouten Profiklubs für Top-Transfers bis zum Deadline Day

Die Macht der Daten: So scouten Profiklubs für Top-Transfers bis zum Deadline Day

Roman Gerth
RedaktionsNetzwerk Deutschland
Daten spielen bei den Transfers im Profifußball inzwischen eine wichtige Rolle.
Daten spielen bei den Transfers im Profifußball inzwischen eine wichtige Rolle. © IMAGO/agefotostock/Shotshop (Montage)
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Am Dienstag endet in den meisten europäischen Ligen die Transferfrist. Emsig wird bei den Klubs daran gearbeitet, noch den einen oder anderen Deal unter Dach und Fach zu bringen. Die Scouting-Ansätze sind dabei unterschiedlich. Fast überall spielen Daten aber eine immer wichtiger Rolle.

Die Zeit der Gerüchte geht zu Ende – zumindest vorerst. Das Transferfenster in der Bundesliga schließt am Dienstagabend, insgesamt gingen bislang rund 100 Wechsel (Leihen inklusive) in Deutschlands beiden höchsten Spielklassen über die Bühne. Mit Blick auf die restliche Saison versuchten die Klubs, eine zum Teil verfehlte Kaderplanung auszubessern oder kurzfristig auf Verletzungen von Spielern zu reagieren. Das Vorgehen ist winters wie sommers gleich: Es braucht Profis, um die Mannschaften an den richtigen Stellen zu verstärken. Und dabei geht nichts mehr ohne aussagekräftige Daten.

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Als der Technische Direktor Ben Manga Ende des vergangenen Jahres von Eintracht Frankfurt zum englischen Zweitligisten FC Watford wechselte, war das beim hessischen Bundesligisten ein großes Thema. Manga hatte über Jahre unter den Sportvorständen Fredi Bobic und Markus Krösche die Hoheit über das Scouting. Ihm ist es etwa zu verdanken, dass sich der Europa-League-Sieger die Dienste des französischen Vizeweltmeisters Randal Kolo Muani gesichert hat.

Manga arbeitet in Watford nun im Management und steht erstmals ganz oben im Organigramm. Letztlich, das ist kein großes Geheimnis, waren aber Unstimmigkeiten mit Krösche einer der Gründe, weshalb sich die Wege trennten. Mangas Ansatz war ein anderer, verriet er jüngst im Kicker-Interview: "Ich möchte alles live sehen und bin kein Daten-Fan." Der SGE-Sportchef tendiert aber überwiegend zum Datenscouting – und nicht nur am Main trafen diese beiden Welten aufeinander.

Das wohl prominenteste Beispiel der vergangenen Jahre für die von Krösche favorisierte Herangehensweise ist der FC Midtjylland. Das Erstligateam aus dem dänischen Herning feierte drei Meistertitel in acht Jahren. Seit der Übernahme durch den englischen Besitzer Matthew Benham im Jahr 2014 ist das Scouting bei Midtjylland von klaren, datenbasierten Prinzipien bestimmt.

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Das, was der Klub in Dänemark macht, erinnert an die Geschichte der Oakland Athletics aus der Major League Baseball (MLB). Das US-amerikanische Team um Manager Billy Beane gewann Ende der 1990er-Jahre überraschend den Meistertitel aufgrund konsequenter statistikbasierter Kaderzusammenstellung von kostengünstigen und auf den ersten Blick mittelmäßigen Profis. Im Buch "Moneyball" und dem gleichnamigen Spielfilm mit Brad Pitt als Beane ist die Story verewigt worden.

Wie in Midtjylland gearbeitet wird und worauf es dort ankommt, weiß Svend Graversen wie kaum ein anderer. Der 51-Jährige arbeitet schon 20 Jahre im Klub, zunächst in der Jugend als Trainer und Nachwuchschef, seit September 2017 ist er Sportlicher Leiter der Profis. "Die Spielersuche hat sich stark verändert. Der 'War of talents' wird immer größer", sagt Graversen dem SPORTBUZZER, dem Sportportal des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND).

Er betont, dass Daten in allen Bereichen immer wichtiger werden, um gezielt nach den richtigen Spielern zu suchen, die das bestehende Gefüge verbessern. Gesammelt werden in Spielen mit technischer Hilfe Hunderte Parameter von Fußballern, die von Datenanalysten vorsortiert werden. Schwierig werde es dann dort, wo Laufleistung, Zweikampfwerte und Co. nicht mehr weiterhelfen. Wenn die Statistiken stimmen, müssen es Mentalität und Charakter noch längst nicht. "Das ist der schwierige Teil", sagt Graversen und ergänzt: "An dieser Stelle machen viele Klubs die meisten Fehler, und die sind entscheidend."

Man könne die Daten "missbrauchen oder völlig falsch interpretieren. Ohne die richtigen Mitarbeiter sind sie eher verwirrend", sagt der Sportchef des dreimaligen dänischen Meisters. "Ich würde immer bevorzugen, die Person zu suchen, die weniger Daten hat, aber Qualität in dem, was sie tut, statt viele Daten zu haben, aber einen Menschen, der nicht so gut ist, damit umzugehen." Wie so oft gilt also: Die Mischung macht’s.

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