16. November 2020 / 11:55 Uhr

Elf Jahre alt und schon Deutscher Meister: Franz Stolle hat die Konkurrenz im Griff

Elf Jahre alt und schon Deutscher Meister: Franz Stolle hat die Konkurrenz im Griff

Johannes David
Leipziger Volkszeitung
Abgehoben: Bis zu 15 Meter weit und 2,50 Meter hoch springt Franz Stolle während der Rennen mit seinem Quad.
Abgehoben: Bis zu 15 Meter weit und 2,50 Meter hoch springt Franz Stolle während der Rennen mit seinem Quad. © privat
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Der Glauchaer Franz Stolle ist gerade mal elf Jahre alt und bereits Deutscher Meister in einer sehr vielseitigen Disziplin, die ein Nischendasein fristet. Die eigene Strecke in Hohenprießnitz ist nach Behördenauflagen wieder planiert.

Glaucha. Exakt 276 Einwohner zählt das beschauliche Örtchen Glaucha. Mehr braucht es auch nicht, um groß auf sich aufmerksam zu machen. Schließlich ragt einer der 276 Glauchaer unter den gut 80 Millionen Bundesbürgern heraus. Franz Stolle ist Deutscher Meister – und das mit gerade einmal elf Jahren. Im Quad-Cross-Country seiner Altersklasse beherrscht landesweit niemand die vierrädrige Geländemaschine so gut wie er.

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Und das Gefährt zu beherrschen, steht über allem. Der Erfolg kommt fast schon wie ein netter Nebeneffekt daher, wenn Marco Stolle über seinen Sohn erzählt. „Ich würde es ihm nicht erlauben, wenn er wie ein Ochse wäre und sich ständig überschlagen würde. Manche übertreiben es, aber Franz fährt mit Köpfchen. Die Kurse sind so ausgelegt, dass es auf die Geschicklichkeit ankommt. Es wird Wert aufs Fahrerische gelegt.“

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In der Klasse Youngster 1 hat Franz 250 Kubikzentimeter Hubraum und 28 PS unterm Hintern, damit sind bis zu 80 km/h drin. Doch die Höchstgeschwindigkeit erreichen die Maschinen während der Rennen eher selten, weil die Strecken extrem kurvig und mit vielen Sprunghügeln versehen sind. Dort segelt Franz mit seinem Quad schon mal 15 Meter durch die Luft.

Quad im Neuwert von 10.000 Euro

Und oft flog und fuhr seine Konkurrenz in dieser Saison nur hinterher. In sechs Rennen feierte der junge Glauchaer drei Siege und landete dreimal auf Platz zwei. Dennoch war die Entscheidung im Titelkampf durchaus knapp. Am Ende blieben ihm sechs Punkte Vorsprung. So lohnten sich die Wochen-end-Ausflüge nach Steinitz, Gröningen oder sogar Olszyna, kurz hinter der polnischen Grenze.

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Gewohntes Bild: Franz Stolle steht während der Siegerehrung ganz oben auf dem Podest.
Gewohntes Bild: Franz Stolle steht während der Siegerehrung ganz oben auf dem Podest. © privat

Die Anfahrtswege von bis zu 250 Kilometer und Übernachtungen (geschlafen wird im eigenen Wohnmobil) stehen auf der Preisliste aber nicht ganz oben. Dort zu finden ist eher das Quad selbst, das einen Neuwert von 10.000 Euro hat. Vor und nach den Rennen steht das Gefährt praktisch ständig in der heimischen Werkstatt. Dort schraubt Papa Marco, wechselt Spurstangenköpfe, Lenkungsteile, schweißt auch schon mal den Rahmen und zerlegt im Winter den Motor einmal komplett, um Zylinder und Kolben zu erneuern. „Wenn wir das alles in einer Werkstatt machen lassen würden, würde es eng werden“, sagt Marco Stolle und vergleicht den finanziellen Aufwand des Hobbys mit Reitsport.

Pro Woche trainiert Franz ein- bis zweimal etwa drei Stunden mit dem Quad, außerdem stehen mehrfach Konditions- und Krafteinheiten auf dem Programm. „Da bin ich hinterher, sonst passieren Unfälle, weil die Ausdauer fehlt“, erzählt Marco Stolle. Immerhin besteht ein Renntag aus zwei Wertungsläufen, die jeweils 30 Minuten dauern. Dazwischen liegt eine etwa einstündige Pause. Kaum Zeit also, um sich zu regenerieren.

