15. Februar 2022 / 11:17 Uhr

Der tragische Ernst-Fall: Wie geht es für den 96-Spielmacher jetzt weiter?

Der tragische Ernst-Fall: Wie geht es für den 96-Spielmacher jetzt weiter?

Dirk Tietenberg und Andreas Willeke
Hannoversche Allgemeine / Neue Presse
Sebastian Ernst wird Hannover 96 lange fehlen - die Mannschaft stellte sich demonstrativ hinter ihre Nummer 10.
Sebastian Ernst wird Hannover 96 lange fehlen - die Mannschaft stellte sich demonstrativ hinter ihre Nummer 10. © Martin Ewert / presse.ninja / Benjamin Brommann
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Die tragische Verletzung von Sebastian Ernst überschattete das Heimspiel von Hannover 96 gegen Darmstadt. Die schockierte Mannschaft sendete Zuspruch. Ernst droht nun mindestens ein halbes Jahr Pause.

Die Nachricht traf die Mannschaft gestern wie ein Schock. Klar, geahnt hatten es die Kollegen am Sonntag schon. Sebastian Ernst (26) kam als Letzter in den Kabinenflur vor dem An­pfiff der Partie gegen Darmstadt. Aber nicht allein. Team­arzt Hauke Mommsen und Physio Thomas Klopp schleppten den humpelnden Profi an der Kabine vorbei in den Behandlungsraum.

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Trainer Christoph Dabrowski und Sportdirektor Marcus Mann begannen mit ihrem Krisenmanagement. Für Ernst musste Sebastian Stolze spielen. Den Verdacht auf ei­nen Riss der Achillessehne behielten die 96-Chefs für sich. Denn vor dieser Art der Verletzung hat jeder Profi Angst. „Es war gut, dass den Spielern vorm Anpfiff die Schwere der Verletzung nicht bekannt war“, sagte Mann. So kam noch eine anständige Leistung heraus beim 2:2 ge­gen Darmstadt.

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Mannschaft wird am Montag informiert - und macht Gruppenfoto

Vor dem Spiel war Ernsts letzter Sprung nach dem Aufwärmen fast unbemerkt geblieben. Er landete falsch. Fuß, Wade, Knie – überall tat es weh, ihm schossen Tränen in die Augen. Am Montagmorgen bestätigte sich die Befürchtung: Die Sehne ist gerissen. Ernst muss operiert werden und kann nichts anderes tun, als langsam den Weg zurück in den Profifußball zu finden. Die 96-Mannschaft bekam am Montag im Rahmen des Trainings Gewissheit. Die Spieler vereinbarten ein Gruppenfoto für ihren „Sebi“ – den Aufwand betreiben Fußballer auch nicht für jeden.

Sebastian Ernst ist nicht jeder, eher ein besonderer Jedermann. Ein Fußballprofi ohne Allüren, ohne dickes Au­to, ohne Penthouse, dafür mit umso mehr Verständnis für die Alltäglichkeiten. Ein Vorbild ist für ihn Lars Stindl – auch so einer, den jeder mag.

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"Es tut mir unendlich leid für ihn"

Bei 96 mag es nicht gut laufen für ihn. Dennoch wurde er in Hannover für die Wahl zum Sportler des Jahres nominiert. Ge­win­nen konnte er nicht, das hätte niemand bei 96 nach unterdurchschnittlicher Jahresleistung geschafft. Aber viele Fans gaben dem geborenen Neustädter ihre Stimme.

„Es tut mir unendlich leid, er wird uns fehlen“, sagt Mann, „es ist eine riesige Enttäuschung und ein Schlag für uns alle. Jeder hat sich ge­freut, dass er wieder in die Startelf rückt. Das hat er sich auch mit einer guten Trainingswoche verdient. Es war relativ früh klar, dass er von Anfang an spielt.“ Er war einfach dran gewesen zu zeigen, warum 96 den Aufstiegshelden aus Fürth zurückgeholt hatte.

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<b>Sebastian Ernst:</b> Das Eigengewächs, von 2006 bis 2016 bei 96 ausgebildet, stand unter Tayfun Korkut bereits ein paar mal im Profikader, als eine Syndesmosebandverletzung den Spielmacher zurückwarf. Korkuts Nachfolger Michael Frontzeck schickte Ernst zurück zu den Amateuren, es folgte der Wechsel nach Magdeburg in die 3. Liga. Zur Galerie
Sebastian Ernst: Das Eigengewächs, von 2006 bis 2016 bei 96 ausgebildet, stand unter Tayfun Korkut bereits ein paar mal im Profikader, als eine Syndesmosebandverletzung den Spielmacher zurückwarf. Korkuts Nachfolger Michael Frontzeck schickte Ernst zurück zu den Amateuren, es folgte der Wechsel nach Magdeburg in die 3. Liga. ©

Halbes Jahr bis zum Comeback erwartet - oder länger

Aufstiegsheld. Das Wort ist so weit weg von Ernst wie Hannover von München, wo Ernst beim Fußspezialisten Markus Walther in der Schön-Klinik operiert wird. Wal­ther hat viele berühmte Fußballer behandelt, große Stars, darunter der Welttorwart Manuel Neuer. Nach der Diagnose reiste Ernst gestern nach München ab. „Für ihn geht’s jetzt darum, den Schock zu verarbeiten“, meint Mann. Und damit meint er nicht nur die Genesung seiner Sehne.

Die Verletzung der kräftigsten menschlichen Sehne hat einen angsteinflößenden Ruf. Früher konnte das die Karriere kosten. Der Dortmunder Axel Witsel brauchte nach seinem Riss und einer OP exakt ein halbes Jahr bis zum Comeback. Eine kurze Zeit, auch wenn es hart klingt. Wie lange Ernst genau brauchen wird, „kann man noch nicht sagen, bei der Verletzung gibt es eine große Spanne beim Heilungsverlauf“, weiß auch Mann.

Das ist Sebastian Ernst: Eine Karriere in Bildern.

Schon als A-Jugendlicher spielte Ernst hin und wieder in der zweiten Mannschaft von Hannover 96. In seinem ersten Herrenjahr schlug er gleich richtig ein. Er absolvierte 30 Spiele und erzielte zehn Tore in der vierthöchsten deutschen Spielklasse. Hier freut er sich über einen Treffer gegen den SV Wilhelmshaven. Zur Galerie
Schon als A-Jugendlicher spielte Ernst hin und wieder in der zweiten Mannschaft von Hannover 96. In seinem ersten Herrenjahr schlug er gleich richtig ein. Er absolvierte 30 Spiele und erzielte zehn Tore in der vierthöchsten deutschen Spielklasse. Hier freut er sich über einen Treffer gegen den SV Wilhelmshaven. © imago

Ernst steckte schon einige Rückschläge weg

Der 26-jährige Ernst hatte große Hoffnungen an seine Rückkehr geknüpft. Nach zehn 96-Jugendjahren war er 2015 auf dem Sprung zum Profi in der Startelf. Da riss das Syndesmoseband.

100 Tage fiel er damals aus, ein Jahr später verpasste er in Magdeburg die Vorbereitung wegen der gleichen Verletzung. Später in Fürth brach er sich den Mittelfuß und fiel drei Monate aus. Er steckte einige Rückschläge weg. Dieser Schlag wird der härteste sein in seiner Karriere. „Wir freuen uns heute schon darauf, wenn wir ihn wieder im Kreis der Mannschaft begrüßen können“, sagte Mann.