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Die Fußballer des Dresdner SC sind in diesen Tagen nicht zu beneiden. Der Tabellenneunte der Landesklasse Ost (7. Liga) muss derzeit nicht nur mit der coronabedingten Unterbrechung des Spielbetriebes klarkommen, sondern sich für die nächsten zwei Jahre auch auf große Kraftanstrengungen durch den Wegfall seiner Spielstätte einstellen. Das 1919 eingeweihte Heinz-Steyer-Stadion wird bis auf die bereits modernisierte Nordtribüne für 37,3 Millionen Euro komplett neu errichtet. Am 26. Oktober begann der Abriss. Inzwischen ist von der einst so markanten Südtribüne – besser bekannt als Steintribüne – nur noch ein Schutthaufen übrig. Dort befanden sich unter den Sitzplätzen, von denen die Fans schon 1943 und 1944 dem damaligen Deutschen Meister zugejubelt hatten, die Kabinen, das Casino und die Geschäftsstelle der Rot-Schwarzen.
Gemischte Gefühle
Marcus Zillich, der Abteilungsleiter der DSC-Fußballer, geht jedes Mal mit gemischten Gefühlen an der Baustelle vorbei. „Ich habe da ein weinendes Auge, weil ich selbst viele schöne Spiele im alten Steyer-Stadion mit Zuschauern erleben durfte. Man hat die Steintribüne lieben und schätzen gelernt. Als Spieler habe ich mich selbst früher dort immer umgezogen. Aber wenn ich an die jungen Spieler von heute denke, denen die Tradition nicht so bewusst ist, freue ich mich für sie, dass sie ihre Heimspiele bald in einer modernen Arena austragen können.“

Bis es soweit ist, müssen die DSC-Fußballer improvisieren. Zwar haben sie zwei Kellerräume für die 1. Männermannschaft sowie als Ausweich-Spielstätte Platz 21 im Sportpark Ostra zugeteilt bekommen, doch das nicht unproblematisch. „Die Unterbringung ist beengt, aber okay“, sagt Zillich, „auf Platz 21 wird es aber schwer, Einnahmen zu erzielen.“
Ins zugige Ostragehege kamen in den zwei Spielen, die nach dem Abschied vom alten Stadion und vor der Corona-Pause dort noch stattfinden konnten, kaum Fans. Ein Bierwagen ist auch nur ein Notbehelf gegenüber dem ehemaligen Casino: „Drei Viertel der Umsätze durch Catering und Zuschauereinnahmen werden verschwinden“, schätzt Zillich. Wie will er das auffangen? „Das werden wir nach Corona sehen, aber das werden wir wohl über unsere Sponsoren, unsere Mitglieder ausgleichen müssen.“
Zillich hofft, dass im Frühjahr wenigstens wieder gespielt werden kann: „Meine Hoffnung ist, dass wir ab Ende Februar überhaupt wieder planen können, es vielleicht im April losgeht.“ Er wünscht sich, dass der Sächsische Fußball-Verband (SFV) das Saisonende vom 30. Juni auf den 31. Juli verlegt: „Dann hätte man im Sommer vier Wochen gewonnen. Hauptsache, die Saison kann zu Ende gespielt werden und man hat nicht wieder Ligen übrig, wo keiner auf- und absteigt. Das wäre die schlechteste Option.“



Kommt eine Helmut-Schön-Tribüne?
Für die fernere Zukunft, wenn seine Jungs neben den DSC-Leichtathleten ins neue Steyer-Stadion (5000 überdachte Plätze, mit mobilen Tribünen bei Großereignissen auf 15.000 erweiterbar) einziehen und neben den Footballern der Dresden Monarchs dort auch ihre Heimspiele austragen können, hat Zillich auch einen Wunsch in Sachen Traditionspflege: „Wir müssen es schaffen, die am Umbau Beteiligten zu überzeugen, dass wir wenigstens eine Helmut-Schön-Tribüne hinbekommen.“
Das Vereinsidol, das als Bundestrainer die DFB-Elf 1974 zum Weltmeistertitel führte, hätte die Ehrung zweifellos verdient. Allerdings sorgten im alten Steyer-Stadion, das vor dem 2. Weltkrieg vier Länderspiele der DFB-Elf und danach auch noch vier der DDR-Auswahl erlebte, das erste Europacup-Spiel von Dynamo, Friedensfahrt-Ankünfte und viele internationale Leichtathletik-Wettkämpfe sah, auch andere Sport-Legenden für Aufsehen: So liefen hier in den Siebzigern unter anderem Renate Stecher und Marlies Göhr Weltrekorde, warf Ruth Fuchs den Speer auf Weltbestweite oder sprang Heike Drechsler 1986 bis dato unerreichte 7,45 Meter weit.
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