20. Dezember 2022 / 11:51 Uhr

GOAT-Debatte: Ist Lionel Messi der Größte aller Zeiten? Die Meinung unserer Kolumnisten

GOAT-Debatte: Ist Lionel Messi der Größte aller Zeiten? Die Meinung unserer Kolumnisten

Heiko Ostendorp
RedaktionsNetzwerk Deutschland
Lionel Messi (Mitte) erreichte mit dem WM-Triumph einen weiteren Meilenstein.
Lionel Messi (Mitte) erreichte mit dem WM-Triumph einen weiteren Meilenstein. © Getty (Montage)
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Lionel Messi hat mit dem Titelgewinn von Argentinien bei der WM in Katar einen weiteren Meilenstein erreicht. Die GOAT-Debatte geht damit weiter. Sechs Kolumnisten des RedaktionsNetzwerks Deutschland, dem auch der SPORTBUZZER angehört, schreiben, wer für sie der Größte aller Zeiten ist.

Der ehemalige US-Präsident hatte sein Urteil schon kurz nach dem Abpfiff des WM-Finals zwischen Argentinien und Frankreich (7:5 n. E.) gefällt. "Gratulation an Argentinien", schrieb Barack Obama bei Twitter. "Und an den GOAT!" Der GOAT, also der größte Fußballer aller Zeiten, ist für Obama spätestens seit Sonntagabend und seinem ersten Weltmeistertitel Lionel Messi. Argumente dafür gibt es ohne Frage genug – allerdings auch dagegen.

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Ist Messi also der Größte aller Zeiten? Oder ist es vielleicht doch Pelé, alias Edson Arantes do Nascimento, der Brasilien dreimal zum WM-Titel führte (1958, 1962, 1970)? Oder eher Messis Vorgänger beim letzten WM-Erfolg 1986, Diego Maradona? Oder Deutschlands Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer, Frankreichs Zauberfuß Zinédine Zidane, Ronaldinho, Alfredo di Stefano oder Cristiano Ronaldo, dessen trauriger Abgang bei Manchester United und auch mit Portugal bei dieser WM allerdings einen dicken Schatten auf seiner zuvor makellosen Karriere hinterlassen hat

"Es ist immer schwer, verschiedene Generationen zu vergleichen", gibt Philipp Lahm zu, der im Finale 2014 noch selbst gegen Messi auf dem Platz stand. "Pelé hat drei WM-Titel gewonnen, Beckenbauer wurde als Spieler und Trainer Weltmeister und hat das Turnier 2006 nach Deutschland geholt. Messi hat den Fußball 15 Jahre lang geprägt und sich in seinem letzten WM-Spiel die Krone aufgesetzt. Sein Name ist auch außerhalb des Fußballs für jeden ein Begriff." Der SPORTBUZZER, das Sportportal des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), hat die GOAT-Debatte aufgenommen und auch seine weiteren fünf Kolumnisten befragt, wer für sie der größte Kicker aller Zeiten ist.

Nicht nur für sich brilliert

von Almuth Schult

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Für mich gibt es zwei Spieler, die den Status als "GOAT" verdienen. Zum einen Zinedine Zidane, weil er eine Anmut und Selbstverständlichkeit in seiner Ballbehandlung ausgestrahlt hat, die ich so noch nicht wiedergesehen habe. Spielfreude sehe ich auch bei Lionel Messi, Cristiano Ronaldo oder anderen. Bei Zidane war es aber auch eine Selbstverständlichkeit, dass Fußball ein Mannschaftssport ist. Er hat nicht nur für sich selbst brilliert, sondern er wusste, wie er die anderen einzusetzen hat. Deswegen macht er für mich den besten Mannschaftsspieler aller Zeiten aus.

