Mit gleich drei Kapitänen startete der deutsche Rennstall Bora-hansgrohe am gestrigen Freitag in die 105. Ausgabe des Giro d’Italia. Mindestens einer der drei Protagonisten soll am 29. Mai in der Arena von Verona auch auf dem Podium stehen. Für die Raublinger Radsportler wäre dies ein Novum. Alle drei Podiumsaspiranten, der Ravensburger Emanuel Buchmann, der Niederländer Wilco Kelderman und der Australier Jai Hindley, gehen allerdings lädiert ins Rennen.
"Ich fühle mich jetzt gut, aber nicht ganz so fit, wie ich es mir gewünscht hätte“, sagte Buchmann vor dem Start der Rundfahrt gegenüber dem SPORTBUZZER, dem Sportportal des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND). Nach der Baskenland-Rundfahrt Anfang April, bei der er auf der letzten Etappe ausgestiegen war, musste Buchmann erst eine Krankheit auskurieren. "Bis dahin war ich auf einem ganz guten Weg. Auch die Vorbereitung hat super geklappt. Dann aber mussten wir das ganze Höhentrainingslager um eine Woche verschieben", sagte der 29-Jährige.
Zahlreiche Ausfälle bei Bora
Bei seinen Kapitänskollegen sieht es kaum anders aus. Kelderman stürzte beim Klassiker Lüttich – Bastogne – Lüttich und spürt die Folgen noch im Knie. Hindley zog sich eine Infektion zu. Überhaupt war das Frühjahr für Bora von zahlreichen Ausfällen gezeichnet. 19 von 30 Fahrern waren zeitweise angeschlagen. Nur noch im "Flickmodus“ sah sich Teamchef Ralph Denk. "Man schickt nur noch die Rennfahrer von einem Rennen ins andere. Und das bedeutet, da ist auch kein wirklicher Formaufbau mehr. Die gesunden Rennfahrer sind nicht mehr regeneriert, weil sie mehr Rennen fahren als ursprünglich geplant“, sagte Denk dem SPORTBUZZER.
Inzwischen ist jedoch wieder Licht am Horizont. Die Neuzugänge Alexander Wlassow und Sergio Higuita holten Siege bei kleineren Rundfahrten. Und auch die drei nominellen Giro-Kapitäne fühlen sich trotz aller Rückschläge einsatzfähig. Im Bora-Teambus am Startort Budapest herrscht so etwas wie eine "Rocky"-Stimmung: Die Helden sind angeschlagen, aber umso mehr zu Großtaten aus der Rolle des Underdogs heraus bereit.
Ihre Aufgabe dabei ist komplex. Denn von der individuellen Leistungsfähigkeit her sind die drei Bora-Fahrer als schwächer einzuschätzen als die Topfavoriten Richard Carapaz und Simon Yates. Der Ecuadorianer gewann den Giro 2019 und kann sich auf die Feuerkraft des wieder erstarkten Ineos-Rennstalls verlassen. Yates weiß ebenfalls, wie Rundfahrtsiege gehen. Er gewann die Vuelta a España 2018. Und auch der Kolumbianer Miguel Ángel López (Astana), Dritter bei Giro und Vuelta, wirkt in den Bergen kompakter und explosiver als jeder einzelne der Bora-Kapitäne. Nur in exzellenter Zusammenarbeit lässt sich dies kompensieren.
Keine internen Hahnenkämpfe
Lennard Kämna, der wichtigste Berghelfer der drei Chefs und selbst ein aufstrebendes Rundfahrttalent, sieht die Voraussetzungen dafür gegeben. "Es ist von Vorteil, wenn man drei Fahrer hat, die alle vorn mitfahren können“, sagte er. Kämna erwartet einen "positiven Konkurrenzkampf der drei, in dem sie sich gegenseitig pushen“. Die Gefahr von internen Hahnenkämpfen sieht er nicht.
Die Italien-Rundfahrt gilt somit als Prüfstein, inwieweit der Umbau des Rennstalls zu einer Rundfahrertruppe schon gelungen ist. Nach der Trennung vom dreimaligen Weltmeister Peter Sagan fand diese Neuausrichtung statt. Dafür wurden Rundfahrttalente wie Wlassow und Higuita, aber auch Giro-Co-Kapitän Hindley verpflichtet. Trotz aller Rückschläge im Frühjahr wird nun ein Podiumsplatz bei der zweitwichtigsten großen Rundfahrt angepeilt. Nur große Ziele machen auch große Sportler.
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