Seit dem 12. März sind die 96-Spieler im Ausnahmezustand: in Quarantäne. Die Profis schlagen die Zeit mit Playstation, Klavierspielen oder Fernsehen tot – und mit einem speziellen Trainingsprogramm. Tobias Stock entwickelte gemeinsam mit seinen 96-Athletiktrainer-Kollegen Timo Rosenberg und Dennis Fischer Pläne, die den Profis nach der Zustimmung von Cheftrainer Kenan Kocak seit ein paar Tagen vorliegen. Ziel ist es, nach zwei Wochen Quarantäne wieder gesunde und fitte Profis auf den Trainingsplatz zu bekommen.
Bilder vom Training von Hannover 96 (10. März 2020)
Die Dauer:
Der Umfang unterscheidet sich gar nicht so sehr im Vergleich zu normalen Trainingstagen. „Zumeist zwei Einheiten am Tag, etwa zwei bis zweieinhalb Stunden sollen es schon sein“, sagt Stock. Entweder die Spieler starten mit einem individuellen Warm-up oder „sie können direkt aufs Fahrrad. Einige haben Glück, haben selbst Laufbänder.“
Die Geräte:
96 lieh beim Hersteller weitere Räder aus, um jedem Profi eines zur Verfügung zu stellen. Nachdem die Räder desinfiziert wurden, stellten die Zeugwarte Servet Kaya, Raymond Saka sowie Fischer und Rosenberg den Spielern die Geräte vor die Tür. „Ich habe das Gefühl, dass alle Spieler fokussiert sind, etwas machen wollen, dass es in der Saison noch um etwas geht“, sagt Stock. „Das spüre ich richtig. Das ist etwas anderes als in der Sommerpause, wenn alle runterfahren sollen.“
Die Kondition:
Es gebe „genügend Möglichkeiten, die athletischen Bereiche zu belasten. Wir versuchen, alle Facetten abzudecken, die für Fußball wichtig sind.“ Die Profis trainieren Ausdauer, Stabilisation, Reaktivkraft, Kraftausdauer und Schnellkraft. Bei Maximalkraft (schwere Gewichte) oder Schnelligkeit (kurze Läufe mit 100 Prozent Tempo) sind in den eigenen vier Wänden Grenzen gesetzt. „Sprints bis zum Herd und zurück? Das funktioniert eher nicht“, sagt Stock und lacht.


Die Belastung:
Elemente beispielsweise aus dem Crossfit oder Freeletics können viele Bereiche abdecken. Dazu kommen Varianten des Tabata oder HIIT-Trainings – zum Beispiel 20 Sekunden Belastung, zehn Sekunden Pause mit vielen Serien. „Mit den Programmen führen wir die Spieler in einem gewissen Maß an ihre Belastungsgrenze, das geht schon“, sagt Stock. Auch auf den Rädern lässt sich intensiv trainieren.
Der Ball:
Für die Ballgeschicklichkeit ist jeder Profi selbst verantwortlich. Aktuell läuft unter den Spielern eine Klorollen-Challenge – sie schicken sich gegenseitig Filmchen zu, wie sie Klopapier „einmal um die Welt“ hochhalten. Schwierig ist es, fußballtypische Bewegungen wie schnelle Richtungswechsel einzuüben. „Das ist kaum umsetzbar“, sagt Stock. Defizite auf der einen, Chancen auf der anderen Seite.
Die Chancen:
„Wir haben die Möglichkeit, im athletischen Bereich ein bisschen mehr zu machen, was man sonst mit Rücksicht auf das Fußballtraining eher nicht macht“, sagt Stock. Dazu gehört das exzentrische Krafttraining des hinteren Oberschenkels oder Übungen für die Hüftstabilität, die so hart sind, dass selbst Leistungssportler am nächsten Tag Muskelkater haben dürften. „Nach dem exzessiven Durchführen von Kniebeugen werden die Beine schwer. Das kann man sonst nur in Maßen machen“, sagt Stock. Die Athletiktrainer nutzen die Pause „auch zur Verbesserung der Mobilität“. Mehr dehnen, beweglicher werden und dadurch am Ende geschickter am Ball sein. „Jetzt kann man auch mal häufiger 30 bis 40 Minuten exzessiv dehnen und Übungen länger als 40 Sekunden halten, um das Bindungsgewebe effektiv in den Dehnungsprozess zu integrieren.
Das Coaching:
Athletiktraining, das weiß jeder Sportler, kann extrem vom motivierenden Coaching abhängig sein. Stock steht „für alle zur Verfügung“, die Spieler könnten auf das „Pushen“ der Trainer per Videokonferenz zurückgreifen. „Die Spieler können sich jederzeit melden, Dennis, Timo oder ich könnten jederzeit coachen“, sagt Stock.
Die Rückkehr:
Die Spieler werden nach zwei Wochen Quarantäne noch vier bis fünf Tage brauchen, um sich an die fußballspezifischen Abläufe zu gewöhnen. „Wenn ich zwei Wochen auf dem Rad sitze, ist es was anderes, wenn ich wieder Fußball spielen muss“, weiß Stock. Zu schnell hohe Intensität wäre kontraproduktiv, auch wegen Verletzungsgefahr. Während der schwierigen Quarantänephase hat das 96-Trainingsprogramm ein Hauptziel: „Wir wollen den Abbauprozess aufhalten. Wir achten darauf, dass die Spieler in einer gewissen Form wiederkommen“, sagt Stock. „Diese Zeit ist eine Herausforderung für alle. Wir müssen das Beste daraus machen.“
Die Ernährung:
Um die Form zu halten, müssen die Spieler auf die Ernährung achten. Bis zu 1500 Kilokalorien verbrauchen Spieler in einem Spiel. Die Verbrennungsmaschine läuft in Quarantäne auf Sparmodus – deshalb brauchen die Spieler auch weniger Energiezufuhr. Heißt: weniger essen. In der Langeweile der Quarantäne drohen auch Versuchungen von Chips bis Schokolade. Stocks Tipps: „Ich bin schon seit geraumer Zeit auf Kürbiskerne umgestiegen.“
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