Stolz blickt Dieter Schwulera hoch auf das übergroße Foto an der Rückwand des Vereinsheims. Es füllt nahezu die gesamte Fläche zwischen Tresen und Fensterpanorama. Zu sehen sind Jungen und Mädchen aus den unterschiedlichsten Teilen dieser Welt. Sie strahlen, sie lachen, sie wirken rundum glücklich. Dieses Foto ist einst auf der Anlage des SV Borussia Hannover entstanden und dokumentiert wohl wie kein anderes Relikt der Vergangenheit den Wandel des kleinen Vereins in Vahrenheide.

Vom Arbeiterverein zum Multikulti-Sportklub
In dem nördlichen Stadtbereich leben und treiben etliche Nationen Sport. Ein lokaler Brennpunkt, sicher. Aber auch ein Hotspot, der beweist, wie gut Integrationsarbeit in einem Verein funktionieren kann. Mehr noch. Borussia Hannover taugt als Musterbeispiel für die Wandlung eines Arbeitervereins von einst hin zum Multikulti-Sportklub, der seine gesellschaftliche Verantwortung annimmt und in dem Quartier wichtige Bildungs- und Präventionsarbeit leistet.
Dieter Schwulera steht seit 17 Jahren dem 400 Mitglieder-Klub vor. Sein Herz hängt schon viel länger an der Borussia. 125 stolze Jahre wird der Verein im Dreieck von Vahrenwalder Straße, Vahrenheide und dem Mittellandkanal alt. Der größte sportliche Erfolg liegt bereits lange zurück. Damals, 1961, stieg die erste Mannschaft in die Amateur-Oberliga auf. Ein historischer Moment. 7000 Hannoveraner quetschten sich auf die schmalen Tribünen des A-Platzes, als es gegen den ruhmreichen SV Arminia um die Fußballmacht in Hannover ging.
Schwulera hofft auf baldigen Aufstieg in die Bezirksliga
Aktuell hofft Schwulera auf einen möglichst baldigen Aufstieg der ersten Herren in die Bezirksliga. Die sportlichen Ansprüche sind geschrumpft, die Tribüne von damals allerdings steht noch, verwildert, verwittert und hier und da mit einem Loch. Sie gibt der Anlage einen gewissen Amateurcharme. Die Aufgaben damals waren andere als die heute, sagt Schwulera. „Vereinsleben? Vereinskultur? Das hatte einen ganz anderen Stellenwert“, sagt der Borussia-Chef. Er sagt das ohne große Wehmut. Er will nicht jammern, hakt diese Entwicklung als Generationenfrage ab.
Sorgen bereitet ihm mehr die Suche nach aktiven Ehrenamtlichen, die die Borussen-Kultur weiterführen, neue Ideen entwickeln und umsetzen. „Wo stehen wir mit der Borussia im Jahr 2030?“, fragt Schwulera bewusst zugespitzt. An Funktionäre, die jünger als 40 Jahre sind, glaubt er längst nicht mehr. Die alten Recken führen den Klub. Und es gestaltet sich zunehmend als kleines Abenteuer, den Verein über Wasser zu halten. Ausgerechnet im 125. Jahr des Bestehens.



"Wir können unsere Zukunft selber gestalten"
Das Borussia-Team scheut keine Arbeit: AG-Projekte mit der benachbarten Fridtjof-Nansen-Grundschule Schule, Neuaufbau von Mädchen-Fußballteams, Sozialarbeit mit Jugendlichen – „Wir können unsere Zukunft selber gestalten“, sagt Schwulera. „Im Moment dümpeln wir einfach nur Jahr für Jahr weiter herum.“ Was ihm fehlt? Unterstützung der Stadt, vor allem im Hinblick auf Entlastungsleistungen. Vereine, so drückt es der Vorsitzende aus, würden nicht genug gefördert. Mehr noch: Der Finanzdruck, der auf jedem einzelnen Klub laste, nehme stetig zu.
Es braucht Perspektiven, Visionen und zukunftsfähige Modelle
Eine individuelle Lösung erkennt der Funktionär in Zusammenschlüssen. Tor an Tor wohnt der SV Borussia mit TuS Vahrenwald zusammen. In vielen Projekten, zum Beispiel der Anschaffung von Rasenmähern, arbeiten die Klubs zusammen. Eine Fusion allerdings kommt über den Planungsstand der Vorstände nicht hinaus. „Es muss etwas geschehen“, mahnt Schwulera an. Es braucht Perspektiven, Visionen, zukunftsfähige Modelle. Ansonsten wird der SV Borussia die nächsten 125 Jahre wohl nicht mehr bestehen.