Paul Drux schaute ins Leere. Bundestrainer Alfred Gislason schnappte sich den Statistik-Boden und stampfte enttäuscht davon. Deutschlands Handballer haben bei der EM auch das zweite Hauptrundenspiel verloren – 23:28 (12:14) gegen Norwegen. Um das Halbfinale doch noch zu erreichen, müssen am Sonntag gegen Schweden (18 Uhr, ARD) und am Dienstag gegen Russland (18 Uhr, ZDF) zwei Siege her. Fremde Schützenhilfe braucht es auch noch.
"Pech war das nicht", befand Gislason, "Norwegen war besser, hat weniger Fehler gemacht. Sie sind sehr eingespielt. Ich bin trotzdem stolz auf meine Jungs. Wir wussten, dass alles klappen muss. Das war aber nicht so." Johannes Bitter sagte: "Norwegen hat eine phänomenale Mannschaft. Wir haben dabei ihre erste Reihe geknackt, doch aus der zweiten machen Leute Tore, die wir nicht auf dem Zettel hatten. Und dann wird es mit unser zusammengewürfelten Truppe schwer. Doch wir haben besser gespielt."
DHB-Sportvorstand Axel Kromer: "Dem Angriff fehlte es an Präzision"
Norwegen kehrte von drei der vergangenen fünf Turniere mit einer Medaille zurück. Das hat vor allem mit einem Namen zu tun: Sander Sagosen, der Superstar vom THW Kiel. Sein Spiel ist die Unberechenbarkeit. Er ist Torschütze und Regisseur, die entscheidende Figur im Team. Beim Klassentreffen in Bratislava – sieben Norweger verdienen in der Bundesliga ihre Brötchen – waren es aber die Deutschen, die zunächst das Tempo vorgaben. Philipp Weber, der gegen Spanien einen rabenschwarzen Tag erwischt hatte, setzte die ersten Glanzlichter. Lukas Zerbe war bei zwei Tempogegenstößen nicht zu stoppen. Das Angriffsspiel – beweglich, in die Tiefe gehend. Dazu eine agile Abwehr, die Sagosen an die Kette legte, und dahinter ein überragender Bitter im Tor, der bis zur Pause bereits neun Paraden auf der Habenseite hatte. Der Norwegen-Express wurde auf Schleichfahrt heruntergebremst (6:5/14. Minute).
"Doch dann kamen wieder unnötige Fehler, vier Anspiele an den Kreis, die sofort mit Tempogegenstößen bestraft wurden. Dem Angriff fehlte es an Präzision", bemängelte DHB-Sportvorstand Axel Kromer und forderte: "Wir müssen mehr über die Außen kommen." Die gute Botschaft: Deutschland lag zur Pause nur mit zwei zurück (12:14).
Norwegen hatte im Gegensatz zu Deutschland eine normale Spielvorbereitung
Zu jedem Spiel bei dieser EM gehört aber auch das Dauer-Thema Corona. Null Fälle. Wovon Deutschlands Handballer nur träumen können, ist bei Norwegen Realität. Eine normale Spielvorbereitung inbegriffen. Von normal sind Johannes Golla und Co. weit entfernt. Die elf Infizierten sind immer noch in ihren Zimmern isoliert, dazu zählt weiterhin Julius Kühn. Sein Testergebnis war wieder positiv. Der Rest negativ – zum zweiten Mal. Doch die Spieler sahen sich geschlossen erst zur Spielabfahrt. Essen aufs Zimmer holen, Zeitvertreib mit Netflix und Co., dazu digitale Besprechung – das ist die deutsche Realität.
Norwegen kam mit mehr Schwung aus der Pause, spielte effizienter, konsequenter, fand auch in der Abwehr den Zugriff. Dem deutschen Angriff fehlte es ob der schmerzhaften Gegenwehr an Durchschlagskraft (14:18/37.). Wieder in Schlagdistanz waren es dann Kleinigkeiten, die nicht passten. Mal ein finaler Pass, der nicht ankam. Dann ein zu früher Wurf. Auch, zwei, drei Pfiffe der Schiris. Die keineswegs überragenden Norweger, die nicht in Sagosen, sondern dem Rückraumlinken Erik Toft (7 Treffer) ihren besten Mann hatten, zogen so davon. Kurs Halbfinale.
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