08. April 2021 / 14:32 Uhr

Ex-Hanseat "Achim" Streich: Ich wusste, dass ich der Beste bin

Ex-Hanseat "Achim" Streich: Ich wusste, dass ich der Beste bin

Christian Lüsch
Ostsee-Zeitung
Wird am Wochenende vor dem Fernseher verfolgen, wie das Duell seiner beiden früheren Vereine Hansa und Magdeburg endet: Joachim Streich, hier bei einem Besuch im Rostocker Ostseestadion im Februar 2018. Kommenden Dienstag wird er 70.
Wird am Wochenende vor dem Fernseher verfolgen, wie das Duell seiner beiden früheren Vereine Hansa und Magdeburg endet: Joachim Streich, hier bei einem Besuch im Rostocker Ostseestadion im Februar 2018. Kommenden Dienstag wird er 70. © Söllner Frank
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55 Tore in 102 Länderspielen für die DDR und 229 Treffer in 378 Oberliga-Partien stehen für Joachim Streich zu Buche. Der Platz in den Geschichtsbüchern ist dem Stürmer aus Wismar, der bei Hansa und in Magdeburg spielte und dessen Herz für beide Klubs schlägt, nicht zu nehmen. Am Dienstag wird der einstige Weltklasse-Spieler 70 Jahre alt.

Die große Party an seinem 70. Geburtstag in der alten Heimat muss Joachim Streich verschieben. „Wir wollten ganz in Familie in einem Hotel in Kühlungsborn feiern. Aber das ist aufgrund der Corona-Pandemie nun leider hinfällig“, erzählt der aus Wismar stammende Fußball- DDR-Rekordnationalspieler und -torschütze. „Jetzt werden wir den Geburtstag wohl oder übel zu Hause in Möckern verbringen. Aber wenn es wieder erlaubt ist, holen wir die Feier nach.“

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Obwohl für Streich schon während seiner aktiven Zeit als Spieler nicht immer alles nach Plan lief, gehörte der zweimalige DDR-Fußballer des Jahres (1979, 1983) seinerzeit zu den weltbesten Stürmern. „Ich hatte Talent, musste mir aber vieles hart erarbeiten“, erinnert sich Streich. In 102 Auswahlspielen traf er 55 Mal, dazu schoss er in 378 Oberligapartien 229 Tore – Rekorde für die Ewigkeit.

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Trotz dieser beeindruckenden Zahlen stand Streich während seiner Karriere oft in der Kritik. „Der damalige ‚FuWo‘-Chefredakteur Klaus Schlegel hat mich oft herausgepickt und mich für meine aus seiner Sicht mangelhafte Laufleistung und Spielweise kritisiert. Jürgen Croy wollte mich danach moralisch immer aufbauen. Da habe ich ihm gesagt: ‚Jürgen, du musst mich nicht aufrichten. Ich weiß, dass ich hier der Beste bin.‘“

Begonnen hatte Streichs erfolgreiche Karriere bei der BSG Aufbau Wismar, wo er von Anfang an nur eine Richtung kannte: das gegnerische Tor. 1967 wechselte er als 16-Jähriger zum FC Hansa Rostock. Dort reifte er zum Nationalspieler, als 18-Jähriger absolvierte er sein erstes A-Länderspiel. Auch privat fand er an der Ostsee sein Glück. 1970 lernte er in Wismar seine Marita kennen, ein Jahr später folgte die Hochzeit. „Wir sind seitdem sehr glücklich verheiratet“, sagt Streich.

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Dies waren die offiziellen Hansa-Kapitäne seit Sommer 2000:

Peter Wibran: Der schwedische Publikumsliebling leitet seit 1. Januar 2016 die Nachwuchsakademie des schwedischen Zweitligisten Östers IF. Zur Galerie
Peter Wibran: Der schwedische Publikumsliebling leitet seit 1. Januar 2016 die Nachwuchsakademie des schwedischen Zweitligisten Östers IF. ©

1975 verabschiedete sich der Stürmer mit einem verschossenen Elfmeter im letzten Saisonspiel gegen Vorwärts Stralsund aus Rostock. Das 1:1 reichte nicht, der FC Hansa stieg ab. Der Verband delegierte Streich zum 1. FC Magdeburg. Seinen Leistungen tat das keinen Abbruch. „Strich“, wie er damals genannt wurde, war vier Mal Torschützenkönig der DDR-Oberliga und mit dem FCM drei Mal FDGB-Pokalsieger.

„Ich hatte bei beiden Vereinen eine gute Zeit. Bei Hansa bin ich groß geworden. In Magdeburg war ich erfolgreich“, sagt der Mecklenburger dessen Herz immer noch für beide schlägt. „Natürlich wünsche ich mir den Aufstieg für Hansa. Aber Magdeburg darf nicht absteigen. Ich finde, mit einem 1:1 können beide leben.“ Er wird das Spiel am jedem Fall vor dem Fernseher erleben - und wenn es irgendwann wieder passt, Hansa auch live im Stadion zuschauen.

Wegen seiner Schlitzohrigkeit wurde Streich oft mit Gerd Müller verglichen. „Wir haben am Samstagabend in der Sportschau natürlich die Bundesliga geschaut. Gerd Müller war wegen seiner genialen Tore auch ein Vorbild für mich“, sagt Streich, der mit der DDR-Auswahl 1972 Olympia-Bronze gewann und 1974 an der Weltmeisterschaft teilnahm: „Es gab national wie international viele tolle Momente, aber mein 100. Länderspiel im Londoner Wembley Stadion bleibt mir besonders gut in Erinnerung.“

Unmittelbar nach dem Ende seiner Spielerkarriere wurde Streich 1985 zum Cheftrainer des 1. FC Magdeburg ernannt. Die großen Erfolge blieben zwar aus, dafür hat Streich andere Spieler geprägt. „Er war derjenige, der mir die Tür zum Profifußball sehr weit geöffnet hat. Joachim hatte ein feines Gespür, auch fachlich und inhaltlich war seine Arbeit absolut überzeugend“, sagt Dirk Schuster, damals knallharter Verteidiger und heute Trainer beim Zweitligisten FC Erzgebirge Aue.

Nach dem Mauerfall folgte Schuster seinem Coach 1990 zum damaligen Zweitligisten Eintracht Braunschweig, wo Streich elf Spieltage vor Saisonende entlassen wurde. „Der Verein wollte unbedingt zurück in die 1. Liga. Aber die Qualität im Kader war nicht vorhanden. Und wenn die Erfolge ausbleiben, bist du als Trainer das schwächste Glied“, meint Streich rückblickend.

Nach einem kurzen Intermezzo beim FSV Zwickau, den er 1997 vor dem Abstieg aus der 2. Bundesliga gerettet hatte, zog er sich aus dem Fußballgeschäft zurück: „Ich wollte nicht mehr aus dem Koffer, sondern mit meiner Familie leben.“ Heute genießt Streich seinen Alltag als Pensionär, werkelt gern in seinem Garten und hält sich auf dem Fahrrad fit.

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