30. Dezember 2020 / 11:08 Uhr

HC Leipzigs Coach Fabian Kunze: "Handball ist mein Lebensmittelpunkt“

HC Leipzigs Coach Fabian Kunze: "Handball ist mein Lebensmittelpunkt“

LVZ-Sportbuzzer
Leipziger Volkszeitung
HCL-Cheftrainer Fabian Kunze liebt Herausforderungen.
HCL-Cheftrainer Fabian Kunze liebt Herausforderungen. © Christian Modla
Anzeige

Vom Nachwuchscoach zum Cheftrainer: Fabian Kunze hat mit dem SPORTBUZZER über seine Identifikation mit dem Zweitligisten HC Leipzig, einen wichtigen Tipp seines Stiefvaters und außergewöhnliche Momente im Sport gesprochen.

Leipzig. Das große Dankeschön muss wohl an den Stiefvater gehen – er war es, der Fabian Kunze letztlich den finalen Anstoß gegeben hatte, den Hut kurzerhand in den Ring zu werfen. In jener Zeit, in der es darum ging, einen neuen Cheftrainer für den Handball-Zweitligisten HC Leipzig zu finden. „Mach es doch einfach selbst, hatte er zu mir gesagt“, erzählt der 30-Jährige – den Geburtstag feierte er erst vor einigen Wochen am 22. November – mit einem Lächeln.

Anzeige

Wobei – die Idee, in die (immerhin nicht gerade kleinen) Fußstapfen des Vorgängers Jacob Dietrich zu treten, hatte Fabian Kunze vorher schon selbst. Handball liegt ihm einfach im Blut, das ist einfach „herkunftsbedingt“, wie er berichtet: „In Weißenborn haben alle Handball gespielt. Da gab’s nicht mal einen Fußballverein, glaube ich.“ Gut, der Sportverein Rotation hat schon durchaus eine Fußball-Abteilung, aber eigentlich genügt ein kurzer Blick auf die entsprechenden Internetseiten, um zu verstehen, was Fabian Kunze meint: Bei diesem Verein im Erzgebirge dreht sich tatsächlich alles um den Handball und dies weit über die rein sportlichen Aktionen auf der Platte hinaus. „Ja, der Handball ist tatsächlich mein Lebensmittelpunkt – deshalb habe ich damals in Weißenborn schon als Trainer gearbeitet“, überlegt er und ergänzt: „Geschätzt habe ich wohl 80 Prozent meiner Freunde über den Handball kennengelernt.“

Mehr zu Handball

Interessanterweise hatte Fabian Kunze schon im heimischen Weißenborn – liegt einen Steinwurf südlich von Freiberg im Landkreis Mittelsachsen – eine erste Begegnung mit dem damals noch schier überlebensgroßen HCL: Der war – in dieser Zeit deutscher Top-Club mit großen internationalen Ambitionen – natürlich auch mal zu Gast bei den Handballverrückten des SV Rotation.

Erfolg, Selbstbewusstsein und Demut

Was schon irgendwie im Kopf hängen geblieben ist: Als er sich im Studium daran macht, die Bachelorarbeit bei BMW in Leipzig zu schreiben, war der Griff zum Telefon schon echte Ehrensache – ob denn der HCL nicht noch einen Trainer, vielleicht im Nachwuchsbereich gebrauchen könne? Brauchte der Verein, na klar – womit eine waschechte Erfolgsgeschichte ihren Anfang nahm. Vom Nachwuchscoach zum Cheftrainer, viel besser kann es sich auch ein Drehbuch für einen Kinofilm nicht ausdenken.

Anzeige

Allerdings hat dieses Wachsen und Gedeihen im Verein schon seine entscheidenden Vorteile: Fabian Kunze definierte sich schon immer als Teil der HCL-Familie und dies in guten wie in schlechten Zeiten. Auch letztere kennt er, der Trainer hat die Insolvenz der Bundesliga-Spielbetriebsgesellschaft miterlebt, die schwärzeste Stunde in der Geschichte des Leipziger Frauenhandballs – andererseits war er auch beim Aufbruch dabei, als der Verein gewissermaßen wie Phoenix aus der Asche wieder aufgestiegen ist.