Zidane war immer ein sehr respektvoller Spieler. Er hat auch mal eine Rote Karte gesehen, aber wir erinnern uns alle, wie das im WM-Finale 2006 bei der Kopfnuss gegen den Italiener Marco Materazzi abgelaufen ist. So weit ich mich erinnere, hat der Franzose nie einen Handschlag verweigert, sich nie arrogant weggedreht. Bei Messi und Ronaldo habe ich das schon gesehen. So etwas mag ich nicht, weil man im Fußball auch Vorbild sein sollte.

Wenn ich den besten Einzelspieler bestimmen muss, komme ich auf Ronaldinho. Der Brasilianer hatte eine so famose Technik – ihn konntest du nachts um 3 Uhr wecken, den Ball 100 Meter in die Höhe schießen und sagen: Nimm den mal bitte herunter. Dann hat ihm der Ball am Fuß geklebt. Bei Ronaldinho sah das für mich immer noch eine Stufe stärker aus als bei Messi, Ronaldo und Diego Maradona.

Titel indes sollten nicht darüber entscheiden, wer der größte Fußballer auf der Welt ist. Denn dann würden wir nicht das Spiel bewerten, sondern eine Titelsammlung.

Ich bin ganz klar bei Messi

von Wolff Fuss

Es fällt mir schwer, Messi mit Pelé, Beckenbauer und Co. zu vergleichen, weil ich sie nie live spielen gesehen habe. Bei Messi habe ich seine komplette Karriere begleitet. Ich denke, dass es in der Bewertung immer eine Rolle spielt, wen man selbst im Fernsehen oder im Stadion gesehen hat und wen man nur aus Zusammenschnitten, Erzählungen oder alten Berichten kennt.


Dass Messi jetzt Weltmeister wurde, zudem mit zwei Treffern und einem verwandelten Elfmeter im epischen Shootout, macht ihn nach meinem Geschmack zum besten Spieler, den ich jemals erlebt habe. Damit wäre auch die Frage mit Cristiano Ronaldo geklärt. Weltmeister zu werden ist das Größte, was ein Fußballer erreichen kann. Weil er diese fast schon kitschige Geschichte so zu Ende erzählt hat und dieses Märchen mit dem WM-Pokal in seinem letzten WM-Spiel wahr wurde, muss ich sagen, ich bin ganz klar bei Messi.

Ballspiel als Ballett

von Jochen Breyer

Diese Fußball-WM war, wie wir alle wissen, eine spezielle, und sie ist mir nur zweimal so richtig ans Herz gegangen: als die marokkanischen Spieler mit ihren Müttern auf dem Rasen feierten und als Lionel Messi auf dem Rasen zusammensank – als Weltmeister. Es ist schon kurios: Da ist ein Mann, der privilegierter kaum sein könnte, dem alle Welt zujubelt, der Hunderte Millionen verdient, der trotz seines märchenhaften Reichtums noch Steuern hinterzieht und für Saudi-Arabien Werbung macht – und dennoch, obwohl er vom Schicksal schon dermaßen geküsst worden ist, war ich sehr gerührt, als er die finale Krönung erfuhr.

Warum? Weil er uns, die wir uns für Fußball begeistern, so viel geschenkt hat. Weil seine Kunst einzigartig war – auch jetzt wieder, bei dieser WM. Wie sagte es der argentinische Weltmeister von 1986 und heutige Fußball-Philosoph Jorge Valdano? "Wer Messi nicht liebt, liebt den Fußball nicht."

Messi oder Ronaldo – mal abgesehen davon, dass diese Diskussion völlig sinnlos ist, weil beide Ausnahmefiguren sind: Das Spiel von Ronaldo hat mich nie so berührt wie das von Messi. Ronaldo ist Kraft, Wucht, Effizienz. Eine Maschine. Messi ist Grazie, Anmut, Ästhetik. Ein Genie. Ein Tänzer. Ballspiel als Ballett. Kennen Sie sein berühmtes Tor gegen Getafe? Es gibt keinen Fußballmoment, den ich mir öfter bei Youtube angeschaut habe.

