Es wäre etwas zu platt, von einer Zäsur für den deutschen Fußball zu sprechen. Doch schon jetzt ist klar, dass die Szenen von Sinsheim die Bundesliga verändern müssen. Denn so darf es nicht weitergehen. Die 13 Minuten, in denen die Spieler, Betreuer und Bosse von TSG Hoffenheim und dem FC Bayern München auf die neuerlichen ekelhaften und an geistiger Schlichtheit kaum zu übertreffenden Beleidigungen gegen Dietmar Hopp mit dem Verzicht auf das Fußballspielen reagierten, werden eine Signalwirkung entfalten. Tun sie es nicht, wird der deutsche Fußball für immer ein anderer sein.



Der demonstrative Schulterschluss von Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge mit Hopp und gegen die Chaoten, die den 79-jährigen Mäzen der Hoffenheimer wie schon in Gladbach in der Vorwoche mit übelsten Schmähungen überzogen, ehrt die Münchner, denn ihre entschlossene Geste und der faktische Abbruch des Spiels 13 Minuten vor dem Ende ist ein starkes Zeichen in die Fanblöcke.
Das wahre Problem ist der schleichende Tod von Vernunft und Aufrichtigkeit
Wird das reichen? Nein, natürlich nicht. Was in Sinsheim passierte, sei ein "schwarzer Tag für den Fußball", sagte Rummenigge. Es müsse Schluss sein mit den Anfeindungen, es brauche eine gemeinsame Aktion von DFL und DFB. Also Vorhang auf für den ligaweiten Aktionstag 'Bundesliga pro Dietmar Hopp'? Das kann man machen. Es verschleiert aber das echte Problem, das nicht nur den Fußball beherrscht und tatsächlich weit über die Person Dietmar Hopp hinaus geht: nämlich den schleichenden Tod der Vernunft, der Aufrichtigkeit, der Menschlichkeit gegenüber anderen.
Hopp ist nur ein Zahnrädchen im Getriebe der Verrohung, die sich in den Fanblöcken genauso Bahn bricht wie in unserer Gesellschaft. Längst wird laut gesagt, was früher verschämt gedacht wurde. Es scheint im Trend zu liegen, Hass gegen andere ohne Rücksicht auf Verluste in die Welt zu kübeln. Völlig egal, ob digital oder in der Anonymität des Fanblocks, ob diese Person nur zufällig andere Vorstellungen von der Ausgestaltung eines Fußballvereins hat oder aber anders aussieht, lebt, denkt oder liebt.
Schmähungen gegen Hopp: Hoffenheim und Bayern stellen das Fußballspielen ein
Die wahre Frage: Wie wollen wir als Gesellschaft miteinander leben?
Die große Frage ist: wie wollen wir als Gesellschaft miteinander leben? Es braucht ein knallhartes, ein unerbittliches Durchgreifen gegen alle Formen von Diskriminierung, Sexismus, Homophobie und Rassismus in den Stadien und außerhalb. Es ist unerlässlich, dass dieses Aufstehen gegen Hass und Hetze aus der Zivilgesellschaft und den Fanblöcken selbst kommt und NICHT von Institutionen ausgeht, wie Rummenigge es fordert. Dass das nicht funktioniert, zeigt die UEFA-Kampagne „No To Racism“, die dem Rassismus, der in Europas Stadien grassiert, in keiner Weise Einhalt gebieten kann.
Damit wir uns einig sind: Die Ansichten Dietmar Hopps oder das Konstrukt TSG Hoffenheim müssen einem nicht gefallen und er hat anders als viele andere Opfer von Diskriminierung das Glück, aktuell mächtige Verbündete zu haben. Dennoch ist es die oberste Pflicht aller, mit ganzer Kraft dafür einzustehen, dass auch dieser Mann so leben und wirken darf, wie er es für richtig hält – und zwar ganz ohne Beschimpfungen. Das nennt sich Toleranz - und gilt ausnahmslos für alle Menschen, die in diesem Land leben. Also auch für Dietmar Hopp.
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