Die Zahlen lesen sich beeindruckend: 1170, 3600, 1018. So viele Spiele liefen in der Landesklasse West (1996 bis 2001), Landesliga Nord (2001 bis 2016) und Brandenburgliga (seit 2016) unter der Regie von Staffelleiter Ingo Widiger ab. Seit 25 Jahren engagiert sich der 53-Jährige aus Nennhausen inzwischen ehrenamtlich im Fußball-Landesverband Brandenburg (FLB) und wurde dafür am vergangenen Freitagabend vom Spielausschussvorsitzenden Wilfried Riemer, dessen Stellvertreter er ist, geehrt. „Ich bin einfach froh, dass Ingo sich vor 25 Jahren für die ehrenamtliche Tätigkeit als Staffelleiter entschieden und damals die Landesklasse West übernommen hat“, sagt Riemer über den Jubilar, der sich selbst an das Jahr 1996 zurückerinnert.
Damals habe er seinen Vorstandsposten beim Heimatverein FC Rot-Weiß Nennhausen aufgegeben und nach einer neuen ehrenamtlichen Tätigkeit gesucht. Im Altkreis Westhavelland hatte er sich zuvor schon als Staffelleiter im Nachwuchs engagiert und sich auf die ausgeschriebene Staffelleiterstelle der Landesklasse West beworben. „Die stand zuvor unter Leitung vom Brücker Sportfreund Wolfgang Kitzel, der die neu eingeführte Mitte-Staffel übernahm.“ Widiger, der damals auch einen Schiedsrichterlehrgang absolvierte, war nach dem Zuschlag fünf Jahre für die West-Staffel verantwortlich und hatte sofort Spaß an den anfallenden Aufgaben, die er bis heute gerne in Angriff nimmt und diese später erst in der Landesliga Nord und dann in der Brandenburgliga weitergeführt hat.
In Bildern: Die Top-Elf der Landesliga Nord.
„Es gibt immer mal Phasen, in denen es nicht so viel Spaß macht“, räumt der in Rathenow geborene Techniker ein, der optische Geräte repariert. „Gerade mit Blick auf die Ungewissheit durch Corona ist es für alle schwierig. Natürlich ist im Laufe einer Saison nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Man ist auch mal unterschiedlicher Meinung und diskutiert über die bestmögliche Lösung im Sinne des Sports. Wenn sich die Vereine wenig beschweren, ist es schon mal ein gutes Zeichen.“
Am Ende des Tages würden aber die schönen Sachen immer überwiegen. „Die Zusammenarbeit mit den Vereinen, in denen ebenfalls viele Ehrenamtler mit Herzblut dabei sind, macht es aus. Dadurch hat man immer eine gewisse gleiche Ebene. Ehrenamt muss Spaß machen und darf keine Qual sein“, stellt Widiger klar, der aus gesundheitlichen Gründen selbst nie im Verein, sondern nur freizeitmäßig Fußball gespielt hat. Im Laufe der Jahre habe er gelernt, mit den auftretenden Problemen gut umzugehen und kenne viele Funktionäre schon sehr gut.
24 Stunden und sieben Tage die Woche erreichbar
„Mir ist es bei neuen Vereinen in der Liga auch immer sehr wichtig, direkt Kontakt aufzunehmen, einen Ansprechpartner zu haben und sich auszutauschen. Als Staffelleiter ist man in der Regel 24 Stunden und sieben Tage die Woche erreichbar“, erklärt er. „Wir sind ein Dienstleister, bei dem es keine Öffnungszeiten gibt.“ Auch in der Winter- oder Sommerpause könne man in dieser Funktion nicht vier Wochen die Füße hochlegen. Es gelte dann, Staffeln einzuteilen, Spielpläne zu erstellen oder die Wettspielanweisungen anzupassen.
Generell habe er, der als Vermittler fungieren und Ansprechpartner sein will, für die Vereine immer ein offenes Ohr. Der Kontakt zu den Clubs reiße auch in der spielfreien Zeit nie ab. Gerade in der aktuell für alle herausfordernden Phase suchen die Vereine den Kontakt zum Verband und hoffen auf Hilfestellungen. „Ich weise niemanden ab, auch wenn es abends halb zehn oder später ist. Man schaltet wenig ab. Wenn alle Mails und Anfragen beantwortet sind, macht man sich schon Gedanken, wie man kommende Aufgaben angehen kann.“



Aktuell überlege er mit seinen Kollegen aus dem Spielausschuss, dem er seit 13 Jahren ebenfalls angehört, wie man den Spielbetrieb nach der coronabedingten Unterbrechung wieder in Gang bekommen kann. „Wir wünschen uns alle nichts sehnlicher, als dass der Ball wieder rollt und die Jungs spielen können.“ Widiger, der beim FLB auch als Spiel- und Sicherheitsbeobachter eingesetzt wird, weiß, dass die Vereine ebenfalls viel Zeit und Mühe investieren und sieht bei jeder Unterbrechung ein Stückweit auch die Gefahr, dass sich Leute umorientieren und der schönsten Nebensache der Welt abtrünnig werden.