Training mit Sandy Schulze absolviert

Zeit braucht es natürlich, um überhaupt so weit zu kommen. Bereits mit vier Jahren saß Franz zum ersten Mal auf einem Quad. Spätestens als er zum ersten Mal über eine Crossstrecke zischte, war er für den Sport entflammt. Also begann Vater Marco gemeinsam mit anderen PS-Begeisterten im benachbarten Hohenprießnitz eine Piste für die Minis anzulegen, karrte etwa 100 Tonnen Lehm für Steilkurven und Hügel zum einstigen Sportplatz. Doch die Freude war nur von kurzer Dauer. „Dann kamen Anträge und Behördengänge. Plötzlich brauchte ich einen Landschaftsgestalter und ein Gutachten vom Architekten. 15 000 Euro hätte das gekostet. Ich habe das irgendwann aufgegeben und die Strecke wieder plan gemacht. Das ist, als würdest du ein Atommüllendlager bauen wollen“, ärgert sich Marco Stolle.

Motorsportler Franz Stolle mit seinem Vater Marco.
Vater Marco Stolle ist sehr stolz auf seinen Sohn Franz. © privat

Inzwischen ist sein Filius der kleinen Strecke ohnehin entwachsen und trainiert lieber auf echten Rennstrecken in der Nähe, etwa in Neiden, Bitterfeld oder Roitzsch. Auch Ausflüge in andere Gefilde unternimmt das Vater-Sohn-Gespann, ließ sich zum Beispiel unlängst beim Stoppelcross in Striesen blicken. Ein Training mit Sandy Schulze aus dem deutschen Nationalteam hat Franz ebenfalls schon absolviert.

„Wir wollen Abwechslung reinbringen. Es soll Spaß machen. Das ist kein Sport, mit dem du Geld verdienst. Es sei denn, irgendwann steht Red Bull auf deiner Mütze“, spielt Marco Stolle auf große Sponsorenverträge an. Die liegen hierzulande eher fern. „In Deutschland sind wir ein Nischensport.“ Insofern ruft bei Familie Stolle niemand weltumspannende Ziele aus, sondern bleibt geerdet.

Schwester Fiona will in Quad-Serie einsteigen

Und zwar im wahrsten Sinn des Wortes. Denn nach dem Rennwochenende verwandelt sich das rasende Tandem in eine Putz- und Reparaturkolonne. Quad und Wohnmobil werden gewienert, ehe sich beide in die Werkstatt zurückziehen. „Franz schraubt auch schon selber. Wenn er nicht mehr weiter weiß, hilft Papa“, erzählt der Senior.


Und am motorsportfreien Sonntag kommt dann der Rest der Familie auf seine Kosten. Apropos: Gut möglich, dass Franz nicht der einzige Deutsche Meister aus dem Hause Stolle bleibt. Schwester Fiona, 8, will nächstes Jahr in die Quad-Serie einsteigen ...

Franz Stolle und seine Schwester Fiona posieren auf ihren Quads.
Franz Stolle und seine Schwester Fiona posieren auf ihren Quads. © privat

Dachverband: DMV (Deutscher-Motorsport-Verband)

Veranstalter: Endurance-Masters: Internationale Deutsche DMV-Cross-Country Meisterschaft Quad

Klassen: Kids: Viertakt bis 110 ccm, 6 bis 9 Jahre; Kids Zweitakt bis 90 ccm, 6 bis 9 Jahre; Youngster 1: Viertakt bis 300 ccm 10 bis 12 Jahre; Youngster 2: Vierttakt bis 300 ccm, 12 bis 14 ; Rookie keine Hubraumbeschränkung, 14 bis 17 Jahre.

Fahrzeit: 2x30 Minuten pro Renntag (etwa eine Stunde Pause zwischen den Rennen).

Strecken 2020: Steinitz, Reetz, Gröningen, Marisfeld, Boxberg, Olszyna (Polen). Saison wegen der Corona-Pandemie verkürzt, ursprünglich waren acht Rennen geplant.

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