31. Juli 2018 / 06:26 Uhr

FC International: „Der sportliche Erfolg kam schneller als die Infrastruktur“

FC International: „Der sportliche Erfolg kam schneller als die Infrastruktur“

LVZ
Leipziger Volkszeitung
Ulrike Schlupp führt seit 2016 die Geschäfte beim FC Inter Leipzig.
Ulrike Schlupp führt seit 2016 die Geschäfte beim FC Inter Leipzig. © Privat
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FC-Inter-Geschäftsführerin Ulrike Schlupp im Interview: Die 29-Jährige sprach schon vor der Bundeskanzlerin

Leipzig. Ulrike Schlupp meistert die ungewohnte Interviewsituation souverän. Im Rahmen ihres Sportmanagement-Studiums an der Universität Leipzig ließ sich die Geschäftsführerin von Fußball-Oberligist FC International Leipzig von ihren eigenen Kommilitonen befragen. Mit 29 Jahren gehört sie zu den jüngsten Fußball-Funktionärinnen auf diesem Niveau hierzulande. Seit 1999 war sie beim Post SV Leipzig in der Fußball-Landesliga aktiv. Bis 2014 spielte sie beim Nachfolger FFC Wacker, musste ihre aktive Laufbahn jedoch aufgrund der Arbeitszeiten bei Inter und ständiger Verletzungen beenden. Seit 2016 ist sie als Geschäftsführerin im Vorstand des FC International Leipzig und beendet parallel ihren Master-Studiengang Sportmanagement.

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Wie wurden Sie als junge Frau Geschäftsführerin eines Fußball-Oberligisten?

Mein früherer Verein Post SV Leipzig trainierte im Mariannenpark, wo seit 2014 auch der FC International ansässig war. So kam auch der Kontakt zustande. Ich dachte mir: Warum soll ich das Praktikum im Rahmen meines Studiums nicht gleich bei dem neuen Verein um die Ecke machen? Daraus wurde dann mehr.

Was fanden Sie damals vor?

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Sieben fußballbegeisterte Menschen haben diesen Verein mit viel Engagement gegründet, hatten aber nicht darüber nachgedacht, was es dazu alles braucht: zum Beispiel ein Spielfeld und genügend Spieler. Einer der Vereinsgründer musste etwa beim ersten Pflichtspiel mit auf dem Platz stehen, weil Inter nicht genug Spieler hatte. So ging es los, alles war in der Findungsphase. Da bin ich dann mit eingestiegen und habe seit 2016 sehr aktiv an der Vereinsentwicklung mitgewirkt.

Was sind Ihre aktuellen Aufgaben und wo soll es mit Inter hingehen?

Wir streben mittelfristig den Aufstieg in die Regionalliga an, aber es ist nicht so, dass wir jetzt unbedingt in der nächsten Saison aufsteigen müssen. Wir sind jetzt fünf Jahre alt, haben zehn Mannschaften im Spielbetrieb, sind extrem schnell gewachsen. Der sportliche Erfolg kam schneller als die Infrastruktur. Wir müssen zunächst weiter an den grundlegenden Dingen arbeiten und aufräumen, damit die Basis für einen Aufstieg in die Regionalliga wirklich da ist.

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Was konkret ist zu tun?

Eine große Herausforderung ist aktuell die Infrastruktur. In Leipzig gibt es nur wenige taugliche Stadien für die Ober- und Regionalliga. Und auch in Sachen Trainingsbetrieb muss einiges passieren. Ein Platz und zehn Mannschaften im Spielbetrieb ist einfach nicht ausreichend. Deshalb kooperieren wir in dieser Saison auch wieder mit anderen Vereinen. Im Nachwuchs mit dem Großfeld mit Lok Nordost und im Nachwuchs im Kleinfeld mit den Aktiven Senioren. Die erste Herrenmannschaft trainiert in Tresenwald Machern und spielt im Hafenstadion in Torgau. Nur mit Hilfe unserer Partner ist es uns möglich am Spielbetrieb teilzunehmen. Wir sind ihnen sehr dankbar.

Wie ist Inter strukturell aufgestellt?


Wir haben zwei duale Studenten, einen Praktikanten, eine Marketingleiterin und seit dem 1. Januar in Pascal Deppe einen Sportdirektor. Seit 1. Juli haben wir die erste Mannschaft ausgegliedert. Sportdirektor Pascal Deppe wird Geschäftsführer der GmbH, und ich bleibe Geschäftsführerin des Gesamtvereins.

Die 15 Heimspiele besuchten vergangene Saison lediglich 116 Zuschauer im Schnitt. Warum ist das Interesse so gering?