HCL
Auch beim Teambuilding voll dabei: HCL-Trainer Fabian Kunze mit Kanupark-Chef Christoph Kirsten (l.), Jacqueline Hummel und Anja Kreitczick. © Verein

„Klar, ich kann mich dunkel an die Insolvenzzeiten erinnern“, meint er mit einem Lächeln: „Dabei ist es erstaunlich, dass dies alles ja gar nicht so lange her ist. Und wenn man sich dann einmal anschaut, was inzwischen beim HCL wieder entstanden ist ...“

Nicht nur Trainer

Ja, das ist tatsächlich eine ganze Menge: Eine Zweitliga-Mannschaft, die unter der Ägide von Fabian Kunze für ordentlich Furore gesorgt hat in der laufenden Saison; dazu ein funktionierender Nachwuchs-Betrieb, der in Sachen Umfang und vor allem Qualität durchaus für Aufsehen sorgt. „Da ist auch schon ein wenig Stolz dabei, wenn man darüber nachdenkt, dass man dies auch selbst mit aufgebaut hat“, gibt der HCL-Cheftrainer mit einer gewissen Bescheidenheit zu Protokoll.

Die durchaus zu dem 30-Jährigen passt, der sich überhaupt nicht als Lautsprecher sieht. Oder als Aushängeschild – eher schon als eine der Seelen des Handballvereins und dies aus gutem Grund. „Durch meine Arbeit mit dem Nachwuchs kenne ich beinahe jede Spielerin im Verein. Und auch fast alle Eltern“, überlegt Fabian Kunze: „Und allein deshalb bin ich nach wie vor ein wichtiger Ansprechpartner beim HCL, auch wenn es um organisatorische Dinge geht. Oder um Probleme, über die man sprechen muss. Dabei bin ich doch einfach nur der Trainer.“ Das Lächeln spricht Bände – natürlich sieht er sich eben nicht nur als Trainer. Was sich dann wiederum ausgezeichnet mit jener Handball-Leidenschaft verknüpft, die er aus dem heimischen Weißenborn mitgebracht hat. Irgendwie schon das Rezept für den Erfolg – ergänzt um genau die richtige Mixtur aus Selbstbewusstsein und Demut.

DURCHKLICKEN: Die Bilder zum Spiel

Zum 1. Advent lassen es die Handballerinnen vom HC Leipzig so richtig krachen: 30:16 gewinnen sie gegen Wuppertal. Zur Galerie
Zum 1. Advent lassen es die Handballerinnen vom HC Leipzig so richtig krachen: 30:16 gewinnen sie gegen Wuppertal. ©

Klar, auf der einen Seite die breite Brust, die Lust an der Herausforderung – die ja genau genommen in diesem Jahr lediglich angestachelt wurde vom Stiefvater. „Am Ende war es dann wirklich eine Überraschung, als ich mich um den Cheftrainer-Posten beworben hatte“, erinnert er sich: „Irgendwie hatte im Verein niemand an eine solche Lösung gedacht.“ Ja, niemand hatte den (damaligen) HCL-Jugendkoordinator gedacht, an den durchaus erfolgreichen Trainer des „Juniorteams“, das sich ja unter seiner Leitung in Richtung Aufstieg zur Mitteldeutschen Oberliga gespielt hatte.

Individuelle Ausbildung im Fokus

Im Rückblick kann man sagen – alles richtig gemacht, findet auch Fabian Kunze: „Klar habe ich mir im Vorfeld Gedanken darüber gemacht, was mit dem neuen Trainerposten auf mich zukommt. Und mir war schon klar, dass da einige Dinge ganz anders laufen werden.“ Auf die meisten Dinge – in der Regel sportlicher Natur – hatte er sich bestens eingestellt, einige Sachen sorgten dann aber schon für Überraschungen: „Dass man nach dem Schlusspfiff eines Spiels auf einmal fünf Interviews geben muss, damit hatte ich in der Tat nicht gerechnet.“


Womit dann aber wiederum die Komponente der Demut (in der Betrachtung von Leistungssport gern auch mal unterschätzt) ins Spiel kommt. Wenn Fabian Kunze von sich sagt, auf dem Teppich geblieben zu sein, hat dies eine Menge Nachdruck und Ernsthaftigkeit. Weil er dann auch mit spannenden Einblicken nachlegt: „Natürlich gehe ich felsenfest davon aus, dass ich mich als Trainer noch weiterentwickle und dies hoffentlich noch lange.“ Und nach einer kleinen Pause ergänzt er: „Ich lerne ständig, ich lerne jeden Tag dazu. Jedes einzelne Gespräch mit Wieland Schmidt, mit Jochen Holz oder Steffen Obst, auch mit den Hummel-Zwillingen bringt mich weiter.“

