29. Dezember 2020 / 18:01 Uhr

Hamilton top, Ferrari flop: Norbert Haug analysiert die Formel-1-Saison 2020 - und blickt auf 2021

Hamilton top, Ferrari flop: Norbert Haug analysiert die Formel-1-Saison 2020 - und blickt auf 2021

André Batistic
RedaktionsNetzwerk Deutschland
Starke Leistung von Lewis Hamilton, schwache Saison von Ferrari. Ex-Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug hat für den SPORTBUZZER seine Tops und Flops der Formel-1-Saison 2020 genannt - und blickt bereits in Richtung 2021.
Starke Leistung von Lewis Hamilton, schwache Saison von Ferrari. Ex-Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug hat für den SPORTBUZZER seine Tops und Flops der Formel-1-Saison 2020 genannt - und blickt bereits in Richtung 2021. © Getty Images/HDS/Privat/Montage
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Noch höhere Höhen für Weltmeister Lewis Hamilton? Und warum war Ferrari so schlecht? Der SPORTBUZZER hat bei Norbert Haug nach dessen drei Tops und Flops des Formel-1-Jahres 2020 nachgefragt - und ihn mit drei Thesen zur kommenden Saison 2021 konfrontiert.

Viele neue Strecken und neue Sieger - aber wie in den vergangenen drei Jahren der gleiche Weltmeister: Lewis Hamilton hat in der Corona-Notsaison auf seinem Weg zum nunmehr siebten WM-Titel nicht nur zahlreiche Rekorde gebrochen. Der 35 Jahre alte Brite steht nun auf einer Legenden-Stufe mit dem ebenfalls siebenmaligen F1-Champion Michael Schumacher. Mercedes dominierte das Feld bis auf einige wenige Schönheitsfehler - wie die massive Boxenstopp-Panne in Bahrain - nach Belieben, während der ehemalige Haupt-Konkurrent Ferrari so sehr schwächelte wie lange nicht mehr.

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Die Scuderia beendete das Jahr in der Konstrukteurswertung auf einem blamablen sechsten Rang - gemessen am Budget der Italiener (circa 420 Millionen Euro, das zweithöchste im Feld). Sebastian Vettel war chancenlos und beendete das turbulente Corona-Notjahr als WM-13., so schwach stand er zuvor in seiner Karriere in einer kompletten Saison noch nie da. Der SPORTBUZZER hat bei Norbert Haug nachgefragt. Was waren für den langjährigen Mercedes-Motorsportchef die persönlichen Highlights dieser Formel-1-Saison? Und was konnte die F1-Legende eher nicht überzeugen? Von Mercedes-Nachwuchspilot George Russell bis zur nervigen Reifen-Diskussion. Haugs Antworten im Überblick:

Top 3:

Top 1: Lewis Hamilton - "Lewis hat Rekorde erreicht und überboten, die von der Fachwelt zuvor für unerreichbar und unüberbietbar gehalten wurden. Sieben Mal Weltmeister wie Michael Schumacher und mittlerweile mehr als dessen 91 Grand Prix-Siege sind für Lewis Hamilton wohl nur die Durchgangsstation zu noch höheren Höhen."

Top 2: George Russell - "Wer diesen Fahrer noch nicht auf der Liste hatte, hat ihn spätestens seit seinem Einsatz als Hamilton-Ersatz beim zweiten Bahrain-Grand Prix. Extrem talentiert, extrem fokussiert, extrem cool und extrem fehlerlos. Ein Jammer, dass ihm sein verdienter Sieg durch ein Malheur des ansonsten jahrein, jahraus fast gänzlich fehlerlos agierenden Silberpfeil-Werksteams verwehrt blieb. Wir werden noch hören von ihm."

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Top 3: Racing Point - "Eine Harke für das besser finanzierte halbe Feld, speziell aber für Ferrari. Mindestens dreimal soviel Geld für die Scuderia - aber nur zwei Drittel so viele WM-Punkte wie das englische Effizienz-Team. Weniger kann mehr - deutlicher kann das nicht bewiesen werden. Eine Freude - aber auch eine Verpflichtung - für den nächstjährigen Fahrer Sebastian Vettel des dann als Aston Martin firmierenden Racing-Point-Teams."

