Als Thomas Tuchel am Freitagnachmittag an der Säbener Straße mit den Reportern erstmals vor einem Spiel zusammensaß, ging über Untergiesing-Harlaching ein Gewitter nieder. Tuchel bekam davon im fensterlosen Raum nichts mit. Er strahlte übers ganze Gesicht.
Aus jeder Pore strömte die Freude über seinen Job beim FC Bayern München, die Vorfreude auf das Bundesliga-Duell mit Borussia Dortmund an diesem Samstag in der Allianz-Arena (18.30 Uhr, Sky). Tuchel trug eine Kappe des Ausrüsters und ein Trainingsoutfit des Arbeitgebers. Bevor es losging, scannten seine Augen alles ab. In den 38 Minuten zeigte er sich aufgeschlossen und freundlich und lächelte viel. Sprüche klopfen ist nicht sein Ding. Das oft laute Lachen seines Vorgängers Julian Nagelsmann über eigene Witzchen hallt noch nach in den Ohren der ständigen Begleiter.
Dank Thomas Tuchel: Aufbruchsstimmung beim FC Bayern München
Dass der früher so bärbeißige, weil schwierige Charakter Tuchel in München jedem Ordner die Hand schüttelt, ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. "Mir ist ein respektvoller Umgang wichtig, das ist die Grundbedingung", sagte er und erklärte: "Pünktlich, höflich, freundlich – das muss ich sein, dann kann ich es auch von anderen erwarten. Auch der Ordner möchte gewinnen und tut alles dafür." Womit er einige seiner Werte und Prinzipien umriss.
Die Stimmung hat sich gedreht an der Säbener Straße nach der Entlassung von Nagelsmann. Aus Anspannung wurde Aufbruchstimmung. "In den ersten paar Tagen ging es darum, ein Gefühl füreinander zu bekommen. Die gute Nachricht ist, dass jeder Bock hat und sich zeigen will", sagte der 49-Jährige, der auch Mittelfeldspieler Jamal Musiala (machte das komplette Abschlusstraining mit) nach seinem Muskelfaserriss einsetzen könnte.
Vieles neu und anders macht (der) Tuchel, im Einzelnen. Was genau? Das zeigt der SPORTBUZZER, das Sportportal des RedaktionsNetzwerks Deutschland, in der Übersicht:
Die Teamsitzungen: Unter Nagelsmann drehte es sich, so beklagten Spieler, zu sehr um taktische Details. Tuchel ging nach der selbst geäußerten Devise "Weniger ist mehr" vor und sagte: "Wir wollen die Spieler nach der turbulenten Woche nicht überfrachten."
Tuchel: "Habe der Mannschaft gesagt, dass ich mich wirklich auf jeden Einzelnen freue"
Die Ansprache: Tuchel suchte in den ersten Tagen den persönlichen Draht, über Einzelgespräche oder einen liebevollen Tritt in den Hintern bei Leroy Sané und Benjamin Pavard, redete seine Profis öffentlich stark. Beispiele: "Die Mannschaft hat ein unglaubliches Potenzial, kann eine unfassbare Wucht haben." Oder: "Es sind viele Spieler im Kader, die ich mal trainieren wollte. Ich habe der Mannschaft gesagt, dass ich mich wirklich auf jeden Einzelnen freue." Das schafft ein gutes Gefühl.
Die Nachsicht: Alle Profis bekamen einen Vertrauensvorschuss. Auch Joshua Kimmich und Leon Goretzka, die sich bei Nagelsmann bedankt hatten. "Das ist total okay, die Enttäuschung verständlich", sagte Tuchel und lobte: "Joshua ist ein Spieler, der den FC Bayern verkörpert – und zusammen mit Manuel Neuer und Thomas Müller ein sehr wichtiger Spieler. Es ist ein Geschenk, mit solchen Spielern zusammenzuarbeiten."
Thomas Tuchel und sein Gespür für Uli Hoeneß
Das Gespür für Hoeneß: Erneut unterstrich er die Bedeutung von Ehrenpräsident Uli Hoeneß. "Es war mir ein großes Anliegen, mit ihm zu sprechen. Ich wollte ihm sagen, dass ich mein Bestes gebe, um auf seinen Klub aufzupassen." Denn: "Der FC Bayern ist Uli Hoeneß, und Uli Hoeneß ist der FC Bayern. Im Alltag sind andere meine Ansprechpartner, und damit fühle ich mich auch wohl."
Die Feinfühligkeit: Tuchel blieb, angesprochen auf seine BVB-Zeit (2015–2017) und das Zerwürfnis mit Boss Hans-Joachim Watzke, das zu seinem Abgang führte, cool. Tuchel: "Das Verhältnis hat geruht – und wie so oft glätten sich mit viel Ruhe die Wogen. Das ist mittlerweile ausgeräumt." In der Gegenwart beginnen für die Bayern mit dem Duell gegen den BVB "die Wochen der Wahrheit". Das Spiel sei "ein großes Match, das hat Signalwirkung".