Man kann ihn geradezu mit den Händen greifen, den Druck, den sich Fabian Kunze als HCL-Cheftrainer vor allem auch selbst macht. Die HCL-Mädels, so erklärt er, seien schließlich ein gutes und anspruchsvolles Training gewohnt, „da muss man auch etwas zu bieten haben“. Und dann ist da ja auch noch diese Vision, die ihn mit seinen Vereinsmitstreitern antreibt, diese Idee vom HCL der Zukunft. „Für mich, für uns im Trainerteam ist die individuelle Ausbildung enorm wichtig. Denn wir wollen unsere Spielerinnen wirklich weiterentwickeln und zwar ohne, dass wir dabei zu einem klassischen Ausbildungsverein werden“, und nach einer kleinen Pause des Nachdenkens ergänzter: „Ja, in diese Rolle wollen wir langfristig gesehen wachsen. Und ja, das ist für mich als Cheftrainer eine Herausforderung.“

Entspannung: Sport als unbeteiligter Beobacher

Es ist das Spannende, was da zu erkennen ist – dieser junge Cheftrainer sieht sich nicht wirklich unter Druck, was eine öffentliche Sicht auf seine Arbeit betrifft, fünf Interviews nach Spielende hin oder her. Es ist eher die eigene Leidenschaft, die da immer wieder antreibt. „Die moderne Kommunikation ist Fluch und Segen zugleich, gerade auch im Sport und im Handball“, überlegt Fabian Kunze: „Irgendwie kommt man ständig und permanent mit Handball in Kontakt – und sei es durch Nachrichten der Spielerinnen.“ Ein Segen, weil dies die Selbstreflektion schärft, das (auch kritische) Nachdenken über die eigene Arbeit, über neue Wege und Ideen. Frei nach Jürgen Klopp, den er nur zu gern zitiert: „Man muss sich von allem das Gute raussuchen.“ Ein Fluch, weil man manchmal doch abschalten muss, den Kopf wieder frei werden sollte vom stetigen Nachdenken über die eigene Sportart. „Die Pause jetzt ist für alle richtig wichtig“, meint Fabian Kunze: „Und genauso wichtig war es, dass im letzten Spiel gegen Wuppertal noch mal alle Spielerinnen auf der Platte gestanden haben.“

Glückliche Gesichter beim HC Leipzig: Die Auswärtspartie in Kamp Lintfort wurde gewonnen.
Kunze sorgt mit seiner Zweitliga-Mannschaft für ordentlich Furore. © Verein

Wie macht man ihn nun aber frei vom Handball, den ständig beschäftigten eigenen Trainer-Kopf? Auch wieder spannend: Mit Sport gegen zuviel Nachdenken über Sport! „Ich gucke leidenschaftlich gern Sport in allen Formen – ich bin seit ewigen Zeiten Borussia-Dortmund-Fan; sorry Leipzig! Ich mag die NBA, ich mag Football, Volleyball, Biathlon, selbst Curling habe ich mir mit wachsender Begeisterung ob der knisternden Spannung angeschaut“, erzählt er und ergänzt: „Das ist für mich echte Entspannung, wenn ich einfach mal beim Sport als unbeteiligter Beobacher zuschauen kann.“

Vielleicht auch auf der Suche nach diesen besonderen Momenten, die man sonst nur noch so selten findet, nach den Unberechenbarkeiten und der überschäumenden Emotionalität. „Wo gibt es so etwas noch, wenn nicht im Sport“, fragt Fabian Kunze und erzählt: „Das letzte Spiel in Wuppertal, sowohl Lotta Röpcke als Nachwuchsspielerin als auch Hanna Ferber-Rahnhöfer nach der Verletzungspause werfen die ersten Saisontore in der zweiten Liga. Die ganze Bank springt auf, schreit vor Freude, jubelt und feiert wie verrückt.“ Mit einem feinen Lächeln sagt er einen Satz, der am Ende alles erklärt – den Schweiß und die Arbeit, die Tränen und die Widrigkeiten, die ein Cheftrainerposten nun auch mal mit sich bringt: „Diese Momente machen es aus.“

Jens Wagner

Anzeige: Erlebe die gesamte Bundesliga mit WOW und DAZN zum Vorteilspreis