ZUM DURCHKLICKEN: Reaktionen zur Saisonunterbrechung in Brandenburg.
„Wir müssen abwarten, wie die behördlichen Voraussetzungen im Januar sind. Wir hätten von der politischen Seite her ja weiter spielen können, Fußball wurde nicht verboten. Wir wollten den Vereinen das in der Kurzfristigkeit unter 2G-Bedingungen aber nicht zumuten. Zumal sich immer die Frage nach der Verantwortung stellt, wenn etwas passiert“, sagt der FLB-Funktionär in seiner für ihn typischen ruhigen und sachlichen Art mit Blick auf die am 24. November beschlossene Unterbrechung des Spielbetriebs. Das Feedback der Vereine auf diese Entscheidung sei überwiegend positiv ausgefallen, sie hätten dadurch eine gewisse Zeit eingeräumt bekommen, sich auf die Wiederaufnahme des Spielbetriebs vorzubereiten und aufkommende Fragen und mögliche Unklarheiten auszuräumen.
Ruhe, Zuverlässigkeit und Akribie
Wenn es wieder los gehen sollte, wird auch Widiger wieder parat stehen und sieht trotz seiner langen Zeit als Staffelleiter für sich persönlich noch kein Ende in Sicht. „Wenn es soweit wäre, müsste man den Verband natürlich darauf vorbereiten, damit man sich zeitnah um einen Nachfolger kümmern kann. Aktuell verschwende ich daran aber noch keinen Gedanken und habe Spaß an der Sache, das ist die Hauptsache.“
Beim Fußball-Landesverband Brandenburg ist man jedenfalls sehr froh, Ingo Widiger in seinen Reihen zu haben. „Mit welcher Ruhe, Zuverlässigkeit und Akribie er in all den Jahren die Staffelleitertätigkeit ausführte, ist schon bewundernswert. Sein Fachwissen ist sehr umfangreich und er gibt es auch gerne an unseren jüngeren Staffelleiter weiter“, sagt Riemer. In der Vergangenheit wurde Widiger auch schon das Amt des Spielausschussvorsitzenden angeboten, das er aber dankend abgelehnt hat. Er fühle sich in der Rolle als stellvertretender Spielausschussvorsitzender sehr wohl. „Die Rolle als Vorsitzender würde noch einmal deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen und beinhaltet noch mehr Aufgaben und Termine“, weiß er und freut sich auf den Moment, wenn seine beeindruckende Statistik weiter anwächst und der Ball endlich wieder rollt.
Stimmen zu Ingo Widiger
Ralf Leiskau, langjähriges Vorstandsmitglied beim Oranienburger FC Eintracht: „Ingo ist ein guter Typ. Wir sind über Jahre gut miteinander ausgekommen, daraus ist eine Freundschaft entstanden. Er war für uns nicht nur Staffelleiter, sondern auch viele Jahre Turnierleiter unseres Oberhavel-Hallenmasters in Oranienburg. Das Turnier hatte sich damals schon über die Kreisgrenzen hinaus einen Namen gemacht, als ich ihn angesprochen habe, ob er sich diese Aufgabe vorstellen könnte. Ich habe nicht genau mitgezählt, aber er hat bestimmt 15 Turniere geleitet. Er hat mir dabei immer zur Seite gestanden, diese Zeit möchte ich nicht missen.“
Sven Steller, Fußball-Abteilungsleiter beim SV Falkensee-Finkenkrug: „Er ist ein disziplinierter Staffelleiter, sehr sachlich und besonnen, am Ende aber auch konsequent. Man kann mit ihm über alles reden und weiß immer, woran man ist. Es ist eine angenehme Zusammenarbeit.“
Marc Flohr, Sportlicher Leiter beim TuS 1896 Sachsenhausen: „Ich kenne Ingo Widiger schon viele Jahre. Als ich eine Saison bei der SG Michendorf Trainer war, war er Staffelleiter der Landesliga Nord. Später kreuzten sich unsere Wege in der Brandenburgliga wieder, als ich erst beim MSV Neuruppin und dann beim TuS Sachsenhausen tätig war. Natürlich ist es in solch einer Position nicht immer einfach, allen Parteien gerecht zu werden. Unser Umgang miteinander ist absolut von gegenseitigem Respekt gezeichnet. Wenn wir miteinander telefonieren, haben wir immer eine Lösung gefunden und die Sachen funktionieren unter ihm einfach und ich denke, dass das sehr viel wert ist und für seine Arbeit spricht.“
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