25. März 2022 / 14:00 Uhr

"Ein trauriger Tag für die 3. Liga": Der Rückzug von Türkgücü München sorgt für Aufregung

"Ein trauriger Tag für die 3. Liga": Der Rückzug von Türkgücü München sorgt für Aufregung

Tobias Gutsche
Märkische Allgemeine Zeitung
Türkgücü München muss weiter um den Verbleib in der 3. Liga bangen. 
Anhaltende Finanzprobleme zwingen Türkgücü München zu einem radikalen Schritt. © IMAGO/Ulrich Wagner
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3. Liga: Türkgücü München muss wegen Finanzproblemen noch während der Saison aufgeben. Es ist ein Novum im deutschen Profi-Fußball, das die Tabelle verschiebt und Kritik hervorruft.

Die Träume und Ambitionen wuchsen in Richtung Himmel. Hinter dem FC Bayern wollte Türkgücü zweitstärkste Fußballkraft in München werden, die 2. Bundesliga war das Ziel. Nun fällt der Verein stattdessen ins Bodenlose. Am Donnerstag wurde mitgeteilt, dass der Drittligist, der bereits im Januar Insolvenz angemeldet hatte, den laufenden Spielbetrieb am Ende dieses Monats einstellen muss. Dies ist ein Novum im deutschen Profifußball.

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Wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mitteilte, ist der in den vergangenen Wochen ausgesprochene Elf-Punkte-Abzug für den bayerischen Club nun irrelevant. Stattdessen wird das Team als Zwangsabsteiger komplett aus der Wertung genommen, alle von ihm absolvierten Spiele annulliert, weil der Ausstieg vor den letzten fünf Meisterschaftsspielen erfolgt. Dadurch ändert sich das Tabellenbild nach den bisher 31 von 38 Spieltagen.

Tabelle Vor und NAch Türkgücü-Aus
Die Tabelle verschiebt sich durch den Wegfall von Türkgücü München. © Sportbuzzer

Der FC Viktoria 1889 Berlin zum Beispiel, der sich in seinem einzigen Saisonduell mit Türkgücü 0:0 von dem Kontrahenten getrennt hatte, rückte vor auf Platz 16, den ersten Nichtabstiegsplatz. An der Spitze wiederum fällt der 1. FC Saarbrücken vom dritten auf den vierten Platz zurück, weil ihm sechs Punkte verloren gehen, während der 1. FC Kaiserslautern und Eintracht Braunschweig jeweils bisher nur einmal gegen die Münchner dran waren und gewannen. Die Saarländer kündigten an, dass sie juristisch gegen diese Wertung vorgehen wollen. „Wir sind der Auffassung, dass dies zu einem so späten Zeitpunkt der Saison nicht mehr tragbar ist“, sagte Pressesprecher Peter Müller. Es stelle sich auch die Frage der Aufsichtspflicht des DFB, da die Probleme von Türkgücu schon lange bekannt gewesen seien.

Fall soll in dieser Liga "einzigartig bleiben"

Manuel Hartmann, Geschäftsführer Spielbetrieb der für die 3. Liga zuständigen DFB GmbH & Co. KG, sprach von einem „traurigen Tag für die 3. Liga“. Den größten Schaden hätten natürlich Türkgücü München und seine betroffenen Mitarbeitenden. „Gleichzeitig ist es für die gesamte Liga und den Wettbewerb negativ, wenn ein Klub während der Saison ausscheidet“, sagte Hartmann. „Ziel muss sein, dass dieser Fall in der 3. Liga einmalig bleibt. Mit den Maßnahmen aus der Task Force ‚Wirtschaftliche Stabilität 3. Liga’, die in den kommenden beiden Jahren greifen, ist bereits ein wichtiger Schritt für die Zukunft gemacht.“ Gemeint sind strengere Vorgaben in puncto Eigenkapital und Financial Fair Play, was in positiven Fällen auch mit Bonuszahlungen belohnt wird. Zugleich wurde die Mindestanforderungen an Zuschauerplätzen in den Stadien von 10 001 auf 5001 gesenkt, auch beim Thema Rasenheizung gibt es Zugeständnisse.

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Die 2008 als weitere deutsche Profifußball-Spielklasse gegründete 3. Liga gilt seit jeher als finanzielles Sorgenkind. Die Anforderungen – strukturell wie sportlich – sind hoch, die Ausgaben entsprechend groß, aber die Einnahmen im Vergleich zu den Bundesligen mit ihren üppig gefüllten Fernsehgeldtöpfen klein. „In ihrer derzeitigen Form produzieren wir in der 3. Liga quasi sehenden Auges Sozialfälle. Das beginnt bei den Spielern und geht weiter zu den Vereinen, von denen viele ja ständig mit einem Bein in der Insolvenz stehen“, hatte Andreas Rettig, Geschäftsführer von Viktoria Köln, einmal dem WDR gesagt.

Vorige Saison ging der KFC Uerdingen bankrott, zog aber mit Neun-Punkte-Abzug bis zum Ende durch. Im Sommer 2020 hatte Kaiserslautern Insolvenz angemeldet – strategisch zu einem guten Zeitpunkt, weil der DFB damals aufgrund der Corona-Krise das Mittel des Punktabzugs ausgesetzt hatte.

Ostdeutsche Klubs hadern mit dem Wegfall Türkgücü´s

Nun ging Türkgücü – zu Deutsch: türkische Kraft – eben jene Kraft aus. 2020 waren die Münchner in die 3. Liga aufgestiegen, beendeten ihre Premierensaison auf Platz 13. Die Mannschaft, teils mit erfahrenen Bundesliga-Kickern verstärkt – spielte seine Heimpartien im völlig überdimensionierten Olympiastadion. Getragen wurde das Projekt von Investor Hasan Kivran, zugleich Vereinspräsident. Nach seinem Einstieg 2015 folgte der rasante Aufstieg von der Landesliga empor. Doch jetzt drehte Kivran den Geldhahn zu. „Die zu erwartenden Einnahmen aus dem Spielbetrieb bis Saisonende können die laufenden Kosten bei weitem nicht decken. Trotz intensiver Bemühungen konnte leider kein neuer Investor gefunden werden“, teilte Geschäftsführer Max Kothny mit.

Das Aufgeben von Türkgücü sorgt für viel Kritik. André Meyer nennt es eine „Vollkatastrophe“. Sein Hallescher FC hat jetzt nur noch sechs Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone. Zudem verwies der HFC-Trainer auf eine Ungerechtigkeit hinsichtlich Gelber Karten, die Mannschaften in Spielen gegen Türkgücü bekamen und in der Folge zu Sperren führten. Andere Teams hätten diesen Nachteil auf der Zielgerade der Saison nicht. Coach Christian Titz vom unverändert souveränen Tabellenführer 1. FC Magdeburg mahnte bessere Mechanismen im Zulassungsverfahren an. „Bevor es in die Prüfung vor der Saison geht, muss es klar sein, dass ein Verein die Lizenz nur bekommen kann, wenn er auch wirklich nachweisen kann, dass er die Saison gesichert hat“, sagte Titz dem MDR. Sportdirektor Toni Wachsmuth vom FSV Zwickau hadert auch mit den fehlenden Einnahmen die durch den Wegfall eines Heimspiels entstehen.

Auch Kaiserslautern verliert sein Heimspiel gegen Türkgücü. Es hätte am letzten Spieltag stattgefunden. Damit kann es sein, dass die Pfälzer vor dem Fernseher bangen müssen, ob es im Aufstiegsrennen für sie reicht.

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