"Du bist doch...!", "Sind Sie nicht...?" Fragen, die so beginnen, kennt Thomas Reichel (22) von klein auf. "Ich habe mich längst dran gewöhnt, es stört mich auch nicht", sagt der Zugang des deutschen Eishockey-Vizemeisters Grizzlys Wolfsburg. "Wir sind halt eine Familie, die Eishockey lebt."
Um die Fragen zu beantworten: Ja, er ist. Thomas Reichel ist der Bruder von Lukas Reichel (gerade 19 geworden), einem weiteren Shootingstar des deutschen Eishockeys neben Tim Stützle (schon bei den Ottawa Senators in der NHL), Moritz Seider (bester Verteidiger in der abgelaufenen Saison in Schweden, für die NHL von den Detroit Red Wings gedraftet) und eben Lukas Reichel, vergangene Saison an Nummer 17 von den Chicago Blackhawks für die NHL gezogen.
Thomas und Lukas wiederum sind die Söhne von Martin Reichel, der über 700 DEL-Spiele absolviert hat - auch für Frankfurt, als Wolfsburgs heutiger Manager Charly Fliegauf dort Sportdirektor war. "Die Älteren sprechen mich eher auf Martin und Robert an, jüngere eher auf Lukas" erzählt Thomas Reichel. Martin spielte bei sieben WMs und war beim bis vor kurzem letzten WM-Sieg gegen Kanada 1996 dabei, ehe es dem DEB-Team mit Lukas dieser Tage nach 25 Jahren erneut gelang, die Ahornblätter zu schlagen.
Und es gibt noch Robert Reichel. Der spielte auch mal für Frankfurt (148 Punkte in 70 Partien), war aber vor allem ein gestandener NHL-Akteur (700 Partien). Dessen Sohn Kristian wiederum, Cousin des Wolfsburger Zugangs, hat auch einen NHL-Kontrakt bei den Winnipeg Jets.
"Keine Frage", sagt Thomas Reichel, "Eishockey ist schon das große Thema bei uns. Ein paar Wochen im Sommer ist das dann vielleicht mal anders. Früher haben wir uns alle mindestens einmal im Jahr getroffen, seit Lukas und ich im Profibereich Fuß gefasst haben, sind wir nicht mehr immer dabei."
Zu Bruder Lukas hält er viel Kontakt, auch gerade im Moment während der WM. Denn während Lukas mit dem DEB-Team in Riga ist, weilt der Bruder bei den Eltern in Rosenheim. Per Facetime werden die Spiele diskutiert, im Moment aber drücken alle dem Nationalspieler die Daumen, dass er sich gegen Kasachstan, als er einen schweren Check gegen den Kopf einstecken musste, nicht langwierig verletzt hat.




Vater Martin ist seit mehr als einem Jahrzehnt für den SB Rosenheim als Coach tätig, hatte dort immer ein Auge auf die Söhne, war öfter Lukas' Trainer. "Ich hatte ihn nie als Head-Coach, nur als Co-Trainer", sagt derweil der drei Jahre ältere zukünftige Wolfsburger.
Der jüngere Bruder strebt der NHL-Karriere entgegen, der ältere hofft auf den Durchbruch in der DEL. "Das ist mein Ziel, ich möchte nach meinem kommenden letzten U23-Jahr in der DEL bleiben." Im mit Talenten gespickten Kader der Eisbären-Berlin hatte er es nicht ganz geschafft, kam auf zehn DEL-Einsätze, spielte mit einer Förderlizenz meist für die Lausitzer Füchse in der 2. Liga. Dort war er Stammspieler. Anders als der schnelle, wieselige jüngere Bruder, der als Mittelstürmer und als Außen spielen kann, ist der Grizzlys-Zugang ein absolut typischer Reichel - Center, wie der Vater, der Onkel, der Neffe. Und mit 1,90 Metern ziemlich groß. "Ich komme mehr über meine Übersicht und Physis", sagt er. Und wünscht sich manchmal die Unbekümmertheit des Bruders. "Ich denke manchmal zuviel nach", gibt Thomas zu, "aber das hat sich schon gebessert". Als die Anfrage aus Wolfsburg kam, musste er nicht lange überlegen. "Charly Fliegauf hat mir aufgezeigt, dass ich hier regelmäßig DEL-Eiszeit bekommen kann. Das war mir wichtig." Er ahnt: "Es wird ungewohnt werden, denn ich ich kenne praktisch keinen in der Mannschaft, habe nur mit Valentin Busch mal in der deutschen U18 zusammengespielt."
Neues Team, neues Umfeld - beim zu erwartenden Umzug in die NHL wird es für den jüngeren Bruder ähnlich sein. Aber dass sie die Erfahrungen austauschen, sich Tipps geben und von der ersten Reichel-Generation holen, wenn nötig, davon ist in dieser Eishockey-Familie auszugehen.
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