Es hätte ein ganz normales Fußballspiel werden können am Samstag in Aue. Nein, sagen wir nicht Fußballspiel, sagen wir 96-Spiel: Die Roten verschlafen die ersten Minuten, kassieren früh ein Gegentor, versuchen fortan ihr Bestes, und das Beste reicht in dieser Saison nicht für die obere Tabellenregion, die aus 96-Sicht mittlerweile bei Platz 12 beginnt. Doch dann kommt alles ganz anders, es wird geradezu ein denkwürdiges Spiel.
Für ein denkwürdiges 96-Spiel braucht man nicht viel im Jahr 2022. Gewinnen reicht schon. Man braucht keine Pyromanen, die das Stadion zunebeln wie in Kiel, man braucht auch keine Klimaaktivisten, die sich mit Kabelbindern aus garantiert organischem, biologisch abbaubarem Material an Kevin Trapps Pfosten und immerhin nicht an Kevin Trapp selbst verschnüren. Nicht mal von übermütigen Anhängern erzwungene Trikotniederlegungen für die unterlegene Mannschaft braucht es für ein denkwürdiges 96-Spiel in der Saison zehn nach dem Europapokaaaaaaal.



Und weil eben mit nicht allzu viel Spektakel zu rechnen ist, hat Sky seinen sprachbegabtesten Mitarbeiter ans Mikrofon gesetzt, und der legt dann auch gleich mächtig los: Aue müsse „das Momentum bewegen“, und in einer Aktion von Sebastian Kerk sieht er „Spurenelemente von Torschuss“. Dann hat er gerade noch Zeit, loszuwerden, dass 96 bei Ecken vollkommen ungefährlich ist. Und schon passiert die erste Denkwürdigkeit: 96 führt mit 1:0. Nach einer Ecke. In der 3. Minute. Ohne Vorwarnung. Da steht dem 96-Fan vor Staunen der Mund offen, was ganz praktisch ist, wenn sowieso gerade Bier reingefüllt werden sollte.
Der Sky-Reporter lässt aber nicht locker: Als Muroya gefoult wird, war der Ball „gefühlt in einem anderen Landkreis“, überhaupt dieses Aue, das „mit Siebenmeilenstiefeln die Talsohle bewandert“. Gegen Regensburg habe 96 „trotz einer Stunde Unterzahl den Dreier nicht eingefahren“, jaja, diese Unterzahl mit 11 gegen 10, immer wieder tückisch.
Doch dann – die zweite Sensation. Ein hannoverscher Mittelstürmer schießt ein Tor. Und es zählt. Hendrik Weydandt katapultiert sich mit seinem Treffer von Platz 143 auf Platz 90 der Torjägerliste. Er führt in der internen Wertung gegen Lukas Hinterseer, der die maßgeblichen Kriterien für die Aufnahme in die Torschützenliste im Moment nicht erfüllt und nach der Saison aus dem Bällebad abgeholt werden möchte.
96-Torschützenkönig Kerk trifft dann auch noch irgendwie, und der Reporter, noch eine Denkwürdigkeit, sagt „hannoverscher Trainer“ statt „Hannoveraner Trainer“. Das können nur ganz wenige, das ist echte Expertise und absolut zweitligatauglich. Dort wird Hannover nach Lage der Dinge mindestens ein weiteres Jahr bleiben, mit dem HSV und Felix Magath, aber vermutlich ohne Lukas Hinterseer. Denn es stellt sich heraus: Wenn Hinterseer in der kommenden Saison nicht bei 96 spielt, wird seine Torquote nicht schlechter sein als in dieser Saison. Da kann man mit seinem Gehalt besser einen neuen Rasen kaufen und den Fuhrpark einmal volltanken.



Weydandt hingegen hat einen Lauf und trifft regelmäßig, wenn auch nur alle acht Monate. Im Dezember ist wieder mit ihm zu rechnen, und genau diese Erwartung will er gegen Düsseldorf unterlaufen. Die Alt-Städter denken: Weydandt-Treffer sind so wahrscheinlich wie Sonnenfinsternissen – den lass mal laufen. Und zack haben sie die ersten beiden Dinger drin. Und nächste Saison: Torschützenkönig. Denkwürdig.
Der Platzwart live – die Saisonbilanz am 19., 20. Und 27. Mai in der Fußballkneipe „Nordkurve“ am Stadion. Vorverkauf: 16. April, 10.30 bis 13 Uhr in der „Nordkurve“.
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