Normalerweise ist man es beim Branchenkrösus und Rekordmeister FC Bayern München gewohnt, dass es zum letzten Heimspiel der Saison die Schale gibt. So war es zumindest in den vergangenen zehn Spielzeiten nahezu immer. Im Jahr 2023 war es allerdings schon vor dem Anpfiff der Partie gegen RB Leipzig klar, dass es weder die Salatschüssel in natura, noch den Titel zu feiern geben würde. Und ob es überhaupt noch einen Titel geben wird, ist nach dem 1:3 (1:0) ungewisser denn je. Borussia Dortmund hat es in den Spielen heute (17.30 Uhr/DAZN) beim FC Augsburg und am nächsten Samstag gegen Mainz 05 nun in der eigenen Hand, erstmals seit 2012 Meister zu werden.
Dabei hatte es fast eine Stunde lang so ausgesehen, als würde alles wie immer laufen. Die Münchner führten durch den Treffer von Serge Gnabry aus der 25. Minute mit 1:0, doch die Sachsen, denen in zuvor 16 Begegnungen mit den Bayern gerade mal ein einziger Sieg gelungen war, mussten für die Champions-League-Qualifikation selbst noch Gas geben, nach dem 2:0 der Freiburger am Freitag gegen den VfL Wolfsburg. Und tatsächlich schlug RB eiskalt zu und zurück und machte die CL klar.
Für die Bayern kommt es nach dem Laimer-Tor immer dicker
Zunächst besorgte Konrad Laimer nach einem Konter den 1:1-Ausgleich (65). Ausgerechnet der Mann, dessen Transfer an die Säbener Straße nur noch Formsache ist und der in der kommenden Saison für die Münchner auflaufen wird. Der Jubel des Österreichers fiel dennoch euphorisch aus.
Doch es kam noch dicker – und auch das passte irgendwie ins Bayern-Bild dieser Saison. Benjamin Pavard traf den dribbelnden Christopher Nkunku derart klar am Fuß, dass Schiedsrichter Denis Aytekin gar nicht anders konnte, als auf Strafstoß zu entscheiden. Entgegen der Regel trat der Gefoulte selbst an und verwandelte sicher zur Gästeführung (75.), die bereits zu diesem Zeitpunkt nicht unverdient war. Bei Thomas Tuchel, der wie schon beim 6:0 gegen den FC Schalke auf Thomas Müller in der Startelf setzte, war die Unzufriedenheit schon deutlich vorher zu erkennen. Er tobte an der Seitenlinie fast ununterbrochen wie ein Rohrspatz, fluchte und gestikulierte ohne Ende. Ob er ahnte, was kommt?
FC Bayern: Griff in die Nostalgie-Trickkiste ohne Wirkung
Plötzlich verstummten die Meister-Gesänge der FCB-Anhänger, stattdessen waren die mitgereisten RB-Fans zu hören, die höhnisch den Lederhosen-Song anstimmten. Als die Kugel dann auch noch unglücklich an die Hand von Noussair Mazraoui sprang und Aytekin erneut auf den Punkt zeigte, setzte sich Tuchel kopfschüttelnd und resigniert auf die Bank, auf der Tribüne verzogen die Bayern-Bosse Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn keinerlei Meine mehr. Dominik Szoboszlai nagelte den Ball vom Punkt zum 1:3 rein (86.), die Messe war gelesen.
Dabei hatten die Bayern vor dem Anstoß in der ausverkauften Allianz Arena noch mal den Griff in die Nostalgie-Trickkiste bemüht, um die Stimmung zusätzlich anzuheizen. Klub-Legende Arjen Robben, der die Münchner 2013 zum Champions-League-Sieg gegen den jetzigen Verfolger - Borussia Dortmund - geschossen hatte, wurde als Gast lautstark begrüßt und groß auf den Videoleinwänden eingeblendet. "Sie haben nur noch diesen einen Titel zu gewinnen – und den müssen sie unbedingt holen", sagte der Niederländer bei Sky.
Doch nach dem überraschenden Trainerwechsel von Julian Nagelsmann, der nach der WM einen Neun-Punkte-Vorsprung auf den BVB eingebüßt hatte, scheiterte die Mannschaft unter Tuchel erst im DFB-Pokal am SC Freiburg und in der Königsklasse an Manchester City. Nun liegt es am BVB, den Bayern auch den letzten Titel zu nehmen.
Bayern München RB Leipzig. Thomas Tuchel Meister auf dem Sofa? "Das wäre mir ehrlich gesagt total egal, wann und wie es passiert – Hauptsache ist, dass es passiert."
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