Dadurch, dass wir noch so jung sind, fehlen uns noch die Fans. Es kommen auch in Torgau immer mal Interessierte vorbei, aber wir haben noch nicht die breite Basis wie Traditionsvereine wie Lok oder Chemie, und auch nicht das Geld wie RB, um uns alles hübsch zu machen. Das dauert einfach. So lange wir nicht in Leipzig spielen können, wird sich das wahrscheinlich auch nicht ändern. Aber es gibt einige Vereine in der Oberliga, die noch weniger Zuschauer haben und schon viel länger existieren.

Wo spielt Inter 2018/19 und wie weit ist der Bau des Stadions am Postbahnhof?

Auch in der kommenden Saison werden wir weiterhin in Torgau spielen und in Machern trainieren. Das Stadion ist ein langfristiges Projekt, das aber nur mit Partnern realisiert werden kann.

Der Verein stellt sich als Integrationsprojekt dar. Wie ist das vereinbar mit dem Hauptsponsor CG-Gruppe, der als Bauspekulant zu steigenden Mieten in den Großstädten beiträgt?

Die CG-Gruppe unterstützt sehr viele soziale Projekte und vor allem benachteiligte Kinder und Jugendliche, zum Beispiel Kinderheime in Berlin. Auch in Inter Leipzig investiert die CG-Gruppe eine Menge Geld, damit wir Mitarbeiter einstellen können, um soziale Projekte umzusetzen: interkulturelle Fußballturniere oder die Zusammenarbeit mit Kitas und Schulen, damit Kinder nicht auf der Eisenbahnstraße abhängen, sondern bei uns Training bekommen, lernen, im Verein Verantwortung zu übernehmen und sich persönlich weiterzuentwickeln. Wir freuen uns, dass die CG Gruppe auch uns dabei unterstützt.

Sie haben im vergangenen Jahr ein DFB-Leadership-Projekt abgeschlossen. Was steckt dahinter?

Das ist ein Pilotprojekt für Führungspositionen für Frauen im Fußball. Pro Landesverband wurde eine Frau ausgewählt, die daran teilnehmen durfte. Das beinhaltete eine Schulung der DOSB-Führungsakademie inklusive Mentor. Wir hatten die Möglichkeit, beim DFB in verschiedene Projekte und Veranstaltungen mitzumachen. Ich durfte etwa beim DFB-Bundestag vor Angela Merkel und allen möglichen Top-Funktionären und -Politikern etwas zu meiner Person und dem Leadership-Programm berichten. Das war krass.

Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie aufgeregt waren Sie?

20!

Was hat Ihnen das Programm gebracht?

Man knüpft viele Kontakte. Ich war etwa beim DFB-Pokalfinale der Frauen und habe den Tag mit den Ex-Nationalspielerinnen Inka Grings und Sonja Fuß verbracht, weil ich sie über das Programm kennengelernt habe. Auch in Leipzig hat es Kontakte gebracht. Beim Integrationspreis habe ich die Verantwortlichen des SV Lindenau kennengelernt, mit denen wir ein interkulturelles Fußballturnier ausgetragen haben.

Welche Schwierigkeiten gibt es, wenn Sie als junge Frau unter vielen ergrauten Funktionären ernst genommen werden und etwas bewegen wollen?

Als junge Frau muss man sich den Respekt der Männer anders verdienen. Die Körpergröße kommt dazu. Schon steckt man in einer Schublade. Es braucht Zeit, in der man seine Leistung beweisen muss, um wirklich ernst genommen zu werden. Dennoch stoße auch ich ab und zu an meine Grenzen. Es gibt immer noch genug alteingesessene Männer, die sich von Frauen nur ungern etwas sagen lassen. Aber auch viele, die mich in meiner Funktion respektieren. Spätestens wenn ich mir einen Ball schnappe und vor ihnen jongliere, schauen alle erstaunt und sind plötzlich viel netter.

Wo sehen Sie sich in fünf bis zehn Jahren?

Mein Studium möchte ich bis dahin beendet haben. Und bei Inter werde ich auf jeden Fall meine Vorstandsperiode bis 2021 zu Ende führen. Aber Fußball ist auch ein schwieriges und anstrengendes Geschäft. Man steht sehr in der Öffentlichkeit, wird medial oft angefeindet. Es gibt immer irgendjemanden, der dagegen ist, weil er etwa aus einem anderen Verein ist und nicht aus dem eigenen. Das ist nicht immer einfach. Mal sehen, wohin es mich nach 2021 treibt.

Ullrich Kroemer

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