Ob er der Beste aller Zeiten ist? Keine Ahnung. Aber er ist definitiv der Beste unserer Zeit. Und es ist ein Geschenk, ihn als Fußballfan miterleben zu dürfen.

Es kann nur Maradona sein

von Ronald Reng

Unser Sohn fragte mich einmal: "Papa, wen findest du besser, Cristiano Ronaldo oder Messi?" "Maradona", antwortete ich.

Bei der Frage, wer der beste Fußballer aller Zeiten ist, muss es meiner Meinung nach doch darum gehen, wer in diesem Mannschaftssport der beste Einzelspieler war. Und das kann nur Diego Maradona sein. Er spielte so oft, als müsse er die gegnerische Elf ganz alleine besiegen. Und oft genug tat er das auch. Messi dagegen zeigt zwar auch eine Vielzahl fantastischer Einzelaktionen, aber seine Dribblings, Haken, Pässe und Schüsse sind fast immer eingebettet in das Zusammenspiel mit seinen Mitspielern. Messi erhielt einen traumhaften Pass von Xavi und sauste los. Messi umdribbelte hakenschlagend zwei Gegner und fand mit seinem Zuspiel Julián Álvarez optimal positioniert am Fünfmeterraum. Maradona gaben die Mitspieler den Ball und sagten: Nun mach mal! Und er machte.

Auch hatte ich den Eindruck, Maradonas kunstvoller Umgang mit dem Ball war im wahrsten Sinne des Wortes einzigartig. Wahrscheinlich konnte er Liegestütze machen und den Fußball dabei mit dem Po jonglieren. Messis Dribblings und Finten dagegen sind Aktionen, die wir schon kannten, nur nicht in dieser Perfektion. Der beste Fußballer der Welt zu sein, das bedeutet nicht nur, phänomenal gut Fußball zu spielen, sondern mit Genie und Wahnsinn zu spielen. Wenn wir sehen, was Genie und Wahnsinn aus Maradona machten, kann Messi froh sein, dass er nicht auf dessen Stufe steht.

Die Krone aufgesetzt

von Michael Rummenigge

Seit Sonntagabend bin ich mir sicher, dass es doch einen Fußballgott gibt. Wenn man sieht, wie Lionel Messi den WM-Pokal in die Höhe stemmt, hat man schon ein kleines Tränchen im Auge. Gerade nach so einem Finaldrama, das selbst Shakespeare nicht hätte besser schreiben können. Der Triumph der Argentinier war hochverdient. Wegen Messi. Kein Spieler hat dem Turnier und dem Spiel seiner Mannschaft mehr den Stempel aufgedrückt. Dass wir so einen Ausnahmekönner zu unseren Lebzeiten verfolgen durften, ist ein Geschenk. Jetzt hoffe ich, dass er seine Karriere im Sommer beendet, damit wir ihn in absoluter Topverfassung in Erinnerung behalten können.

Ob Messi der Beste aller Zeiten ist? Ich finde, das kann man kaum beantworten. Es gibt viele Spieler, die ihre jeweilige Dekade geprägt haben. Pelè zum Beispiel hat mich durch seine Leistungen bei der WM 1970 zum Fußball gebracht. Danach kamen Franz Beckenbauer und Johan Cruyff, anschließend Diego Maradona. Klar ist: Messi hat in seiner langen Karriere Unglaubliches geleistet und ihr durch den WM-Triumph die Krone aufgesetzt. Er hat unzählige Rekorde aufgestellt und Momente für die Ewigkeit geschaffen. Davor kann man sich nur verbeugen und den Hut ziehen.

Dass sein legitimer Nachfolger schon parat steht, hat man im Finale der Weltmeisterschaft ebenfalls gesehen. Mit seinen drei Endspieltoren konnte auch Kylian Mbappé seine außergewöhnliche Klasse beweisen. Ob er es langfristig in die Sphären von Messi schafft, muss man abwarten. Dafür muss er von Verletzungen und Flausen im Kopf verschont bleiben.