Flop 3:

Flop 1: Ferrari - "Ganz offensichtlich hat Ferrari über lange Zeit das Reglement umschifft und so mehr Power dargestellt als legal möglich ist. Der Effekt und die Strafe war dann doppelt hart: Ferrari hatte Mercedes mit seinem nicht legalen Powerplay angestachelt, und die Antwort war eine deutlich gesteigerte Motorleistung beim Stern. Ferrari wurde sein Power-Vorteil verboten, in der Addition beider Entwicklungen fehlten dann anderthalb Sekunden pro Runde oder mehr."

Flop 2: Reifen - "Es kann für den interessierten Betrachter nicht richtig sein, dass in jedem zweiten Interview über 'Hinterreifen, die am Leben zu halten sind' gejammert wird. Dazu wird obendrein laufend vom 'Reifenfenster' und 'Temperaturfenster' gesprochen - vom Reporter, wie vom Fahrer und vom Teamchef. Die Formel 1-Weltmeisterschaft sollte dringend darauf achten, nicht zur Reifen-Weltmeisterschaft zu werden, zumal es nur einen Hersteller der Einheitsreifen gibt. Formel 1 fahren heißt volles Rohr 300 Kilometer in Bestzeit zu absolvieren und nicht 300 Kilometer lang versuchen, das 'Reifenfenster' und das 'Temperaturfenster' zu treffen."

Flop 3: Drag Reduction System (DRS) - "Nenn' das Ding Klappflügel und schaff' es ab. Kein Mensch will künstliche herbeigeführte Überholvorgänge sehen, gepaart mit einer Zweikampfvermeidung in den Anbremsphasen: Warum soll ich hier versuchen, was mir auf der folgenden Geraden sowieso gelingt? Deshalb weg mit dem Teil, das spart Kosten und schafft Ehrlichkeit."

Schumacher, Mercedes, Vettel: Drei Thesen zur Saison 2021

Zudem haben wir gemeinsam mit Norbert Haug einen Blick in die Zukunft gewagt - und ihn mit drei Thesen zur Saison 2021 konfrontiert. Eine Saison, in der mit Mick Schumacher der Sohn der Formel-1-Legende Michael Schumacher sein F1-Debüt für das Hinterbänkler-Team Haas geben wird, Lewis Hamilton (vorausgesetzt er verlängert seinen Vertrag bei Mercedes) nach seiner achten WM und dem alleinigen Titel des Rekordweltmeisters greift - und der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel für ein neues Team an den Start geht.

These 1: Mick Schumacher holt 2021 seine ersten Punkte in der Formel 1


Haug: "Ich wünsche Mick die ersten Punkte sehr. Aber: Wie bei George Russell deutlich gesehen: Im Mercedes an der Spitze des Feldes auf Siegesfahrt, im Williams am Ende des Feldes. Das Haas-Team muss sich gemeinsam mit Mick konsequent weiterentwickeln, dann gibt es auch Punkte."

These 2: Mercedes wird schon wieder Weltmeister, und damit das achte Mal in Folge

Haug: "Dem widerspreche ich nicht, Mercedes wird auch 2021 nur schwer zu schlagen sein. Niemand hat ein Jahrzehnt lang so konsequent gearbeitet, niemand geht kritischer mit sich selbst um als die Silberpfeil-Werksmannschaft - eine absolute Einmaligkeit und einsame Bestleistung in der 70-jährigen Geschichte der Formel 1-Weltmeisterschaft und für mich auch im Sport ganz allgemein."

These 3: Sebastian Vettel wird bei Aston Martin zum Siegfahrer

Haug: "Das wäre ihm und den deutschen Zuschauern sehr zu wünschen. Der entlassene Sergio Perez hat vor kurzem die Vorlage dazu geliefert und im Vorgänger-Team Racing Point in Bahrain gewonnen. Daran wird sich Sebastian messen lassen müssen, und ich bin sicher, er wird hart arbeiten und alles geben, um nicht nur einmal zu gewinnen."

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