Thomas Müller reagierte professionell: Als das Zeichen von der Bayern-Bank zur Auswechslung nach knapp 16 Minuten kam, trabte der Kapitän des Rekordmeisters auf dem Gladbacher Rasen erst zu Joshua Kimmich, um diesem die Binde zu überreichen. Dann klatschte er an der Seitenlinie mit dem für ihn ins Spiel kommenden Joao Cancelo ab. Müller verzog keine Miene, obwohl es in ihm sicherlich brodelte. Bereits im zweiten Spiel in Folge kam der deutsche Nationalspieler kaum auf Einsatzzeit beim FCB: Im prestigeträchtigen Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League bei Paris Saint-Germain am Dienstag (1:0) wechselte ihn Bayern-Trainer Julian Nagelsmann erst in der 75. Minute ein. Nun war gegen Gladbach (2:3) als Reaktion auf den frühen Platzverweis gegen Verteidiger Dayot Upamecano (8.) früh Schluss für Müller. Im Anschluss zeigte selbst Nagelsmann Mitleid.
"Das war eine beschissene Entscheidung. Es tut mir auch leid für Thomas", sagte der Trainer im Anschluss der Partie bei Sky und beteuerte, dass der Wechsel rein taktische Gründe hatte. "Wir haben überlegt, wie wir umstellen können. Da muss man extrem schnell entscheiden." Und Nagelsmann entschied sich für ein frühes Aus seines Kapitäns. "Wir haben gesagt, dass wir maximalen Speed und Choupo für die Standards brauchen. Das hat nichts mit Thomas zu tun. Es ist beschissen. Das mache ich auch nicht gern", erklärte Nagelsmann.
Bei Sky-Experte Dietmar Hamann fanden die Ausführungen des FCB-Coaches allerdings keinen Anklang. Der Ex-Bayern-Profi störte sich vor allem daran, dass Nagelsmann seinen Spielführer für eine taktische Maßnahme opferte: "Ich fand es nicht angebracht. Den Kapitän herauszunehmen - das geht nicht", echauffierte sich Hamann. "Er ist der verlängerte Arm." Der Champions-League-Sieger von 2005 stellte angesichts des frühen Wechsels sogar Müllers Amt in Frage: "Wenn du ihn fünf Minuten nach dem Platzverweis rausnimmst, dann hätte er gar nicht Kapitän sein sollen, weil er die Identifikationsfigur dieser Mannschaft ist", raunte Hamann.
Auf Nagelsmann, dem nach seinem Wutausbruch im Anschluss an die Partie ohnehin bereits die Schlagzeilen gehören, sieht der TV-Experte nun auch eine Müller-Debatte zukommen. "Du machst dich als Trainer angreifbar. Natürlich steht die Mannschaft über jeden einzelnen Spieler, aber du musst perspektivische Entscheidungen treffen", sagte Hamann. "Vielleicht verzichte ich auf einen Punkt, selbst wenn du überzeugt bist, dass es das Richtige ist, kannst du das nicht machen." Unterstützung in dieser These erhielt Hamann von Lothar Matthäus, der ebenfalls beim Pay-TV-Sender als Experte arbeitet: "Das ist natürlich ein Thema. Es ist immer ein Thema. Müller ist Müller – und wenn er nicht spielt, ist es nicht unbedngt eine einfache Situation für den Trainer", analysierte der Rekordnationalspieler.
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