26. Januar 2023 / 20:07 Uhr

Spielplan-Chaos, Mentalität, Kraftproblem: Die DHB-Erkenntnisse nach der Viertelfinal-Niederlage

Spielplan-Chaos, Mentalität, Kraftproblem: Die DHB-Erkenntnisse nach der Viertelfinal-Niederlage

Jens Kürbis
Lübecker Nachrichten
Das deutsche Handball-Team um Kai Häfner ist im Viertelfinale der WM gescheitert.
Das deutsche Handball-Team um Kai Häfner ist im Viertelfinale der WM gescheitert. © dpa
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Das Aus im WM-Viertelfinale gegen Top-Favorit Frankreich hat bei den deutschen Handballern viel Enttäuschung hinterlassen. Auch um den Spielplan gab es Diskussionen, nachdem Frankreich mehr Pause hatte als Deutschland und der nächste DHB-Gegner Ägypten nun nicht reisen muss.

Nikola Karabatic schlappte durch das Danziger Flughafenterminal, erfüllte nebenbei noch ein paar Autogrammwünsche, ehe er sich mit seinen Teamkollegen scherzend an der Schlange zum Sicherheitscheck anstellte. Frankreichs Handballer machten sich entspannt und gut gelaunt auf den Weg nach Stockholm, wo sie am Freitag (21 Uhr, Eurosport) im WM-Halbfinale vor 22.000 Zuschauern auf Gastgeber Schweden treffen. Mit ihnen im Flieger saß auch die deutsche Mannschaft – doch bei ihr war eine gehörige Portion Enttäuschung mit an Bord. 40 Minuten hatten Johannes Golla und Co. auf die Sensation hoffen können, 40 Minuten war der Glaube greifbar, ehe sie gegen den Olympiasieger und Rekordweltmeister erst den Mut und dann das Viertelfinale viel zu hoch mit 28:35 verloren. Doch die WM ist noch nicht vorbei.

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An diesem Freitag (15.30 Uhr, ARD) trifft Deutschland auf Afrikameister Ägypten. Der Sieger spielt am Sonntag um Platz fünf, der Verlierer um Rang sieben. Nicht ganz unwichtig: Der Fünfte darf eins von vier Qualifikationsturnieren für Olympia 2024 ausrichten. Das Ticket dafür hatte die DHB-Auswahl mit dem Erreichen des Viertelfinals gelöst.

Frankreich-Star Karabatic lobt DHB-Team

Fürs Halbfinale fehlten den Deutschen 20 Minuten, auch wenn Karabatic erklärt: "Wir hatten nie Angst, dass wir das Spiel verlieren." Doch er schränkte ein, dass "das Ergebnis nicht zeigt, wie gut, wie gefährlich die Deutschen sind. Sie haben eine tolle, junge Mannschaft." Eine, der es an Konstanz in der Breite fehlt, die aber auch mit neuen Gesichtern (Juri Knorr, Julian Köster), gereiften Routiniers (Andreas Wolff) und erfrischendem Offensivhandball in der Heimat begeisterte. Das belegen knapp 7,5 Millionen Zuschauer in der Spitze und eine Einschaltquote von bis zu 26,5 Prozent.

Und die Fans kennen jetzt auch den Namen Rémi Desbonnet. Es waren nicht die Superstars um Karabatic, sondern es war der Mann aus Montpellier, die Nummer zwei im französischen Tor, der den Unterschied ausmachte. Mit fast 50 Prozent abgewehrter Bälle war er der Matchwinner. "Wir haben ihn zum Helden gemacht. Gegen einen ganz Großen wie Frankreich muss 60 Minuten alles passen, nicht nur 40. Am Ende haben wir uns dann sogar aufgegeben. Das enttäuscht mich", ärgerte sich Torhüter Wolff, der mit 16 Paraden ebenfalls bärenstark war. Golla brachte es auf den Punkt: "Wir haben in den entscheidenden Spielen den Sack nicht zumachen können. Das fehlt uns zur Weltspitze. Das ist ein Prozess, den wir durchlaufen müssen."

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Bundestrainer Gislason sieht "gewaltige Fortschritte" bei WM

Bundestrainer Alfred Gislason war derweil hin- und hergerissen: "Die Mannschaft hat bei dieser WM gewaltige Fortschritte gemacht. Aber es ärgert einen schon, dass wir es nicht besser zu Ende bringen." Und er verhehlte nicht, dass es auch eine Kraftfrage war, "das hat man bei Knorr und Köster gesehen".

Die WM wird aufgrund des chaotischen Modus auch als eine unfaire in die Geschichte eingehen. Denn Frankreich hatte einen Tag mehr zur Regeneration, Ägypten muss zum nächsten Spiel nicht reisen. "Was mich ärgert, ist der Spielplan. Es ist ein Unterschied, ob man vor so einem Spiel zwei Tage frei hat oder nur einen so wie wir. Das war ein großer Faktor." Auch für Frankreichs Kentin Mahe: "Natürlich war es zu unserem Vorteil. Diese Disbalance zwischen zwei Mannschaften, gerade wenn es in die K.-o.-Phase geht, darf nicht sein."

Mit Ägypten haben die Deutschen "noch ein Hühnchen zu rupfen", sagt Wolff und meint damit das Viertelfinal-Aus bei Olympia 2021. Um die Aufgabe meistern zu können, nominierte Gislason für den abgereisten Paul Drux (erkältet) Lukas Stutzke und Lukas Zerbe nach.