Wo ist eigentlich Antoine Griezmann? Bei der EM 2016 war er bester Torschütze des Turniers und verhalf der französischen Nationalmannschaft ins Finale, das 0:1 gegen Portugal verloren ging. Bei Frankreichs WM-Triumph vor vier Jahren war er eine prägende Figur. Er traf viermal, genauso oft wie Kylian Mbappé, die Entdeckung des Turniers. Frankreichs Erfolge der jüngeren Vergangenheit trugen Griezmanns Namen.
Bei der WM in Katar wartet der Mann von Atlético Madrid noch auf einen Treffer. Er ist weniger auffällig als gewohnt, doch das heißt nicht, dass seine Bedeutung gesunken wäre. Im Gegenteil: Griezmann hat großen Anteil daran, dass Frankreich im Halbfinale an diesem Mittwoch (20 Uhr/ZDF und Magenta TV) gegen Marokko steht und blendende Aussichten auf die erfolgreiche Verteidigung des Titels hat. Er ist so wichtig für die Auswahl von Trainer Didier Deschamps wie vielleicht noch nie – nur eben nicht als Torjäger, sondern in einer neuen, etwas defensiveren Rolle.
Die Franzosen sind mit enormen Verletzungssorgen nach Katar gereist. Unter anderem fehlen N’Golo Kanté und Paul Pogba, der Kern des Mittelfelds bei der erfolgreichen WM vor vier Jahren. Deschamps füllte die Lücke im Zentrum mit Adrien Rabiot von Juventus, dem Real-Madrid-Talent Aurélien Tchouaméni – und mit Griezmann, Spitzname "Griezou", nach Zinedine Zidane, genannt "Zizou". Der 31-Jährige hält sich mal auf der Achterposition auf, mal auf der Zehn, lässt sich zurückfallen und weicht auf die Flügel aus. Er verbindet Defensive und Offensive.
Wo Griezmann besser als Zidane und Henry ist
Anstatt mit Toren strahlt Griezmann als Vorlagengeber. Bei der WM steht er bei drei Assists, zwei davon gelangen ihm beim 2:1 im Viertelfinale gegen England. Seine Vorbereitung des entscheidenden zweiten Treffers war ein Kunstwerk. Griezmann trat eine Flanke von links mit chirurgischer Genauigkeit auf den Kopf von Olivier Giroud. Der 31-Jährige ist neuerdings bester Vorbereiter in der Geschichte der französischen Nationalmannschaft vor Zidane und Thierry Henry.
Seine Versetzung in eine defensivere Rolle war ein riskantes Manöver von Trainer Deschamps, doch die bisherige WM zeigt, dass es sich gelohnt hat. Griezmann stabilisiert die Defensive und initiiert Angriffe. Er entlastet die Verteidigung um Bayern-Profi Dayot Upamecano und setzt die Stürmer Mbappé und Giroud in Szene. Griezmann ist der Mann für die Balance im französischen Team.
Deschamps ist beeindruckt von der Anpassungsfähigkeit des 31-Jährigen: "Ich verlange jetzt wahrscheinlich andere Dinge von ihm. Aber es ist nicht so, dass wir ihn geopfert hätten. Er wird natürlich weniger Tore schießen, aber er interpretiert seine Rolle sehr intelligent und schafft ein Gleichgewicht." Griezmann selbst genießt die neue Aufgabe: "Ich bin ziemlich frei darin, wie ich mit Abwehr und Angriff zusammenspiele. Ich habe mehr Auswahl."
Körperlich und geistig fühlt sich Griezmann nach eigener Aussage prächtig. Das dürfte auch daran liegen, dass das Wechseltheater um ihn vorbei ist. Im vergangenen Jahr kehrte er leihweise vom FC Barcelona zurück zu Atlético Madrid, wo er einst zum Weltstar gereift war. Um zu vermeiden, dass sich eine Kaufoption über 40 Millionen Euro aktiviert, ließ Atlético-Trainer Diego Simeone ihn aber nur sporadisch spielen. Oft wechselte er Griezmann erst nach der 60. Minute ein. Barcelona drohte mit Klage. Im Oktober dieses Jahres einigten sich die Klubs, Griezmann kehrte für 20 Millionen Euro fest zu Atlético zurück. Bei der WM spielt er wieder in der gewohnten Form. Nur eben in neuer Rolle.
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