Zwei Dinge erstaunten bei der endgültigen Beförderung von Hansi Flick zum Cheftrainer des FC Bayern München. Erstens die satte Vertragslaufzeit – bis 2023. Drei Jahre, das solle, so Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, "unser Vertrauen dokumentieren". Und zweitens die Kompetenzerweiterung, die sich selbst ein allmächtig scheinender Pep Guardiola an der Säbener Straße gewünscht hatte.



Flick erhält nun einen deutlich ausgedehnten Zuständigkeitsbereich: bei Transfer-Fragen. "Hansi hat ein Mitspracherecht, das ist doch klar", bestätigte Rummenigge in der Bild und erklärte den für Bayern-Trainer ungewöhnlichen Zuwachs an Kompetenzen: "Die Meinung des Trainers spielt bei unseren Personalentscheidungen eine Rolle." Also sagte man sich inmitten der Corona-Krise, in der keiner weiß, wann wirklich wieder gespielt werden kann: Flick first. "Darum wollten wir jetzt auch Klarheit auf der Trainer-Position, bevor wir in den nächsten Wochen und Monaten den Spielerkader für die nächste Saison zusammenstellen", erläuterte Rummenigge.
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Da Flick (55) nun also langfristig bleibt und wahrhaftig machtvoll das Zepter schwingen darf, stellt sich die Frage: Wer profitiert vom Dauer-Flick, wer muss bald leiden? Eine Übersicht:
Die Profiteure:
Zu nennen sind die Führungsspieler, zugleich Meinungsführer im Kader wie Kapitän Manuel Neuer und Thomas Müller. Neuer, für Flick "der mit Abstand beste Torwart der Welt" sollte – wenn man sich finanziell einigt – einen langfristigen Vertrag bekommen. Schlechte Karten für den Schalker Torhüter Alexander Nübel (elf Jahre jünger als Neuer), der zum 1. Juli ablösefrei kommt. Die Vertragsverlängerung von Müller, unter Flick zum besten Vorlagengeber der Liga aufgestiegen, ist nur noch Formsache. Auch David Alaba und Thiago, beide wichtige Säulen des Teams, wissen nun, woran sie sind, bei der Überlegung, über 2021 hinaus bleiben zu wollen.
Selbst Jérôme Boateng, mehrfach aussortiert und kurz vor dem Abschied, hat dank Flick, mit dem er wie Neuer und Müller 2014 in Brasilien Weltmeister wurde, zu alter Form gefunden. "Ich muss nicht auf Teufel komm' raus weg", sagte Boateng kürzlich. Ein Verbleib bis nächsten Sommer scheint nicht mehr ausgeschlossen.
Leise Zweifel an Bayerns Transferstopp
Seine Transfer-Aktivitäten habe der Verein wegen der Corona-Pandemie auf Eis gelegt, bekannte Rummenigge. Ein Flunkern? Das Interesse an Leipzigs Stürmer Timo Werner (24) soll wieder aufgeflammt sein – vor allem, weil Flick gut mit ihm kann und viel von ihm hält. Auch Leverkusens Mega-Talent Kai Havertz ist in Flicks Radar ein Fixpunkt. Obwohl er einiges mehr als die bei Werner fixe Ablösesumme von etwa 55 Millionen Euro kosten dürfte.
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Die Verlierer:
Philippe Coutinho, für eine Saison vom FC Barcelona ausgeliehen, dürfte neben Weltmeister Corentin Tolisso (Inter Mailand will den Franzosen) das prominenteste "Opfer" der künftigen Flick-Ära sein. Coutinho verlor seinen Stammplatz, seine Zehnerposition interpretiert Müller anders – und erfolgreicher. Der Brasilianer wird nicht gekauft, auch wenn die Summe deutlich unter 100 Millionen Euro Ablöse sinken dürfte. Der FC Chelsea hat wohl Interesse.
Auch Javi Martínez wird Bayern verlassen dürfen, Flick darf sich ja jetzt seinen Kader bauen. Heißt auch: Leroy Sané, der Wunschspieler und das erklärte Transferziel von Sportdirektor Hasan Salihamidzic, hat nicht mehr oberste Priorität. Der Außenstürmer von Manchester City kommt nicht, wenn "Big Flick" unbedingt Werner will. Was auch heißt: Der Kompetenz-Bereich von Salihamidzic, mit dem sich Flick im Trainingslager in Katar beim Thema Winter-Verstärkungen öffentlich zoffte, hat eine Delle erlitten.
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