Sofian Chahed hatte seine Mütze schon nach nicht mal einer halben Stunde tief ins Gesicht gezogen. Nicht nur wegen des ungemütlichen Wetters, sondern auch aufgrund der Vorstellung seiner Mannschaft zum Pflichtspielauftakt im neuen Jahr war dem Trainer von Turbine Potsdam ungemütlich. Nach einem Fehlstart ins Spiel verlor der Bundesliga-Fünfte im Nachholspiel aus der Hinserie dem VfL Wolfsburg mit 0:3 (0:2). Die "Wölfinnen" sicherten sich durch den Sieg die Tabellenführung. "Es ist kein Geheimnis, dass wir uns mehr vorgenommen hatten", ärgerte sich Chahed.
Nicht verstecken wollten sich die Turbinen vor dem Favoriten aus der Autostadt, das war vor dem ersten Bundesliga-Spiel des Jahres aus allen Ecken zu hören. Und dann passierte genau das: Potsdams Torfrau Vanessa Fischer, die den Vorzug vor Anna Wellmann bekommen hatte, zögerte bei der butterweichen Flanke von Turbines früherer Kapitänin Svenja Huth, Lena Lattwein lief unbeirrt ein und köpfte nach drei Minuten zum 1:0 ein. "Das stimmt. Wir konnten eigentlich mit breiter Brust hier antreten, sind dann aber nicht so gut ins Spiel gekommen und der frühe Gegentreffer hat uns irgendwie das Selbstbewusstsein genommen", haderte Merle Barth.
Turbine Potsdam unterliegt VfL Wolfsburg 0:3 (0:2)
Die 27-Jährige agierte neben Malgorzata Mesjasz im Abwehrzentrum. Auf der linken Defensivseite kehrte die wiedergenesene Spielführerin Sara Agrez direkt in Chaheds Startelf zurück. Links vertrat Teninsoun Sissoko die an der Wade verletzte Ex-Wölfin Isabel Kerschowski. Der Plan ging nicht auf. "Das Spiel haben wir in meinen Augen in der ersten Halbzeit verloren", sagte der Coach.
Denn eine starke Kombination schloss Europa-Top-Torschützin Tabea Waßmuth - schon acht Treffer in dieser Champions-League-Saison - mit einem flachen Ball zum 2:0 für die Gäste ab (22.). Da war es kurz mucksmäuschenstill im mit 1000 Zuschauern unter Corona-Bedingungen ausverkauften Karl-Liebknecht-Stadion und auch Chaheds Miene verfinsterte sich zusehends. "Wolfsburg hat einfach mehr zweite Bälle gewonnen. Und wenn wir mal Ballgewinne hatten, haben wir es nicht geschafft, die Ruhe zu bewahren", bemängelte der Turbine-Trainer.
Die Gäste hatten die bessere Zweikampfquote, kauften den Gastgeberinnen schon früh den Schneid ab. Als Melissa Kössler bereits nach sieben Minuten und einem weiten Befreiungsschlag von Sissoko mal in den Strafraum kam, agierte die Stürmerin viel zu zögerlich. Und so hatten die Potsdamerinnen kurz vor der Pause sogar noch Glück, dass Svenja Huth erst nur den Pfosten und der Nachschuss von Jill Roord genau Vanessa Fischer traf. "Ich hätte mir da noch das 3:0 gewünscht", gab VfL-Trainer Tommy Stroot später zu, "denn wir hatten alle im Hinterkopf, was passieren kann, wenn Turbine hier den Anschlusstreffer macht."
Dazu kam es nicht. Sehr zur Freude des Wolfsburger Trainers: "Das waren ganz wichtige Punkte. Auch, weil Potsdam allen Teams von oben schon Punkte abgenommen hat - wir sind die einzige Mannschaft, die jetzt sechs Punkte gegen Turbine geholt hat."
Nationalspielerin aus Israel soll noch kommen
"In der zweiten Halbzeit war es dann ein mutiger Auftritt", sagte Chahed. Da spielte seine Mannschaft engagierter - und bekam auch Möglichkeiten. Gina Chmielinski traf mit ihrem Heber aus spitzem Winkel nur den Pfosten (53.) und Selina Cerci scheiterte von halbrechts an Keeperin Almuth Schult (79.). "Auf die zweite Halbzeit kann man aufbauen, aber wir wissen, dass wir es besser können", analysierte Merle Barth. Nach einem verunglückten Spielaufbau köpfte Tabea Waßmuth in der 82. Minute noch zum 3:0 ein - die Entscheidung.
Für Unmut bei Sofian Chahed sorgte neben dem Ergebnis auch die Leistung von Schiedsrichterin Angelika Söder. "Das ist insgesamt ausbaufähig. Denn es geht auch im Frauenfußball inzwischen nicht nur um Punkte, sondern auch um viel Geld", haderte der Potsdamer Coach auf der Pressekonferenz. Übrigens darf er sich kurz vor dem Ende des Wechselfensters wohl noch über eine weitere Verstärkung freuen: Eine Nationalspielerin aus Israel soll noch kommen.
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