Kommt vielleicht gar nicht mehr jeder Fan drauf – wie hieß noch mal der letzte Abstiegstrainer aus der Bundesliga? Genau, Thomas Doll führte 96 im Mai 2019 in die 2. Liga. Seitdem kreiselt 96 im Unterhaus herum, jetzt schon im dritten Jahr. Der Quervergleich der drei Saisons nach dem aktuellen 12. Spieltag offenbart die trostlose Lage – ein Stillstand am 96-Tiefpunkt.
Zum Positiven hat sich sportlich seit 2019 nichts bewegt. Trainer Mirko Slomka wurde gefeuert nach diesem zwölften Spiel, einem 1:1 zu Hause gegen Sandhausen. Diese Partie weist Parallelen auf zum 1:1 am vergangenen Samstag gegen Aue. 96 ging jeweils früh in Führung (7. Minute, Hendrik Weydandt; 4., Sebastian Kerk), kassierte den Ausgleich und hatte Glück, nicht noch zu verlieren. Trainer Jan Zimmerman hat anders als Slomka jedoch noch Kredit. Aber warum kommt 96 sportlich nicht voran? Eine Spurensuche.



Die Risikopersonalien auf den Chefposten
Die vielen Fehlentscheidungen müssen mit hohen Abfindungen bezahlt werden. Nach dem Abstieg 2019 musste Manager Horst Heldt gehen. Ihm folgte Jan Schlaudraff, der eigentlich für die zweite Reihe vorgesehen war. Weil aber Topkandidaten wie Markus Krösche (zog Leipzig vor, jetzt Frankfurt) und Jonas Boldt (ging zum HSV) absagten, rückte Schlaudraff mangels Alternativen vor.
Trainer wurde Slomka, der ansonsten nicht mehr vermittelbar war. Der legendäre Satz von 96-Chef Martin Kind bei der Vorstellung der beiden: „Wir kriegen das irgendwie hin.“ Haben sie nicht. Auf Slomka folgte Kenan Kocak, der zuvor im beschaulichen Sandhausen gearbeitet hatte. Kocak freundete sich mit Gerhard Zuber an, vorher zweiter Mann hinter Heldt und kaltgestellt. Zuber hatte 96 verklagt und wurde aus dem Gericht zum Nachfolger von Schlaudraff befördert.
Kaum war Schlaudraff weg, wurde aus dem Miteinander von Kocak und Zuber ein Gegeneinander. Beide wurden nach der letzten Saison wieder verabschiedet. Mit dem neuen Sportchef Marcus Mann verbindet Kind große Hoffnungen. Trainerwunschkandidat war Steffen Baumgart, der aber nach Köln ging. Aus Havelse kam dann Zimmermann, der neu ist im Profigeschäft, eine Billiglösung und ein Risiko.
Permanenter Umbruch
Die jeweiligen neuen Trainer und Manager wollten stets neue Spieler haben. Kocak etwa schickte Profis wie Ron-Robert Zieler, Edgar Prib, Marvin Bakalorz und Felipe für insgesamt 1,5 Millionen Euro Abfindung weg. Zur jetzigen Saison kamen elf neue Spieler. Einige wie in den Vorjahren erst spät. Für den Findungsprozess der Mannschaft, der ja eigentlich Zeit baucht, fehlt die Zeit.



Transferpannen
Heldt hat 96 mit Jonathas eine schwere 10-Milllionen-Erblast hinterlassen. Über die Jahre gab’s eine lange Liste der Flops. Schlaudraff verpflichtete etwa ohne Not den teuren Torwart Zieler, obwohl mit Michael Esser eine ordentliche Nummer eins an Bord war. Zuber/Kocak lagen fast nur daneben, am teuersten bei Patrick Twumasi. Jetzt fragt sich, ob der jüngst verpflichtete Lukas Hinterseer der Torgarant ist, den 96 unbedingt braucht.
Abgaben und Qualitätsverluste
Jahr für Jahr gingen Leistungsträger wie Ihlas Bebou (Hoffenheim), Niclas Füllkrug (Werder), Waldemar Anton (Stuttgart). Zuletzt: Timo Hübers (Köln), Genki Haraguchi (Union Berlin) und Marvin Ducksch (Werder). Sie wurden (siehe Transferpannen) selten angemessen ersetzt.
Altlasten und Langzeitprobleme
Seit dem Abstieg schleppte 96 Spieler durch, die ihre überbezahlten Verträge aussitzen, aber ihrer Form hinterlaufen. Das sind aktuell Florent Muslija, Linton Maina und Twumasi. Auch der hoch dotierte Weydandt-Vertrag gilt als teurer Fehler. „Wir haben immer noch eine relativ teure Mannschaft“, sagt Kind.
So war’s Jahr für Jahr, ohne dass sich das in Leistung auszahlte. Für die 2. Liga verhältnismäßig viel Geld in den Händen der falschen Leute, die damit die falschen Spieler holten. Das Ergebnis zeigt sich in den Tabellen. Aber auch in den Zuschauerzahlen – 96 spielt das Stadion leer.
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