Ach Quatsch! Auswärtsfluch? Gibt es nicht. Das sagte Stürmer Marvin Ducksch. Hannover 96 wurde also nicht verhext, was eine gute Nachricht ist. Aber nach dem 1:4 kam Kapitän Dominik Kaiser schon ins Grübeln. „Wir haben eine Auswärtsschwäche bislang nicht thematisiert“, sagte Kaiser. Da wird es Zeit.
Die Statistiken und Symptome deuten auf eine schwere Auswärtsallergie. 96 verlor saisonübergreifend in der Liga sechs Auswärtsspiele in Serie. Auswärts steht 96 mit null Punkten abstiegsreif da. So steigt die Mannschaft sicher nicht auf. Was tun gegen die heftigen Ausschläge nach unten? Eine Analyse der Symptome.



Schwächeanfälle
In Fürth wirkten fast alle Spieler platt. Das Mittelfeld, voran Sechser Jaka Bijol, war nicht wettkampfbereit oder konkurrenzfähig. Bijol, gegen Düsseldorf noch stark, verlor auf der Position, auf der früher Altin Lala oder Waldemar Anton den Gegner beackerten, im Schnitt drei von vier Zweikämpfen. „Wir hatten Totalausfälle“, erklärte Kocak. Aber ein Fitnessproblem hatte die Mannschaft unter Kocak bisher nie – im Gegenteil. Doch im Vergleich zum Düsseldorf-Spiel fielen die Schwächeanfälle bei kraftlosen Ballverlusten auf.
War 96 überspielt oder übertrainiert in der hohen Taktzahl der Corona-Zeit? „Ich denke nicht, dass es an den physischen Belastungen lag oder liegt“, erklärte Kocak. „Die Spieler haben eine gute Grundbasis.“ Hier setzt der Trainer also nicht zuerst an. Er hat außerdem nach dem Aue-Spiel Zeit, die meisten Spieler in der Länderspielpause aufzupäppeln.
Koordinationsprobleme
96 zielte in Fürth nur ein einziges Mal aufs Tor, dieser Schuss von Hendrik Weydandt war drin. Ansonsten stimmten die Koordinaten nicht: Weder Torschüsse noch Flanken kamen präzise oder im richtigen Moment. Ähnliche Probleme bei der Reaktion und beim Timing gab es hinten. Sei Muroya drehte sich fast schwindelig, statt zielstrebig zu verteidigen.
Antriebslosigkeit
Genki Haraguchi legte diesmal einen bemerkenswert teilnahmslosen Auftritt hin. Fürth nahm dem „Zehner“ jede Lust, das Spiel zu gestalten. Haraguchi, sagte Fürth-Trainer Stefan Leitl, sei wie Marvin Ducksch „Ausnahmespieler, die musst du beherrschen, das ist uns gelungen“.
Haraguchis Lustlosigkeit war nach eigener katastrophaler erster Hälfte und nach dem 0:3-Rückstand bis auf die Tribüne zu spüren. „Genki, was ist los?“ fragte Doktor Kocak von der Seitenlinie besorgt. Kocak ging am Montag bereits in die Analyse. Ähnlich wie Haraguchi wird er sich nach Leistung in Fürth auch Maina oder Florent Muslija vornehmen.
Bilder zum Spiel der 2. Bundesliga zwischen Greuther Fürth und Hannover 96
Gleichgewichtsstörung
Nach Heimsiegen kippt die Stimmung bei den Profis in Übermut. Kaiser spricht von „Schwankungen“. Die Spieler scheinen zu vermuten, nach Heimsiegen schaukele sich die nächste Partie schon von allein. Dabei wirken Heim- oder Derbysiege wie Aufputschmittel mit der Nebenwirkung einer Selbstüberschätzung. Das gibt offenbar den Ausschlag für die Auswärtsallergie – mit diesmal offensichtlichen Auswirkungen in Fürth.
Wahrscheinlich hätte es geholfen, wenn 96 verdientermaßen 1:7 verloren – dann hätte gewiss der Selbstheilungsprozess stärker eingesetzt. Die Spieler stehen dennoch gegen Aue unter Druck, um nicht abzurutschen in der Tabelle. Aber die Druckkammer war für die 96-Spieler unter Kocak bisher recht heilsam. Denn was für die Auswärtsschwäche gilt, ist für die Heimstärke ebenso gültig: Nach schwachen Leistungen folgten immer ordentliche zu Hause. Das macht Mut für den Heilungsprozess.