Ausgerechnet während der Handball-WM in Schweden und Polen ist ein Bericht aufgetaucht, wonach Handballspiele in europäischen Wettbewerben in den Jahren 2016 und 2017 unter Manipulationsverdacht gestanden hätten. Acht Topschiedsrichterpaare, von denen auch zwei während der Titelkämpfe im Einsatz sind, werden laut einem geheimen Bericht des Analyseunternehmens Sportradar Spiele mit fragwürdigen Entscheidungen in Verbindung gebracht. Zuerst berichtete der dänische TV-Sender TV2 darüber.
In dem Sportradar-Bericht geht es um 26 Spiele zwischen September 2016 und November 2017, die Anzeichen für Spielmanipulationen aufgewiesen hätten. Dazu gehörten Länderspiele und Spiele der Champions League. Betroffen waren laut Sportradar auch Spiele der deutschen Spitzenvereine THW Kiel und SG Flensburg-Handewitt.
THW-Boss Szilagyi: "Höre davon zum ersten Mal"
Der THW wird in dem Bericht mit seinem Gruppenspiel der Saison 2016/2017 gegen Telekom Veszprem erwähnt, weil auffällig viele Wetten auf ein Remis zur Pause abgeschlossen worden seien. Pausenstand war: 15:15. "Ich höre davon zum ersten Mal", sagte THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi dem SPORTBUZZER, dem Sportportal des RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Die Sportradar AG ist ein internationales Unternehmen mit Sitz in St. Gallen, das Sportdaten erfasst und verarbeitet. Sportradar ist unter anderem Dienstleister für die Sportwettenindustrie (Wettquotenvorschläge, Ergebnisservice, Marktüberwachung, Trading) und unterstützt Sportverbände und Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Wettmanipulationen.
Der Integritätsdienst vermute, dass die Schiedsrichter in diesen Spielen den Ausgang in unzulässiger Weise zu ihrem eigenen Vorteil beeinflusst hätten, heißt es in dem Bericht von Sportradar laut TV2. Sportradar wurde demnach von sieben Wettanbietern kontaktiert, weil "verdächtig" hohe Beträge beispielsweise auf Unentschieden zur Halbzeit oder nach dem Schlusspfiff sowie auf vergleichsweise wenig erzielte Tore gesetzt wurden.
Laut "TV2" auch WM-Schiedsrichter im Bericht genannt
Namentlich werden in dem TV2-Bericht auch Schiedsrichter genannt, die bei der aktuellen Weltmeisterschaft bereits im Einsatz waren. Einer dieser Unparteiischen bestritt gegenüber dem TV-Sender aus Dänemark die Vorwürfe. Auch Sportradar schreibt in dem 2018 erstellten Papier, dass der Bericht kein Beweis dafür sei, dass wirklich Spiele manipuliert worden seien, doch das Unternehmen empfahl der in Wien sitzenden Europäischen Handballföderation (EHF), die Schiedsrichter und die Vertreter der betroffenen Vereine zu untersuchen.
Die EHF erhielt den Bericht von Sportradar nach eigenen Angaben im Dezember 2018 und leitete die Ergebnisse an das österreichische Bundeskriminalamt weiter. "Nach Kenntnis der EHF haben diese polizeilichen Ermittlungen bisher zu keinem Ergebnis geführt und die Spekulationen blieben nach der Untersuchung unbewiesen", teilte der Verband am Sonntag mit.
Weltverband verweist auf österreichische Behörden
Der Weltverband IHF reagierte gegenüber TV2 ähnlich, schrieb, dass die Schiedsrichter über jeden Verdacht erhaben seien, "bis ihre Schuld bewiesen ist. Wir sind auch davon überzeugt, dass die EHF über die Kompetenz verfügt, mit solchen Fällen umzugehen, und vertrauen den österreichischen Behörden voll und ganz, dass sie die Situation klären und eventuell bestehende Zweifel ausräumen."
Gerd Butzeck vom Forum Club Handball, einer Art Vereinigung der großen europäischen Handballklubs, sagte auf SPORTBUZZER-Anfrage über den Bericht: "Ja, es gibt diesen Report. Die EHF hat das damals auch sehr transparent untersucht. Doch es ist nichts dabei herausgekommen. Deshalb wurde das auch nicht weiter verfolgt." Alle Schiedsrichter sind seit 2018 weiterhin im Einsatz.
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